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Exkursion nach Straßburg zum EGMR vom 28.2. bis 1.3.2023
Nur vier Stunden ICE-Fahrt von Kassel entfernt, liegt Straßburg, das Ziel unserer Studienreise zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), im Zentrum Europas und heute ein Symbol für Frieden und internationale Verständigung.
Teilgenommen haben Studierende der Masterstudiengänge Wirtschaftsrecht und Sozialrecht und Sozialwirtschaft im Rahmen der Veranstaltungen Europäisches und internationales Arbeitsrecht und Theorie Recht bei Prof. Brockmann.
Nach unserer Ankunft und kleinen Entdeckungstouren in der Altstadt besuchten wir am Nachmittag des 28.02. den Europarat. Der Plenarsaal des Europarats wird zur Zeit renoviert und war nicht zugänglich. Stattdessen gibt es ein Modell, anhand dessen die Abläufe der Sitzungen erklärt wurden. Mit einer lebhaften Führung wurde uns ein Eindruck der Arbeit des Europarats vermittelt und uns geduldig dessen Geschichte und Bedeutung erläutert. Besonders hervorgehoben hat unsere Begleiterin die Ziele und Aufgaben des Europarats zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir lernten unter anderem, welche weiteren Konventionen und Übereinkommen neben der Europäischen Menschenrechtskonvention beim Europarat diskutiert werden.
Am Morgen des 01.03. nahmen wir an der Verhandlung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dem Verfahren Humpert und andere gegen Deutschland
(Az.: 59433/18, 59477/18, 59481/18 and 59494/18) teil. Die Kläger*innen, vier inzwischen pensionierte Lehrer*innen, klagen gegen das Streikverbot für Beamt*innen in Deutschland.
Sie berufen sich auf Art. 11 EMRK (Streikrecht), Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) und Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). Vertreten wurden sie von Rudolf Buschmann, der auch Lehrbeauftragter an unserem Fachbereich ist. Mit Spannung verfolgten wir die Plädoyers und die Rückfragen der 17 Richter*innen aus 17 verschiedenen Mitgliedsstaaten des Europarats.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde vertreten von Prof. Dr. Christian Walter. Er verteidigte die Grundsätze des Berufsbeamtentums. Außerdem stellte er die These auf, dass bestehende Anhörungsverfahren vor der Festlegung der Beamtenbesoldung durch die Parlamente als Kollektivverhandlungen über die Arbeitsbedingungen von Beamt*innen zu qualifzieren seien. Außerdem könnten Lehrer*innen, die streiken wollten, sich für die Beschäftigung in einem Angestelltenverhältnis entscheiden und hätten somit eine Option, rechtmäßig zu streiken.
Rudolf Buschmann als Kläger*innenvertreter hielt ein deutliches Plädoyer, in dem er einerseits die Menschenrechtsbedeutung des Streikrechts darlegte und andererseits zeigte, dass das generelle Streikverbot für alle Beamt*innen, auch diejenigen, die nicht ausdrücklich in Art. 11 Abs. 2 EMRK als Ausnahmen genannt sind, nicht angemessen ist. Das Streikverbot beziehe sich nämlich nicht auf ihre Funktion, sondern auf ihren Status als Beamt*innen. Lehrer*innen nähmen aber keine Verwaltungsaufgaben im engeren Sinne wahr. Außerdem legte er dar, dass die Wahlfreiheit im Hinblick auf die Beschäftigungsform nicht besteht, da die betroffenen Lehrer*innen zunächst ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erreichen müssten und sich anschließend anstellen lassen müssten. Darauf bestehe aber kein Anspruch. Außerdem führt der Wechsel in das Angestelltenverhältnis zum Verlust des bis dahin bestehenden sozialen Schutzes. Wie das Verfahren nach dieser mündlichen Verhandlung entschieden wird, werden wir mit Spannung verfolgen.
Am Nachmittag erläuterte uns ein Staatsanwalt, der von der Bundesrepublik Deutschland an den EGMR abgeordnet ist, wie die Verfahren am EGMR geführt werden, wie viele Klagen den EGMR erreichen und welche Zulassungsvoraussetzungen diese erfüllen müssen. Er gab uns einen Einblick in seine Tätigkeit beim EGMR und erläuterte uns einschlägige Fälle der letzten Jahre sowie den vorläufigen Rechtsschutz durch den EGMR bei Gefahr für Leib und Leben. Letzterer dient beispielsweise dem Stop von Abschiebungen, wenn Betroffene noch keinen Zugang zu einer Anhörung im Asylverfahren hatten und ihnen in dem Staat, in den sie abgeschoben werden sollen, Gefahr für Leib und Leben droht.
Im Anschluss ging es schnell zurück nach Kassel. Mitgenommen haben wir neben einigen kulinarischen Eindrücken und ein paar Französischvokablen mit Sicherheit ein besseres Verständnis für das Völkerrecht, den Europarat und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.