Dr. Heike Kuhnert
Kommunikationsdienstleistungen für Kunden in der Agrar- und Ernährungsbranche
Neugierig bleiben
Ein Text über meinen Lebensweg, was schreibe ich da bloß? Was hat mich auf den bisherigen Stufen meines Lebens besonders bewegt, und was davon möchte ich an dieser Stelle gerne mit anderen Menschen teilen, mitteilen? Ich stelle meine Gedanken unter das Motto „Neugierig bleiben“. „Neugierig bleiben“ umfasst für mich persönlich viele Aspekte, die es braucht, um in einer sich immer schneller drehenden, komplexeren Welt frohen Mutes und offen für Veränderungen und neues Wissen zu bleiben. Dazu gehört für mich auch, mit einem klaren Geist immer wieder neu zu schauen, wem und was ich begegne, und was meine eigene Wahrheit von den Dingen ist. Privat und beruflich. Das ist nicht immer leicht, zuweilen anstrengend und es lohnt sich doch.
Verunsicherung zulassen
Was hat das mit Witzenhausen zu tun? Ich bin 1984 nach Witzenhausen gekommen, weil ich mehr vom ökologischen Landbau hören wollte. Und ich wollte erfahren, wie man Ökologie und Ökonomie zusammenbringen kann. Mit dem Interesse am Ökolandbau war ich schon damals in guter Gesellschaft, mit der Ökonomie hielt sich das eher im Rahmen. Der BWL-Schwerpunkt war entsprechend klein. War da ein Hauch von Ideologie in unseren studentischen Reihen, die Ökologie „gut“ und die Ökonomie „böse“? Ich hatte offenbar Glück, in der Schule einen spannenden Soziologie- und Ökonomie-Unterricht erwischt zu haben, so konnte mich die erste betriebswirtschaftliche Vorlesung eines Witzenhäuser Hochschullehrers nicht wirklich (ab)schrecken. Die (uns) zuweilen provozierenden Artikel, die er mitbrachte, hatten wohl immer einen tieferen Sinn. Weiter gebracht haben mich Menschen und Diskussionen, wenn ich meine Verunsicherung und Perspektivwechsel zulassen konnte.
Von der Villa Hügel die Elbe entlang
Meine Diplomarbeit zu Marketingfragen in der Direktvermarktung bei Professor Bernd Wirthgen war „der Schlüssel“ zur Villa Hügel in der Nordbahnhofstraße, in der einige der Ökonomie-Professoren damals saßen. Ich habe an das Agrarstudium die ökologische Umweltsicherung angehängt und auf der Basis von Forschungsprojekten zur hofeigenen Verarbeitung und Direktvermarktung im ökologischen und konventionellen Landbau promoviert. In dieser Zeit konnte ich einen dicken Grundstein für mein berufliches Netzwerk legen. 1998 bin ich für zweieinhalb Jahre an die Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft nach Dresden gegangen, um als Referentin für Ökomarketing tätig zu sein. Nachdem ich zuvor als Wissenschaftlerin Forschungsgelder beantragt hatte, durfte ich nun die andere Seite kennenlernen: wie man Geld verwaltet und möglichst sinnvoll ausgibt. Die Elbe begleitet mich seitdem, seit 2001 lebe und arbeite ich in Hamburg. Ich bin für eine Forschungsstelle an der Uni Hamburg in den Norden gezogen. Vier Jahre haben wir zur Ausweitung des ökologischen Landbaus in Deutschland geforscht und waren thematisch mittendrin in BSE-Krise und „Agrarwende“. Unsere Erfahrungen haben wir in die Entwicklung des Bundesprogramms Ökologischer Landbau eingebracht, es war eine spannende und für den Ökolandbau fruchtbare Zeit. Gelernt habe ich in dieser Zeit auch, wie schwierig es ist, messbare politische Ziele zu formulieren und dazu die „richtigen“ Maßnahmen zu entwickeln. Je tiefer man inhaltlich in Themen einsteigt, umso mehr erschließt sich deren Komplexität und man erkennt, wie wenig wir tatsächlich (noch) um die Wirkzusammenhänge wissen.
Projektbüro Land und Markt
Seit 2006 bin ich freiberuflich tätig und verknüpfe meine wissenschaftliche und landwirtschaftliche Expertise mit Kommunikationsdienstleistungen für Kunden in der Agrar- und Ernährungsbranche. Wie herausfordernd beispielsweise die Erfassung und Bewertung von Milcherzeugungsbetrieben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte ist, habe ich in den letzten neun Jahren ganz konkret erfahren: Zusammen mit dem Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und dem QM-Milch e.V. haben wir dafür ein Konzept entwickelt. Mehreinheitlich wünschen wir Menschen uns einfache Antworten, an denen wir unser Handeln ausrichten können. Leider ist die Wirklichkeit komplizierter: Bio ist nicht immer besser, kleine Betriebe sind nicht per se nachhaltiger als große Unternehmungen und so fort. Damit sind wir wieder beim „Neugierig bleiben“ und dem Mut, die eigenen Wahrheiten zu hinterfragen. Gelingt uns dies, können wir offen Ziele und Maßnahmen für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft weltweit diskutieren und vorhandene Zielkonflikte ehrlich benennen. Mit meiner Arbeit dazu einen Beitrag zu leisten, ist mir Herzensanliegen und Motivation zugleich.
Kommentar
Saro Gerd Ratter: Vielen Dank liebe Heike für Deinen Beitrag. Besonders gefällt mir Dein Satz: "Je tiefer man inhaltlich in Themen einsteigt, umso mehr erschließt sich deren Komplexität und man erkennt, wie wenig wir tatsächlich (noch) um die Wirkzusammenhänge wissen." Ich denke, diese Tatsache anzuerkennen sollte uns demütiger werden lassen, die Natur "manipulieren" zu wollen.