07.07.2023

Bericht des Sommerevents 2023

Bericht zur Podiumsdiskussion mit dem Thema "Legitimität und Verhältnismäßigkeit von Protestformen". Die eingeladenen Gäste der Diskussion waren Sonja Manderbach (Philosophin und Kulturwissenschaftlerin sowie Pressesprecherin und Aktivistin der Letzten Generation), Dr. Dr. Maximilian Pichl (Rechts- und Politikwissenschaftler, ehemaliger rechtspolitischer Referent bei Pro Asyl) sowie Dr. Kerstin Wolff (Historikerin und Forschungsreferentin beim Archiv der Deutschen Frauenbewegung).

Das Sommerevent 2023 begann mit einer einleitenden Begrüßung durch Julia Zimmermann.
Dabei wurde das Programm vorgestellt und ein Dank an die Planungsgruppe ausgesprochen.
Im Anschluss begann Jonathan Feik mit der Moderation der Podiumsdiskussion zum Thema
`Legitimität und Verhältnismäßigkeit von Protestformen´. Die eingeladenen Gäste der
Diskussion waren Sonja Manderbach (Philosophin und Kulturwissenschaftlerin sowie
Pressesprecherin und Aktivistin der Letzten Generation), Dr. Dr. Maximilian Pichl (Rechts-
und Politikwissenschaftler, ehemaliger rechtspolitischer Referent bei Pro Asyl) sowie Dr.
Kerstin Wolff (Historikerin und Forschungsreferentin beim Archiv der Deutschen
Frauenbewegung).
Die drei Referent:innen nahmen zunächst Stellung zur Leitfrage. Sonja Manderbach
definierte, dass Protest dann legitim und verhältnismäßig ist, wenn die Forderung
gemeinnützig sei. Das Gegenteil sah sie bei demokratiefeindlichen Forderungen gegeben. Im
Falle des Klimawandels sei gemeinnützig, was dem Erhalt der Natur diene. Außerdem sei
Gewaltlosigkeit eine zentrale Forderung für die Legitimität von Protestformen. Dem
Klimawandel sei eine enorme Dringlichkeit zu eigen, die von großen Teilen der Bevölkerung
nicht erkannt werde. Auf dieses Wahrnehmungsdefizit antwortet die Letzte Generation durch
ihre Protestformen daher mit möglichst `unignorierbaren´ Protesten.
Kerstin Wolff stellte vier Thesen in den Raum. Erstens gab sie an, dass Protestformen immer
eine historische Genese haben und sich den gegenwärtigen gesellschaftlichen Umständen
anpassen müssten, um funktional zu werden. Zweitens sei es eine Voraussetzung für den
Erfolg von Protest, dass er der Bevölkerung `einleuchtet´, dass die Protestformen also sinnvoll
gelesen werden müssen. Die dritte These bezog sich darauf, dass Protest immer in zwei
Richtungen wirkt: Einerseits wirken Protestformen in die Bewegung hinein, wo
beispielsweise strategische Differenzen auftreten können. Gleichzeitig kann gemeinsamer
Protest das Gemeinschaftsgefühl stärken. Andererseits wirke Protest auch immer aus der
Bewegung heraus in die Gesellschaft, die mit Zustimmung oder Ablehnung reagieren könne.
Hier wird auch die vierte These relevant. Diese gab an, dass Protest immer nur dann real
stattfindet, wenn über ihn berichtet wird. Dies sei nur dann gegeben, wenn der Protest
routinierte Abläufe der Gesellschaft bewusst störe.
Maximilian Pichl differenzierte zwischen dem politischen Begriff der Legitimität und dem
juristischen Begriff der Verhältnismäßigkeit. Demokratische Formen mussten immer gegen
staatliche Widerstände erkämpft werden. Dies sieht er auch gegenwärtig gegeben: So sei
beispielsweise feststellbar, dass die Letzte Generation im öffentlichen Diskurs als

antidemokratisch und antirechtsstaatlich diffamiert werde. Als Beispiel führte er das
Beschmieren der Grundgesetz-Installation beim Reichstagsgebäude in Berlin mit Farbe an.
Die von den Aktivist:innen intendierte Metapher sollte aussagen, dass die Grundrechte im Öl
`ertrinken´. Damit sollte für die Generationengerechtigkeit der Grundrechte protestiert
werden. Von Seiten verschiedener Parlamentarier:innen sei die Aktion als Angriff auf das
Grundgesetz interpretiert worden und es seien Begriffe wie `antidemokratisch´,
`antirechtsstaatlich´ und Vergleiche zu den Taliban kommuniziert worden. Darüber hinaus
seien staatliche Repressionen gegen die Letzte Generation zu beobachten. So analysierte er
ein fehlerhaftes Rechtsstaatsverständnis im öffentlichen Diskurs. Dies sei gegeben, wenn
gefordert werden, man müsse gegen die Letzte Generation `mit aller Härte des Rechtsstaats´
vorgehen. Dies sei fehlerhaft, da der Rechtsstaat nicht sicherheitsbehördliche Eingriffe gegen
die Bevölkerung meine, sondern dass der Rechtsstaat gerade im Gegenteil durch Freiheits-
und Sicherheitsrechte für die Bürger:innen gegen den Staat konstituiert sei.
Insgesamt ergab sich, dass im Falle des Klimawandels insbesondere die Dringlichkeit der
Problematik Einfluss auf die Bewertung von Legitimität und Verhältnismäßigkeit von
Protestformen habe.