Die Wolffsche Zigarrenfabrik

 

 

Die Wolffsche Zigarrenfabrik

 

Betriebs-Chronik

Text der studentischen Gruppe

 

 

Adresse : Leipziger Straße 135, 37235 Hessisch-Lichtenau

 

1884 wurde ein Zweigbetrieb der im Jahr 1867 in Hamburg gegründeten Zigarrenfabrik Louis Wolff in Hessisch-Lichtnau eröffnet.

 

1890  war das eigenes Fabrikgebäude (an der heutigen Stelle, in der Leipziger Straße) errichtet worden.

 

1906  Tod des Firmengründers Louis Wolff, übernahmen seine drei Söhne Jakob, Eduard und Wilhelm Wolff das Unternehmen.

 

1909  wurde die Feier des 25jährigen Bestehens der Firma stattgefunden. Bis dahin waren in Lichtenau über 100 Millionen Zigarren angefertigt worden.

 

1913  Franz Dunker wurde zum gleichberechtigten Teilhaber gemacht.

 

Bis zum Ersten Weltkrieg drehten im Lichtenauer Werk etwa 100 Arbeiter und Arbeiterinnen jährlich 5 Millionen Zigarren.

 

1921 wurde einen zweiten Betrieb in Hess. Lichtenau eröffnen.

 

Anfang der dreißiger Jahre geriet die Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so dass der Inhaber der Wolff'schen Zigarrenfabriken, Franz Christian Dunker, am 26. April 1933 die Betriebe wegen Auftragsmangels schließen ließ. Die Stadt tat alles, die Firma Wolff zu bewegen, die stillgelegten Werke wieder in Betrieb zu setzen. der Lichtenauer Bürgermeister Julius Goebel, der zugleich Kreisleiter der NSDAP war, besorgte dieser jüdischen Firma einen Reichszuschuss für die Instandsetzung des Fabrikgebäudes.

 

Am 21. Juli 1934 wurde die Zigarrenfabrik nach der Modernisierung wieder eröffnet.

 

1938  war die Fabrik wieder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil das Reichswirtschaftministerium so genannten „jüdischen" Firmen die Rohstoffkontingente kürzte, um eine leichtere „Arisierung" zu ermöglichen. Im August wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Die Stadt zahlte für Gebäude und Grundstück die geforderten 30 000 RM, für das Inventar 1500 RM, und damit nach Einschätzung Heyners einen „normalen Verkaufpreis".

 

Seit spätestens Januar 1939 verpachtete die Stadt die Zigarrenfabrik als Bauarbeiterunterkunft.

 

Nach 1945 blieb die ehemalige Zigarrenfabrik in städtischem Besitz.

 

Wurde zwischenzeitlich als Schule genutzt(ohne Zeitpunkt),

 

heute Nutzung durch Jugendgruppen / Vereine der Stadt

 

Quelle:

1. NINO Standorte

2. Gregor Espelage, „Friedland“ bei Hessisch Lichtenau

Geschichte der Stadt Hessisch Lichtenau

Hessisch Lichtenau, 1992

Seite 20 – 21

3. Georg Heyner, Hessisch Lichtenau von 1890 bis 1918

aus

700 Jahre Hessisch Lichtenau

Hrsg. Stadt Hessisch Lichtenau, 1869

Seite 128 - 130

 

 


folgend: Orginaltexte aus den Quellen : _

  1. NINO-Standorte
  2. Gregor Espelage, „Friedland“ bei Hessisch Lichtenau, Geschichte der Stadt Hessisch Lichtenau
  3. Georg Heyner, Hessisch Lichtenau von 1890 bis 1918

Quelle : NINO Standorte

 

Standort-Nummer 522

Adresse : Leipziger Straße 135, 37235 Hessisch-Lichtenau

 

 

1884 gegründet, Gebäude von 1890.

Vor dem 1. Weltkrieg produzierten ca. 100 Beschäftigte ca. 5 Mio Zigarren / Jahr.

1938 stillgelegt.

Wurde zwischenzeitlich als Schule genutzt,

heute Nutzung durch Jugendgruppen / Vereine der Stadt.

 

 

Quelle : Gregor Espelage, „Friedland“ bei Hessisch Lichtenau

Geschichte der Stadt Hessisch Lichtenau

Hessisch Lichtenau, 1992

Seite 20 – 21

 

Die bereits erwähnte Wolffsche Zigarrenfabrik expandierte seit Ende des 19. Jahrhunderts. Nachdem 1890 in Hess. Lichtenau ein eigenes Fabrikgebäude errichtet worden war, entstanden weitere Zweigbetriebe, u.a. in Fürstenhagen, Helsa und Waldkappel. Nach dem Tod des Firmengründers Ludwig Wolff, 1906, übernahmen seine drei Söhne das Unternehmen. 1913 machten sie Franz Dunker zum gleichberechtigten Teilhaber. Bis zum Ersten Weltkrieg drehten im Lichtenauer Werk etwa 100 Arbeiter und Arbeiterinnen jährlich 5 Millionen Zigarren. Nach kriegsbedingtem Produktionsrückgang und zeitweiliger Stillegung erholte sich die Firma und konnte 1921 einen zweiten Betrieb in Hess. Lichtenau eröffnen.

 

Seit Anfang der 30er Jahre gingen die Aufträge wieder zurück. Im April 1933 wurde der Zweigbetrieb Hess. Lichtenau an der Ecke Leipziger Straße/Biegenstraße wegen „Auftragsmangel" geschlossen. Uberlegungen vom Herbst desselben Jahres, in den Fabrikräumen ein „Arbeitsdienstlager" einzurichten, wurden von der Stadt abgelehnt, da man zur Wiederbeschaffung der 100 Arbeitsplätze auf eine Neueröffnung der Fabrik hoffte. Bürgermeister Goebel besorgte dem jüdischen Inhaber der Firma, Franz Christian Dunker, einen Reichszuschuß für die Modernisierungss, nach der am 21. Juli 1934 die Fabrik wiedereröffnet wurde.

 

Die modernisierte Zigarrenfabrik geriet 1938 abermals in Schwierigkeiten, die - so Georg Heyner - „vielleicht darauf zurückzuführen waren, daß das Reichswirtschaftsministerium sogenannten 'jüdischen' Firmen die Rohstoffkontingente kürzte, um eine leichtere 'Arisierung' zu ermöglichen.

 

Als 1938 in der Fabrik abermals kurzgearbeitet wurde, bat Bürgermeister Goebel am 2. 8. 1938 die Firmenleitung, bei einer eventuellen Schließung der Fabrik das Gebäude der Stadt pachtweise oder käuflich zu überlassen. Noch im selben Monat wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Die Stadt zahlte für Gebäude und Grundstück die geforderten 30 000 RM, für das Inventar 1500 RM und damit nach Einschätzung Heyners einen „normalen Verkaufpreis". Auch nach 1945 blieb die ehemalige Zigarrenfabrik in städtischem Besitz. 1946 zahlte die Stadt nach dem Rückerstattungsgesetz für ehemaliges jüdisches Vermögen 20 000 RM an die Hessische Treuhandverwaltung der „Jewisch Restitution Sucessor Organisation

 

Pläne der Stadt, in der alten Zigarrenfabrik ein Heim für die Hitlerjugend einzurichten, wurden sehr schnell wieder ad acta gelegt. Die Ernsthaftigkeit dieser Absicht, mit der Bürgermeister Goebel einen schließlich abgelehnten - Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbssteuer begründete , kann bezweifelt werden. Der Rüstungsausbau verlangte 1938 andere Prioritäten. Die Produktion in der Sprengstoffabrik war bereits angelaufen, der Werkausbau ging weiter, Lagerbauten waren projektiert. Tausende von Bau- und Betriebsarbeiter mußten untergebracht werden. Das Wie und Wo war beim schnellen Aufbau der Fabrik völlig vernachlässigt worden, das Wohnungsproblem spitzte sich zu, und bei der Suche nach kurzfristigen, improvisierten Lösungen war auch die Stadtverwaltung eingebunden. Seit spätestens Januar 1939 verpachtete die Stadt die Zigarrenfabrik als Bauarbeiterunterkunft.

 

 

Quelle :

Georg Heyner, Hessisch Lichtenau von 1890 bis 1918

aus

700 Jahre Hessisch Lichtenau

Hrsg. Stadt Hessisch Lichtenau, 1869

Seite 128 - 130

 

 

Wenn man von der Zeche Glimmerode absieht, war der erste Industriebetrieb in Lichtenau eine Zigarrenfabrik. Seit dem Jahre 1868 gab es in der Stadt eine Filiale der Witzenhäuser Zigarrenfabrik Mangold und Schröder, die im Jahre 1884 ihren Betrieb aufgab. An ihrer Stelle eröffnete die im Jahre 1867 in Hamburg gegründete Zigarrenfabrik Louis Wolff einen Zweigbetrieb, der zunächst in dem „schöne Aussicht" genannten Gebäude in der Leipziger Straße (der späteren „Herberge zur Heimat") untergebracht war. Der Betrieb entwickelte sich so gut, daß die Firma im Jahre 1890 ein eigenens Fabrikgebäude an der Leipziger Straße errichten konnte, das heute noch als „ehemalige Zigarrenfabrik" bekannt ist und von der Stadt Jugendgruppen und Vereinen zur Verfügung gestellt wird. Weitere Zweigbetriebe entstanden in den folgenden Jahren in Helsa, Fürstenhagen, Waldkappel, Sontra, Northeim und in Thüringen, weil in diesen Gebieten genügend Arbeitskräfte zur Verfügung standen und geringere Löhne gezahlt werden brauchten als in der Großstadt Hamburg.

 

Louis Wolff war im Jahre 1830 als Sohn armer jüdischer Eltern geboren worden, mußte schon als Kind in Zigarrenfabriken arbeiten und hatte als Lehrling vollständig für seinen Unterhalt zu sorgen. Er bildete sich in Fabriken des In- und Auslandes zu einem tüchtigen Zigarrenmacher heran, war in Kopenhagen als Meister tätig und machte sich mit eigenen Mitteln 1867 in Hamburg selbständig. Nach 25 Jahren beschäftigte er in seinen Betrieben schon 500 Arbeiter. Dann traten seine drei Söhne Jakob, Eduard und Wilhelm Wolff in das Geschäft ein, das sich weiter so gut entwickelte, daß die Firma beim Tode des Firmengründers im Jahre 1906 über 2000 Arbeiter und Arbeiterinnen in 20 Betrieben beschäftigte.

 

Aufgrund seiner einfachen Herkunft und seines Werdeganges war L. Wolff ausgesprochen sozial eingestellt und legte daher bei seinem Ausscheiden aus der Firma im Jahre 1904 mit einem Kapital von 120.000 Mk den Grundstock zu einer Rentenstiftung, in deren Genuß alle Arbeiter kommen sollten, die 20 Jahre und mehr bei der Firma in Arbeit gestanden hatten. In einem Brief an die Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma schrieb er u. a.: „Ich habe für jedermann sichtbar den Beweis erbracht, daß man mit deutschen Landleuten unter guter Anleitung und praktischer Organisation selbst in feinster Fabrikation alles das leisten kann, was Arbeiter der Großstädte schaffen. Immerhin war dies jedoch nur möglich mit Hülfe Eurer allgemeinen, folgsamen oft sehr mühevollen Anstrengungen. Nun war ich jederzeit bestrebt, dafür zu sorgen, daß alle Arbeiter soviel wie nur irgendmöglich verdienen. Ich glaube auch, daß Ihr alle dies wißt. Es muß Euch bekannt sein, daß Ihr im Verdienst besser gestellt seid als die weitaus größte Mehrheit Eurer Berufsgenossen in ähnlichen Ortsverhältnissen. Trotzdem ist es mir ein Herzensbedürfnis, meinen Arbeitern anläßlich meines Austrittes einen kleinen Beweis meiner Liebe zu geben. Ich schenke daher den Betrag von Mk 120.000 (Einhundertzwanzigtausend Reichsmark) zur Verwendung für Euch.

 

Im Lichtenauer Betrieb betraf es 9 Arbeiter, die dadurch in den Genuß einer zusätzlichen Rente kamen.

 

Sowohl L. Wolff wie seine Söhne bemühten sich, ihre Betriebe so zu leiten, daß sich die Arbeiter wie eine große Familie fühlen sollten. Es gab Weihnachtsfeiern mit Weihnachtsgratifikationen, Sommerfeste, Ausflüge der Betriebsangehörigen an Feiertagen, und alle Feste und Jubiläen benachbarter Filialen wurden gemeinsam gefeiert. Beim Lichtenauer Betrieb gab es einen „Verein der L. Wolff'schen Zigarrenfabrik", der die Sommerfeste und andere Veranstaltungen organisierte. Außerdem gründete Direktor Hokamp (ebenfalls Jude), der die Fabrik von 1897 bis 1912 leitete, Anfang 1903 einen gemischten Chor, dessen Dirigent Lehrer Bachmann wurde .Anders als später die Textilarbeiter der Firma Fröhlich und Wolff hatten die Tabakarbeiterinnen und -arbeiter trotz ihres bescheidenen Lohnstandards weitgehend Anteil am bürgerlichen Leben der damaligen Zeit.

 

Ein Höhepunkt wurde die Feier des 25jährigen Bestehens der Firma im Jahre 1909. Bis dahin waren in Lichtenau über 100 Millionen Zigarren angefertigt worden. Das Jubiläumsfest wurde am 24. und 25. Juli mit Beteiligung der städtischen Behörden, der örtlichen Vereine und fast der gesamten Einwohnerschaft sowie der Angehörigen der benachbarten Filialen gefeiert. Es begann am Samstagabend mit einem Kommers im „Grünen Baum", an dem die Belegschaft, die Vertreter der Stadt sowie Wilhelm Wolff und die höchsten Angestellten aus Hamburg teilnahmen. Der Kommers wurde vom Fabrikgesangverein, dem Turn und Gesangverein und der Liedertafel musikalisch umrahmt. Am Sonntagvormittag fand eine Besichtigung der Stadt und der Fabrik statt. Nach Ansprachen von W. Wolff und Bürgermeister Peter auf dem Fabrikgelände und der Ehrung von Jubilaren, ging es im festlichen Zug zum Festplatz Kreuzrasen, wo sich der zwanglose Teil des Festes abspielte, das mit einem Fackelzug zum Fabrikgelände und einem dort abgebrannten Feuerwerk seinen Abschluß fand.

 

Wenige Tage nach dem Fest bedankte sich Wilhelm Wolff in einem Schreiben an Bürgermeister Peter für die Anteilnahme der Bürger bei dem Jubiläum sowie für die schöne Ausschmückung der Stadt und teilte mit, daß er der Stadt als Geschenk anstelle des alten, einfachen Brunnens auf dem Kirchplatz einen Monumentalbrunnen stiften wolle, der etwas mehr nach der Mittelstraße und dem Rathaus zu, dicht dem Kircheneingang gegenüber, stehen solle. In die Schenkung seien auch die erforderlichen Nebenanlagen (Horizontallegung des ganzen Platzes, Trottoiranlage, Rinnstein, Mosaikpflaster, Einfriedigung usw.) mit einbegriffen.

 

Nachdem der alte Brunnen auf den Kreuzrasen umgesetzt worden war, wurde der neue Brunnen, der dem in Lichtenau geborenen hessischen Kanzler Johannes Feige gewidmet wurde, am 19. und 20. Juni 1910 in Verbindung mit der Feier des Friedensfestes feierlich eingeweiht. An der Feier nahmen außer zahlreichen Vertretern von Behörden, der Kirche und Vereinen auch der Rektor, die Dekane und viele korporierte Studenten der Philippsuniversität Marburg teil.

 

Die Zigarrenfabrik hatte bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges einen ständigen Auftrieb zu verzeichnen; mit über 100 Arbeitern und Arbeiterinnen wurde in Lichtenau eine Jahresproduktion von etwa 5 Millionen Zigarren erzielt. Wegen Rohstoffmangels infolge der Kriegsjahre mußte die Fabrikation im Jahre 1919 für einige Monate ganz stillgelegt werden. Dann ging es aber wieder aufwärts, und im Jahre 1921 konnte die Firma in Hessisch Lichtenau sogar einen zweiten Betrieb aufmachen. In wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet die Firma erst Anfang der dreißiger Jahre, so daß der Inhaber der Wolff'schen Zigarrenfabriken, Franz Christian Dunker, am 26. April 1933 die Betriebe in Hessisch Lichtenau und Fürstenhagen wegen Auftragsmangels schließen ließ. Die Stadt tat alles, die Firma Wolff zu bewegen, die stillgelegten Werke wieder in Betrieb zu setzen, aber selbst der Hinweis, daß die Konkurrenz (z. B. Engelhardt in Witzenhausen) das tun wolle, nützte nichts. Schließlich besorgte der Lichtenauer Bürgermeister Julius Goebel, der zugleich Kreisleiter der NSDAP war, der jüdischen Firma L. Wolff einen Reichszuschuß für die Instandsetzung des Fabrikgebäudes. Nach der Modernisierung wurde die Zigarrenfabrik am 21. Juli 1934 wieder eröffnet. Im Jahre 1938 war sie wieder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die vielleicht darauf zurückzuführen waren, daß das Reichswirtschaftministerium sogenannten „jüdischen" Firmen die Rohstoffkontingente kürzte, um eine leichtere „Arisierung" zu ermöglichen. Als Bürgermeister Goebel erfuhr, daß im Betrieb nur noch in geringem Umfang gearbeitet wurde, bot er dem Inhaber Anfang August an, das Gebäude zu pachten oder zu kaufen. Dunker erklärte sich zum Verkauf bereit, die Stadt bezahlte die von ihm geforderte Summe von 30.000 RM und verpflichtete sich, seine Arbeiter anderweitig in Stellung zu bringen. Sie wurden von der Firma Fröhlich und Wolff übernommen, die im gleichen Jahre unter erheblichem Druck „arisiert" und weit unter ihrem Verkehrswert verkauft wurde.