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Erfolgreiche Disputation von Frau Katrin Arianta: Bleibe- und Ausstiegsintentionen angehender Pflegefachkräfte
Das Institut für Berufsbildung und insbesondere das Fachgebiet Berufs- und Wirtschaftspädagogik beglückwünschen Frau Katrin Arianta (demnächst: Dr. Katrin Arianta) zur erfolgreichen Verteidigung ihrer Dissertationsschrift mit dem Titel “Der sozial-interaktive Lernprozess der Entwicklung pflegeberuflicher Aspirationen in der Eingangsphase der Pflegeausbildung in der Auseinandersetzung mit Bleibe- und Ausstiegsintentionen: Eine qualitative Längsschnittstudie” am 23.09.2024.
Highlights der Dissertation:
- Qualitative Längsschnittstudie im ersten Ausbildungsjahr von Pflegefachkräften
- Entwicklung eines Modells zur Erklärung von Bleibe- und Ausstiegsintentionen von Pflegeschüler:innen
- Identifikation von vier prototypischen Verläufen der pflegeberuflicher Aspirationen
- Empirische Hinweise darauf, dass u.a. der soziale betriebliche Kontext der Ausbildung und die Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung (d.h. Lernen am Arbeitsplatz) einen hohen Einfluss auf die Entwicklung von Bleibe- und Ausstiegsintentionen hat
Hier eine Kurzzusammenfassung der Dissertation in deutscher und in englischer Sprache:
Deutsch: Prognosen zufolge werden in den kommenden Jahren weltweit etwa 13 Millionen Pflegekräfte fehlen (ICN, 2022), weshalb die Bindung junger Nachwuchskräfte im Pflegesektor zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig ist trotz eines Anstiegs von Vertragslösungen und Abbruchtendenzen in der Pflegeausbildung (BMFSFJ, 2022; Destatis, 2023; Merkley, 2016) bisher wenig über die Entwicklung von Ausstiegs- und Bleibeplänen von Pflegeauszubildenden bekannt (González & Peters, 2021). Die vorliegende Studie adressiert diese Forschungslücke, indem sie die Entwicklung beruflicher Aspirationen von Pflegeauszubildenden (d.h. ihre Zone akzeptabler beruflicher Alternativen in der Pflege; Gottfredson, 2005) empirisch untersucht. Der Fokus liegt dabei auf dem ersten Ausbildungsjahr, da sich in dieser Zeit vorzeitige Vertragslösungen häufen (u.a. BIBB, 2023; Holtmann & Solga, 2021; Uhly, 2021) und diese Phase als kritischer Übergang in den Beruf gesehen wird (Welzer, 1993).
Um die Entwicklungsdynamiken pflegeberuflicher Aspirationen aus der Subjektperspektive nachzuzeichnen, wurde eine qualitative Längsschnittstudie in Anlehnung an die Grounded Theory Methodologie (Corbin & Strauss, 2015) durchgeführt. Mittels problemzentrierter Interviews (Witzel & Reiter, 2012) wurden 12 Pflegeauszubildende zu zwei bis vier Zeitpunkten im ersten Ausbildungsjahr befragt (insgesamt k = 35 Interviews). In einem theoretischen Samplingverfahren wurden sieben stark kontrastierende Fälle (k = 21 Interviews) für die weitere Analyse mittels Kodierverfahren der Grounded Theory (Corbin & Strauss, 2015; Tiefel, 2005) ausgewählt. Ein erstes Ergebnis dieser Analyse war die Konzeption eines Modells, mit dem die Entwicklung beruflicher Aspirationen unter Berücksichtigung sozial-interaktiver Einflüsse am Arbeitsplatz, laufbahnrelevanter Bedürfnisse und Lernaktivitäten erklärt werden kann. Dieses Modell wurde anschließend zur Identifikation von Entwicklungsmustern beruflicher Aspirationen während des ersten Ausbildungsjahres verwendet. Für diese Prozessanalyse wurde in Anlehnung an die Empfehlungen von Dreier et al. (2018) und die Methodologie der Grounded Theory (Corbin & Strauss, 2015) ein qualitatives, längsschnittliches Analyseverfahren entwickelt. Dadurch konnten einerseits das Ausgangsmodell hinsichtlich der Prozessphänomene optimiert und andererseits typische Prozessvarianten identifiziert werden.
Die Prozessanalysen zeigen verschiedene Einflüsse der Interaktionen mit Ausbildungsbeteiligten (z.B. Kolleg*innen, Ausbilder*innen) auf die beruflichen Aspirationen der Auszubildenden und damit verbundenen Ausstiegs- und/oder Bleibeintentionen. Hier wirken sich insbesondere das Erleben der Beziehung zu diesen sowie die erlebte soziale und berufliche Integration im Praxisfeld aus. Die sich daraus ergebenden Dynamiken lassen sich in vier Prozessvarianten typisieren: (a) Das Ankommen und Bleiben-Wollen, bei dem das soziale Umfeld positiv erlebt wird und die Bleibeabsicht durch das Gefühl, ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft zu sein bzw. zu werden, intendiert wird; (b) der Verbleib als Übergangspassage, wobei von Ausbildungsbeginn an der Verbleib als temporärer Übergang gesehen und auf negative soziale Erfahrungen mit einer Durchhaltestrategie reagiert wird; (c) das Suchen, um zu bleiben, wobei trotz negativer Interaktionserfahrungen im Praxisfeld nach Möglichkeiten gesucht wird, den Pflegeberuf nicht verlassen zu müssen; (d) der Ausstieg als Kurzschluss, bei dem einzelne negative Interaktionserfahrungen einen Ausstiegsplan auslösen.
Die Ergebnisse deuten auf eine sehr dynamische Entwicklung beruflicher Aspirationen im ersten Ausbildungsjahr hin, die stark vom subjektiven Erleben des pflegerischen Arbeitsfelds und der sozialen Interaktionen darin abhängt und damit wenig vorhersehbar ist. Die Entwicklung beruflicher Aspirationen stellt sich somit als ein teilweise zufälliges Geschehen dar, wie auch Krumboltz (2009) verdeutlicht. Darüber hinaus liefert die Studie Hinweise darauf, dass einem Abbruch nicht zwangsläufig eine Akkumulation negativer Erfahrungen vorausgehen muss, wie bisher in vielen Forschungsarbeiten zum Abbruchgeschehen angenommen wurde (u.a. Deuer, 2016, 2003; Heublein & Wolter, 2011; Krötz & Deutscher, 2022).
English: Forecasts predict a shortage of about 13 million nurses worldwide in the upcoming years (ICN, 2022). As a result, retaining young nurses within the profession has become critically important. Unfortunately, despite increasing dropout rates in nursing education (e.g., BMFSFJ, 2022; Destatis, 2023; Merkley, 2016), little is known about the factors that contribute to either retention or dropout intentions in nursing training (Garcia González & Peters, 2021). To address this research gap, this thesis explores how nurses’ vocational aspirations (i.e., their range of acceptable career alternatives in the nursing field, e.g., Gottfredson, 2005) evolve during the early stages of their training. The present study focuses on the first year of training, as dropouts are more frequent during this period (e.g., BIBB, 2023; Holtmann & Solga, 2021; Uhly, 2021). This phase is regarded as a critical transition into the profession (Welzer, 1993).
To understand the dynamics of how nursing students´ vocational aspirations evolve during their first year of vocational training, a qualitative longitudinal research study based on grounded theory was conducted. A total of 12 students were interviewed at two to four measurement points during their first year of their training (k = 35) using a problem-centered interview approach (Witzel & Reiter, 2012). Through theoretical sampling (Corbin & Strauss, 2015), seven highly contrasting cases were selected for in-depth analysis. In a second step, the 21 interviews from these cases were analyzed to develop a model that includes workplace factors, career-related needs, and learning activities to explain changes in vocational aspirations. In a third step, this model was used to identify distinct patterns of how vocational aspirations shift over time. To analyze this process, a qualitative longitudinal analysis method was developed, drawing on the recommendations of Dreier et al. (2018) and grounded theory methodology (Corbin & Strauss, 2015).
The analyses indicate that most students experienced fluctuating thoughts about persistence and withdrawal during the first months of their nursing training. Social interactions, particularly at the workplace with colleagues and trainers, appear to strongly influence whether students consider dropping out or continuing in the profession. Key factors in the (re-)construction of vocational aspirations include how students perceive their relationships with experienced nurses and the degree to which they are integrated into the existing community of practice. In this context, the contrast between hostile or aggressive behavior exhibited and kindness, both by more experienced nurses, is particularly significant. The development of vocational aspirations among the interviewed students can be categorized into four distinct process patterns: (a) “Arriving and wanting to stay” referring to a scenario where the social environment is experienced positively, and the intention to stay is shaped by the feeling of being or becoming a full member of the community; (b) “Staying as a transitional passage” occurs when from the outset of the training, remaining in the profession is seen as a temporary transition, with negative social experiences managed through a strategy of perseverance; (c) “Seeking to stay” involves looking for ways to remain in the nursing profession despite negative interaction experiences in the practical field; and (d) “Exit as a knee-jerk reaction”, which describes how single negative interaction experiences can trigger an immediate plan to leave the profession.
The longitudinal perspective employed in this study reveals that students’ retention and dropout intentions evolve in highly dynamic ways during their first year of nursing training. Moreover, distinct patterns suggest that this development is highly heterogeneous, influenced by the specific experiences students encounter in their workplaces. Accordingly, the development of vocational aspirations is partly a phenomenon affected by chance, as Krumboltz (2009) also asserts. In particular, social interactions with various work-related stakeholders appear to significantly shape how vocational aspirations shift during time. This provides evidence that dropout intentions are not necessarily based on an accumulation of negative experience as suggested in the literature (e.g., Deuer, 2016; Heublein & Wolter, 2011; Krötz & Deutscher, 2022).