Christoph Denzel
Christoph Denzel - Diplom I und MSc Ökologische Landwirtschaft, Abschluss 2008.
Aktuell: Berater für ökologischen Obstbau, Ravensburg
Ökologische Obstbauberatung
Ich arbeite als Berater für ökologischen Obstbau beim Beratungsdienst Ökologischer Obstbau eV (BÖO), und das mache ich tatsächlich seit Ende meines Studiums 2008. Genauer gesagt habe ich nach Studiumsende einige Monate Elternzeit eingeschoben, während meine Frau Katrin bereits bei besagtem Beratungsdienst arbeitete. Durch eine Elternzeitvertretung beim BÖO (nämlich jener meiner Frau) und die Kündigung eines Kollegen rutschte ich quasi versehentlich in den Obstbau, eine in Witzenhausen wenig beachtete Disziplin, ist sie doch im Gartenbau angesiedelt.
Der BÖO ist ein von Öko-Obstbauern ehrenamtlich getragener Verein mit der Zielsetzung, eine unabhängige und den Öko-Obstbauern verpflichtete Beratung anzubieten. Gemeinsam mit einem Kollegen bin ich zuständig für die Beratung der BÖO-Mitglieder am Bodensee, einer der wichtigsten Obstbau-Regionen Deutschlands. Und wer dort schon mal Urlaub gemacht hat weiß: dort gibt es (fast) nur Äpfel.
Fachberatung und Fachzeitschriften
Wir sind aufgefordert, eine breit aufgestellte, produktionsorientierte Beratung anzubieten und weiterzuentwickeln, die einen klaren Schwerpunkt in der Pflanzengesundheit, man könnte auch sagen: „Pflanzenschutz“, setzt. Flankiert wird dieser Schwerpunkt, denn anders ist Pflanzenschutz-Beratung im Öko-Obstbau nicht denkbar, von vielen weiteren Fragen des Anbaus, wie etwa zu Düngung, Sortenwahl, Erziehung, Biodiversität, Bodenbearbeitung und vielem mehr.
Zur Vermittlung dieser Inhalte bieten wir den Mitgliedern individuelle Beratungstermine im Betrieb an. Sie bekommen ein Beratungsschreiben und können uns jederzeit mit allerlei Fragen am Telefon traktieren. Ergänzend veranstalten wir Gruppentreffen, um den Erfahrungsaustausch der Bauern untereinander als Format der Beratung zu nutzen und einen Rahmen für den allgemeinen kollegialen Austausch für die Mitglieder anzubieten.
Darüber hinaus sind wir Berater mit der alltäglichen Führung des Vereins betraut, ein markantes Symbol des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Vorstand, Mitgliedern und Beratern. Und wir sind (mit-)verantwortlich für die inhaltliche Redaktion der Fachzeitschrift „Öko-Obstbau“. In dieser Funktion, aber auch als ein alles Wissen wollender Berater rufe ich den Studierenden zu: „Lest Fachzeitschriften!“
Nun drängt sich die Frage auf, was denn ein Agrarwissenschaftler im Öko-Obstbau zu melden hat. Und ja, ich musste mich intensiv und lange in ein mir damals völlig unbekanntes Metier einarbeiten. Gleichwohl behaupte ich aber, dass ich, der keinen landwirtschaftlichen Hintergrund vorzuweisen hatte, mich auch in der landwirtschaftlichen Fachberatung, denken wir bspw. einmal an die hochspezialisierten Berater im Kartoffel-Anbau, zunächst hätte intensiv einarbeiten müssen.
Rüstzeug und methodische Qualifizierung
Das hierfür unabdingbare Rüstzeug, nämlich die Fähigkeit, mit einer soliden fachlichen und methodischen Qualifizierung unbekannte Kontexte und neue inhaltliche Herausforderung konstruktiv annehmen zu können, das hat mir Witzenhausen vermittelt. Meine Zeit in Witzenhausen habe ich mit dem Master-Studiengang „Ökologische Landwirtschaft“ abgeschlossen, zuvor hatte ich noch das Diplom 1 für das zugehörige Studium „Ökologische Landwirtschaft“ in Witzenhausen erworben, die ersten drei Semester tatsächlich aber zunächst in Göttingen studiert.
Doch wie wird ein Rüstzeug gelehrt, das sich dem Zugriff von Vorlesung und Credit entzieht? Ich denke dabei an das Lehrformat des Tutoriums zum Thema Kompost bei Christian Schüler oder die Auslandsexkursionen mit Holger Mittelstraß und die vielseitigen Konferenzen. Ich denke an das Praktikum beim FiBL Schweiz, inhaltlich tatsächlich eine Brücke zu meiner beruflichen Tätigkeit, und das Erasmus-Semester in Aberystwyth, Wales. Und ich denke an Seminare wie den Phytopathologischen Feldkurs bei Maria Finckh, die Nährstoffkreisläufe bei Jürgen Heß und den dortigen Vortrag von Sepp Braun, oder das Politikfeld Öko-Landbau in der EU bei Christian Henschke. Das alles war eine total spannende Melange aus fundiertem Grundlagen-Wissen, einem immer respektvollen Interesse an der praktischen Arbeit der Bauern, der Aufforderung über den Tellerrand hinauszuschauen und der Lust am Experimentieren mit unkonventionellen Formaten.