Garnisonkirche / RZ Potsdam

Das Haus der Demokratie

Ein dritter Ort im Spannungsfeld zwischen Garnisonkirche und Rechenzentrum

Seit drei Jahrzehnten wird über den Wiederaufbau der barocken Garnisonkirche Potsdam gestritten. Ursprünglich von einem rechtsradikalen Bundeswehroffizier initiiert, baut nun eine kirchliche Stiftung unter den Stichworten „Versöhnung“ und „Frieden“ den Kirchturm äußerlich originalgetreu und vorwiegend vom Bund finanziert wieder auf. Historisch steht die 1945 beschädigte und 1968 abgerissene Kirche für den deutschen Nationalprotestantismus und damit für ein obrigkeitshöriges, antidemokratisches, antiliberales, nationalistisches und militaristisches Denken, dass auch die Kriege gegen Polen und Frankreich, die Kolonialvölker sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg beförderte und einen fatalen Höhepunkt im „Tag von Potsdam“ mit der symbolischen Inthronisierung von Adolf Hitler erreichte.

Direkt daneben, in 1,7 Meter Entfernung steht das 1971 und somit zu DDR-Zeiten errichtete Gebäude des Rechenzentrums, das seit über sechs Jahren als Kunst- und Kreativhaus genutzt wird. Eigentlich sollte dessen Abriss 2024 erfolgen, um Baufreiheit für den Nachbau des Kirchenschiffs herzustellen. Doch inzwischen ist klar, dass letzteres nicht kommen wird. Für einen Abriss, ob vollständig oder in Teilen, gibt es keinen Grund mehr. Aber was soll an diesem Ort geschehen? Die Stadt Potsdam hat im Jahr 2020 einen sogenannten 4-Phasen-Prozess in Gang gesetzt, um diese Frage zu klären.

Aufbauend auf den Ergebnissen des „Design Thinking“, der mit dem Hasso-Plattner-Institut durchgeführten zweiten Phase dieses Prozesses, befassten sich Architekturstudierende der Universität Kassel im Wintersemester 2021/2022 mit den Fragen: Wie kann hier ein neuer Dritter Ort für das Lernen aus der Geschichte und das Befördern freiheitlicher Utopien gestaltet sein? Soll sich dieser Dritte Ort mit den beiden Bestandsbauten verbinden und sich teilweise auch auf diese ausdehnen? Als Resultat entstanden eine Reihe architektonische Entwürfe für das von der Stadt beabsichtigte Haus der Demokratie.

Ausstellung

Ausgestellt wurden die neun Entwürfe der Studierenden in Plan und Modell zu den Konzepten Black box, Forum, Fuge, Parcours, Passage, Perspektiven, Stapel, Turm und Wolkenbügel. Zudem zeigt die Ausstellung Referenzen für eine „Architektur der Freiheit“, eine historische Spurensuche in Potsdam und Videokommentare zu den Entwürfen von Historiker Arnold Bartetzky (Leipzig), dem Architekturkritiker Nikoaus Bernu (Berlin), der Kunsthitstorikerin Gabriele Dolff-Bonekämper (Berlin), der Historikerin Annette Leo, dem Architektur- und Kunstkritiker Niklas Maak (Berlin) und der Städtebauerin Sophie Wolfrum (München).

Statements von Ex­per­tInnen zum Haus der De­mo­kra­tie Pots­dam

Arnold Bartetzky, Leiter der Abteilung Kultur und Imagination des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europas und Honorarprofessor der Kunstgeschichte an der Universität Leipzig; Nikolaus Bernau, Architekturkritiker der Berliner Zeitung; Gabriele Dolff-Bonekämper, emeritierte Professorin für Denkmalpflege und urbanes Kulturerbe an der Technischen Universität Berlin, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat Lernort Garnisonkirche; Annette Leo, Historikerin, Co-Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats Lernort Garnisonkirche; Sophie Wolfrum, emeritierte Professorin für Städtebau an der Technischen Universität München, Vorsitzende des Gestaltungsrat der Stadt Potsdam, antworten auf Fragen von Philipp Oswalt, April 2022.