2018 Käsefehlerdatenbank
Entwicklung einer Käsefehlerdatenbank zur Verbesserung der handwerklichen Milchverarbeitung in Hofkäsereien
Ziel des Projektes war die Entwicklung und Erprobung einer anwenderfreundlichen Käsefehlerdatenbank als Analysetool.
Förderung: Land Hessen und Europäische Union
Vorhaben im Rahmen des Europäischen Innovationspartnerschaftsprogramms „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit - EIP Agri”
Leadpartner und Institution: Prof. Dr. Oliver Hensel, Universität Kassel, Fachgebiet Agrartechnik
Projektkoordination: Dr. Edith Kalka
Projektpartner der Operationellen Gruppe OG "Hessischer Hofkäse":
Verband für Handwerkliche Milchverarbeitung im Ökologischen Landbau e.V. (VHM)
Hof Fleckenbühl
Kellerwaldhof
Hofkäsereiberater
Projektwebseite: kaesefehlerdatenbank.de
OG Hessischer Hofkäse
Entwicklung einer Käsefehlerdatenbank zur Verbesserung der handwerklichen Milchverarbeitung in Hofkäsereien
Ausgangssituation und Bedarf
Da es den Ausbildungsberuf der Käserin/des Käsers nicht mehr gibt und damit das handwerkliche Wissen und Können nur noch sehr eingeschränkt verfügbar ist, gibt es einen sehr hohen Informations- und Beratungsbedarf von handwerklichen Käsereien. Das Käsehandwerk ist hoch komplex und eine innovative und unterschätzte Branche des Lebensmittelhandwerks, die historisch bedingt von ökologischen Betrieben dominiert ist.
Milchviehbetriebe können durch die Wertschöpfung ihrer hofeigenen Milchverarbeitung und -vermarktung ihre Existenz absichern und sind dadurch unabhängig von starken Milchpreisschwankungen. Darüber hinaus wollen Betriebe, die die Verarbeitung in einer Hofkäserei wieder selbst „in die Hand“ nehmen und damit keine reinen Rohstofflieferanten mehr sind, authentische Lebensmittel mit einer hohen Genussqualität herstellen.
In der Praxis stellen unvorhersehbare Käsefehler, also sensorisch unerwünschte Abweichungen vom Qualitätsstandard, Käsereien immer wieder vor große Herausforderungen. Wirtschaftliche Verluste einer Käserei durch Fehlproduktionen, insbesondere bei Neueinsteigerinnen und -einsteigern, können die Folge sein. Eine schnelle und zu verlässige Ursachenforschung sowie praxisnahe Fehlervermeidungsstrategien sind deshalb erforderlich.
Ursachen für Käsefehler sind häufig sehr komplex und können in der Milcherzeugung und -verarbeitung sowie der Käsereifung liegen. Da der Rohstoff Milch nicht standardisiert wird, muss der gesamte Herstellungsprozess z. B. bei Schwankungen der Milchinhaltsstoffe handwerklich gesteuert werden. Die Forschungsansätze der Milchindustrie setzen auf die Standardisierung der Rohstoffe und des gesamten Herstellungsprozesses und sind für das Käsehandwerk oft nicht anwendbar. Das Käsehandwerk benötigt Informationen zur Steuerung des Herstellungsprozesses mit sich verändernden Rohstoffen (z. B. Fettgehalt je nach Fütterung und Jahreszeit, Veränderungen in der Milchzusammensetzung bei saisonal ablammenden Ziegen und Schafen, Verarbeitung von nicht pasteurisierter Milch).
Aufgrund dieser Komplexität gibt es einen großen Forschungsbedarf insbesondere zu Ursachen und Abhilfemaßnahmen für Käsefehler.
Konkrete Aufgabenstellung und Projektziele
Die konkrete Aufgabe des Projektes war:
∙ die Beschreibung komplexer, unbeabsichtigter Käsefehler in Käseproben aus der Praxis,
∙ die systematische Ursachenforschung von Käsefehlern,
∙ die Entwicklung von Abhilfemaßnahmen zur Vermeidung von Käsefehlern und
∙ die innovative Dokumentation von Käsefehlern mit Fotos als benutzerfreundliche Datenbank.
Ziel des Projektes war die Entwicklung und Erprobung einer anwenderfreundlichen Käsefehlerdatenbank als „Analysetool“.
Umsetzung und Ergebnisse
Handwerkliche Käsereien wurden regelmäßig von Mai 2018 bis November 2019 aufgerufen, Käseproben mit Abweichungen von ihrem Qualitätsstandard einzusenden. Die OG Hessischer Hofkäse führte gemeinsam mit externen Expertinnen und Experten insgesamt 5 Käsefehleranalysen durch. Diese Analysen, mit dem Fokus auf Käsefehler, Ursachen und Abhilfemaßnahmen, umfassten:
∙ sensorische Prüfungen der Käseproben,
∙ Überprüfung der Herstellungsprotokolle,
∙ Betriebsbesuche bzw. Telefonate mit Käsereien sowie mikrobiologische und chemische Laboruntersuchungen bei ausgewählten Proben.
Insgesamt wurden über 90 Käsefehler beschrieben.
Es wurden 81 Käseproben mit Käsefehlern aus Kuh-, Ziegen-, Schaf- und Büffelmilch in die Käsefehlerdatenbank als „Schadbilder“ eingestellt. Komplexe Schadbilder mit mehreren Käsefehlern wurden übersichtlich mit je 3 Fotos dokumentiert. Ursachen und Abhilfemaßnahmen werden für jeden Käsefehler in der Reihenfolge des Herstellungsverlaufs erklärt. Zusätzlich ist die Datenbank mit einem Mikrobiologischen Glossar zu käsereirelevanten Mikroorganismen verknüpft.
Die Nutzung der Datenbank als Analyse- und Bildungstool unterstützt Käsereien beim Überprüfen und Eingrenzen von potentiellen Fehlerursachen. Hofkäserinnen und Hofkäser können jederzeit auf die Datenbank zurückgreifen, die ihnen bei der Ursachenforschung weiterhilft und praktische Lösungen für die Vermeidung bereitstellt.
Die Datenbank ist frei zugänglich nach einer Registrierung unter:
Ein Kurzfilm auf der gleichen Webseite erklärt anschaulich wie die Datenbank genutzt werden kann. Er ist auch unter folgendem Link online verfügbar und wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) erstellt:
Wir bedanken uns sehr bei allen Käsereien, die dieses Projekt unterstützt haben!
Empfehlungen für die Praxis
1. Wir empfehlen die Käsefehlerdatenbank, um praxisnah zu erfahren, wie Käsefehler entstehen und wie sie vermieden werden können.
2. Wir empfehlen mehr über Milchkulturen und käsereirelevante Mikroorganismen im Mikrobiologischen Glossar zu erfahren, die für die Milchverarbeitung, die Reifung sowie für die Käsequalität entscheidend sind.
kaesefehlerdatenbank.de/glossar
3. Wir empfehlen die Orientierungswerte und Empfehlungen für die Herstellung von Frisch-, Weich-, Schnitt und Hartkäse als Anregung zu verwenden. Eigene betriebsspezifische Richtwerte für Qualitätsstandards können damit weiterentwickelt bzw. mit dem eigenen Käserezept verglichen werden.
kaesefehlerdatenbank.de/dokumente/orientierungswerte.pdf
4. Die Verkäsungseigenschaften der Milch verschlechtern sich durch zu lange Lagerung und sehr niedrigen Kühltemperaturen. Wir empfehlen deshalb die Milch möglichst kurz zu lagern bzw. nahe an den gesetzlichen Temperaturvorgaben.
Ausnahmen nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zur Lagerung der Milch über 8°C sind aus technischen Gründen für die Herstellung bestimmter Milchprodukte möglich, wenn sie die gesetzlichen Kriterien für Keimzahlen und somatische Zellen erfüllen und von der zuständigen Behörde genehmigt wurden.
Anforderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004
Milchlagerung bis 24 h: knapp unter 8°C (< 8 °C)
Milchlagerung über 24 h: knapp unter 6°C (< 6 °C)
5. Hinweis zur Flexibilität in der handwerklichen Milchverarbeitung
Erwünschte Mikroorganismen aus der Milch (z. B. Milchsäurebakterien) und der Hausflora in Reiferäumen sind neben den Milchkulturen für die Käsequalität von besonderer Bedeutung. Sie können abhängig von der Spezies u. a. zur Säuerung und Aromaentwicklung im Käse beitragen bzw. auch unerwünschte Mikroorganismen unterdrücken. Die Förderung von erwünschten Mikroorganismen und einer erwünschten Hausflora können durch mehr Flexibilität hinsichtlich Gebäude, Equipment, betriebliche Abläufe und Reinigungspläne berücksichtigt werden.
„(19) Flexibilität ist angezeigt, damit traditionelle Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln weiterhin angewandt werden können, … Die Flexibilität sollte jedoch die Ziele der Lebensmittelhygiene nicht in Frage stellen. … “ Verordnung (EG) Nr. 853/2004.
Erfolgsfaktoren und Tipps für neue Gruppen
∙ Projektergebnis als gemeinsames Ziel der OG, um Praxis zu unterstützen
∙ Interdisziplinarität mit vielen Kompetenzen: Praxis, Beratung, Wissenschaft bringen spezifische und gleichwertige Expertise ins Team
∙ Praktikerinnen und Praktiker sind Expertinnen und Experten für Erfahrungswissen und auf Augenhöhe mit allen OG-Mitgliedern und nicht als „Beforschte“ zu betrachten
∙ Die Zielgruppe des Projektes sollte von Anfang an in den Bewertungsprozess von Veröffentlichungen der Projektergebnisse einbezogen werden. Nur so ist eine praxistaugliche Informationsaufbereitung möglich
∙ Gute Kommunikation und Kooperation mit allen Beteiligten
∙ Reflexion der Ergebnisse, die positiven Einfluss auf Projektverlauf und weitere Ergebnisse erzielen können
∙ Themen für Abschlussarbeiten zu projektrelevanten Themen an Studierende anbieten (Nachwuchsförderung)