Erkennung von Wirtschaftskriminalität und Versicherungsbetrug (EWV)

Versicherungsbetrug verursacht in Deutschland allein in der Schaden- und Unfallversicherung jährlich einen Schaden  von rund vier Mrd. Euro. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher und die Tendenz ist weiter steigend. Neue technische Möglichkeiten wie beispielsweise im Bereich Bildbearbeitung erleichtern er zunehmend, Belege und andere vermeintliche Beweise für versicherungsrechtlich relevante Schadensfälle in einem bisher nie dagewesenen Umfang zu fälschen oder zu manipulieren. Mit Versicherungsbetrug sind oft auch andere wirtschaftlich orientierte Straftaten, wie die der Geldwäsche, verbunden, die sogar ein Haupt- oder Zwischenziel von Versicherungsbetrug darstellen können.

Durch die Zunahme der systematischen Betrugsfälle kommt es einerseits zu erheblichen Mehrkosten bei den Versicherern und andererseits zu steigenden Beiträgen der Kunden, die als Solidargemeinschaft letztlich die Kosten tragen.

Ziel des Projektes ist die systematische Aufdeckung von Methoden des breit angelegten Versicherungsbetrugs. Aus rechtlicher Sicht muss dabei erstens ein möglichst grundrechtsschonender Einsatz der Betrugserkennungsverfahren sichergestellt werden, sodass nicht nach der Entwicklung der Verfahren ihr Einsatz an grundrechtlichen Hürden scheitert. Zweitens muss den mit den IT-Forensik-Verfahren erzeugten Beweismitteln eine hohe gerichtliche Beweiskraft zukommen, damit ihre Entwicklung und ihr Einsatz gegenüber bisherigen Verfahren einen höheren Nutzen erbringen. Denn häufig scheitern Gerichtsverfahren, sowohl zivil- als auch strafrechtlich, daran, dass es an (rechtskonformen) Beweisen mangelt. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die rechtlichen Anforderungen die betroffenen Rechtsgebiete (Grundrechte, Compliance, Beweisrecht) schon während des Forschungsprojekts, also noch in der Entwicklungsphase, als Gestaltungsvorschläge in die Gestaltung der IT-Forensik-Verfahren einfließen.

Die „Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ (provet) im Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung der Universität Kassel (ITeG) ist in diesem Rahmen verantwortlicher Partner für die Rechtsforschung bei EWV und legt damit den wesentlichen Grundstein für die Praxistauglichkeit und Rechtsverträglichkeit des anvisierten IT-Forensik-Systems. Das Ziel der rechtsverträglichen Gestaltung soll erreicht werden, indem in einem ersten Schritt die grundlegende juristische Einordnung von EWV sowie die Konkretisierung abstrakter rechtlicher Vorgaben erfolgt. Durch die Anwendung der Methode KORA (Konkretisierung rechtlicher Anforderungen) werden in einem mehrstufigen Prozess aus den abstrakten rechtlichen Vorgaben konkrete technische Gestaltungsvorschläge für das Einsatzszenario des IT-Forensik-Systems abgeleitet. Diese Aufgabe wird in enger Zusammenarbeit und ständigem Austausch mit den anderen Projektpartnern bewältigt. Flankierend werden daraus Vorschläge für die Fortentwicklung des Rechtsrahmens für den Einsatz von IT-Forensischer Software erarbeitet, die Grundlage für an das Projekt anknüpfende rechtspolitische Gestaltungsmöglichkeiten sind.

Das Projekt EWV wird (BMBF) im Themenfeld „Zivile Sicherheit – Schutz vor Wirtschaftskriminalität“ im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit von 2015 bis 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Projektpartner

Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie: 
Herr Dr. Martin Steinebach

Universität Passau, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Informationstechnologierecht und Rechtsinformatik:
Herr Prof. Dr. Gerrit Hornung

Fachhochschule Dortmund
Fakultät Wirtschaft, insb. Finanz- und Versicherungsmärkte:
Herr Prof. Dr. Oliver Riedel

Institut Psychologie & Bedrohungsmanagement: 
Herr Dr. Jens Hoffmann

mh SERVICE GmbH:
Herr Bernd Hiltel

Finanzamt Gotha
- Steuerfahndung / IT-Fahnder – 

Herr Dennis Schreiber

Mannheimer Versicherung AG:
Herr Andreas Nicholson

 

 

Projektinfos

Förderung:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Laufzeit:
Januar 2015 - März 2018

Projektverantwortlicher:
Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Dr. Philipp Richter

Ansprechpartner:
Kevin Marschall, LL.M.

Projektverlauf

  • Veranstaltung Auftaktveranstaltung vom BMBF – Zivile Sicherheit – Schutz vor Wirtschaftskriminalität (Düsseldorf). (02/2015)
  • Veranstaltung Kick-Off Workshop Projekt EWV (Darmstadt, Fraunhofer SIT). (02/2015)
  • Veröffentlichung Marschall, Datenpannen – „neue“ Meldepflicht nach der europäischen DS-GVO?, Datenschutz und Datensicherheit (DuD), S. 183 – 189. (03/2015)
  • Vortrag Marschall, Wann drohen schwerwiegende Beeinträchtigungen im Rahmen von § 42a BDSG? GDD-Sommerworkshop für Datenschutzbeauftragte und Dienstleister (Timmendorfer Strand). (08/2015)
  • Vortrag Marschall, Was die Versicherung nicht weiß, macht sie nicht heiß? – Rechtliche Chancen und Risiken neuer Betrugsaufdeckungsmaßnahmen – Vortragsreihe „Daten-Dienstag“: Privatheit im Netz? (Nürnberg). (03/2016)
  • Veranstaltung Meilenstein-Treffen Projekt EWV – Präsentation wichtiger Forschungsergebnisse (Darmstadt, Fraunhofer SIT). (06/2016)
  • Vortrag Marschall, Strafrechtliche Haftungsrisiken des betrieblichen Datenschutzbeauftragten – 18. Jahresfachkonferenz DuD 2016 (Berlin). (06/2016)
  • Vortrag/Forumsleitung Marschall, Vom BDSG zur Datenschutz-Grundverordnung: Der Umgang mit Datenpannen und Handlungsempfehlungen – 40. Datenschutzfachtagung (DAFTA) (Köln). (11/2016)
  • Veröffentlichung Marschall, Datenschutz-Folgenabschätzung und Dokumentation, in: Roßnagel, A. (Hrsg.), Europäische Datenschutz-Grundverordnung – Vorrang des Unionsrechts – Anwendbarkeit nationalen Rechts, Baden-Baden 2017, S. 156 – 165. (01/2017)
  • Veröffentlichung (Konsortium) Marschall et al., Chancen und Risiken des Einsatzes digitaler Bildforensik – Aufdeckung und Beweisbarkeit von Versicherungsbetrug aus rechtlicher, technischer und psychologischer Sicht, Multimedia und Recht (MMR), S. 152 – 157. (03/2017)
  • Vortrag/Keynote  Marschall, DS-GVO oder nationales Recht – Was findet eigentlich Anwendung? GDD – Datenschutz und Werbung nach der Grundverordnung (Köln). (04/2017)
  • Vortrag Marschall, Rechtliche Herausforderungen IT-forensischer Verfahren zur Aufdeckung von Versicherungsbetrug, 5. Fachkonferenz „Versicherungsbetrug“: Effektives Betrugsmanagement in der Assekuranz der Versicherungsforen (Leipzig). (09/2017)
  • Veröffentlichung Marschall, Datenschutz-Folgenabschätzung und Dokumentation, in: Roßnagel, A. (Hrsg.), Das neue Datenschutzrecht – Europäische Datenschutz-Grundverordnung und deutsche Datenschutzgesetze, Baden-Baden 2018, S. 192 – 202. (01/2018)
  • Veranstaltung Abschlussworkshop Projekt EWV und Vorstellung des Demonstrators (Darmstadt, Fraunhofer SIT). (03/2018)