Ehrenpromotionen
Hans Albert (1921-2023, Ehrenpromotion 2000)
Mit Hans Albert ehrte der Fachbereich einen der prägenden Wissenschaftstheoretiker unserer Disziplin. Von ihm stammt der Begriff Modell-Platonismus; er kritisierte damit keineswegs alle Modelle, aber solche Theorien, die so angelegt sind, dass sie nicht prüfbar sind, d.h. in der Konfrontation mit der Realität prinzipiell nicht scheitern könnten. Damit gehört er zu den kritischen Rationalisten, deren bekanntester und bedeutendster deutscher Vertreter er war. Von dieser Position aus kritisierte er den Papst (Joseph Ratzingers Rettung des Christentums: Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Dienste des Glaubens, Aschaffenburg 2008) ebenso scharf wie die Frankfurter Schule (Stichwort Positivismusstreit). Mit seinen Forderungen nach Interdisziplinarität und empirischer Relevanz steht er unserer Fakultät gut zu Gesicht.
Weitere Informationen: https://hans-albert-institut.de/.
Ota Šik (1919- 2004, Ehrenpromotion 1989)
Ota Šik - Jude, Widerstandskämpfer und Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) - studierte nach der Befreiung aus dem KZ Mauthausen Ökonomie und wurde 1962 Mitglied des ZK der KSČ. Zur Zeit des Prager Frühlings war er stellvertretender Ministerpräsident und der führende Kopf hinter den Wirtschaftsreformen, für die er den Begriff des "dritter Wegs" zwischen Markt und Plan prägte. Freien Güterpreise in Verbindung mit Instrumenten wie Arbeitnehmerbeteiligungen sollten für Effizienz ebenso wie für soziale Gerechtigkeit sorgen. Der Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten bereitete dem ein schnelles Ende; Ota Šik, der zweisprachig aufgewachsen war und Deutsch so gut wie Tschechisch sprach, emigrierte in die Schweiz und wurde Professor an der Hochschule St. Gallen (HSG). "Humane Wirtschaftsdemokratie" ist der Titel seines Hauptwerks von 1979 und steht für das, was er wollte und wofür er von unserer Fakultät ausgezeichnet wurde.
Weitere Informationen: Hans G. Nutzinger & Jiři Kosta: Ota Šik, Kasseler Universitätsreden Nr. 8 (1990).
Karlwilhelm Stratmann (1930- 1997, Ehrenpromotion 1996)
Mit Karlwilhelm Stratmann ehrte der Fachbereich einen herausragenden Repräsentanten der modernen berufspädagogischen Historiographie und geisteswissenschaftlich-orientierten Bildungstheoretiker. Während seiner akademischen Laufbahn beteiligte sich Stratmann mit ungefähr 140 publizierten Werken an diversen bildungstheoretischen und berufspädagogischen Diskursen in Deutschland. Er zielte in seinen wissenschaftlichen Arbeiten darauf ab, die für die Berufspädagogik bedeutenden historischen Entwicklungen aufzuarbeiten, um die aktuellen Herausforderungen in der Berufsbildung angemessen erfassen zu können. Durch seine vielfältigen Veröffentlichungen trug er maßgeblich dazu bei, die Berufspädagogik als erziehungswissenschaftliche Disziplin zu etablieren. In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB) initiierte Stratmann diverse berufspädagogisch-historische Kongresse, dessen Resultate noch immer aufgrund vielfältiger Veröffentlichungen nachwirken. Darüber hinaus beteiligte er sich auch an berufsbildungspolitischen Diskursen. Als Inhaber des Lehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspädagogik war er bis zu seiner Emeritierung im Januar 1997 forschend und lehrend an der Ruhr-Universität Bochum tätig.
Günter Wiemann (1922- 2016, Ehrenpromotion 1988)
Mit Günter Wiemann ehrte die Universität Kassel den ehemaligen Präsidenten des niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung sowie Ministerialdirigenten im niedersächsischen Kultusministerium und Professor für Sozialpädagogik an der damaligen Technischen Universität Hannover (heute Leibnitz Universität Hannover). Wiemanns größerer und bis heute die Berufsbildung prägender Erfolg war die Erprobung und Umsetzung des Berufsgrundschuljahres in Niedersachsen. Während seiner beruflichen und akademischen Karriere warb er für die Verbindung von Arbeiten und Lernen. Die Kooperation der Lernorte Schule und Betrieb stand bei Wiemann daher stets im berufspädagogischen sowie berufsbildungspolitischen Vordergrund. Seine Arbeiten beschäftigten sich primär mit Fragen der beruflichen Entwicklung in vorberuflichen Kontexten sowie in der beruflichen Erstausbildung. Seine berufspädagogische Expertise teilte er im Rahmen seiner umfangreichen, internationalen Beratungstätigkeit. Neben der Ehrenpromotion der Universität Kassel wurde Wiemann im Jahr 1987 mit Ehrenpromotion der Technischen Universität Hannover und ein Jahr später mit der russischen Uschinskij-Medaille für Erziehungswissenschaften ausgezeichnet.
Matthias von Wulffen (geb. 1942, Ehrenpromotion 2007)
Dem ehemaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts Matthias von Wulffen wurde der akademische Grad für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet des Sozialrechts zuerkannt. Nach langjähriger Tätigkeit in der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit, u.a. am Bayerischen Landessozialgericht und zuletzt als Präsident des Sozialgerichts München wurde von Wulffen 1987 an das Bundessozialgericht in Kassel berufen, als dessen Präsident er von 1995 bis 2007 tätig war. Der Schwerpunkt seiner richterlichen und wissenschaftlichen Arbeit betraf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und auch das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren. In den Jahren von 2001 bis 2005 hat sich Matthias von Wulffen als Mitglied ihres Hochschulrates für die Universität Kassel engagiert und für die Einrichtung des gestuften rechtswissenschaftlichen Studiengangs Wirtschaftsrecht eingesetzt.
Weitere Informationen: Rede von Olaf Scholz anlässlich der Verabschiedung von Matthias von Wulffen als Präsident des Bundessozialgerichts.