Inka Sachse
Unterstützung des Ökolandbaus weltweit
Vor dem Studium
ich bin eigentlich Stadt- und Pädagogenkind, und Umwelt- und Tierschutz waren in meiner Familie auch echt kein Thema. Jedoch hat hier mein Umfeld (engagierte Grundschullehrerinnen & späterer Freundeskreis) Einfluss genommen, sodass ich bereits als Kind Hoteliers zu Wassersparspülungen belehrt habe und als Teenager Castor-Transporte im Wendland blockierte. Nach dem Abitur wollte ich „irgendetwas Produktives“ für die Umwelt im EU-Ausland tun. Aufgrund eines lang gehegten Wunsches wurde es Irland, mangels Berufsausbildung wurde es die ökologische Landwirtschaft, und das gleich für ein ganzes Jahr. Dieses „selbstgebastelte“ ökologische Jahr war in vielerlei Hinsicht prägend. Als ich nach einem Jahr und Arbeit auf fünf Betrieben zurückkehrte, wusste ich zwar, dass ich keine Landwirtin werden wollte (dazu fand ich Reisen, andere Sprachen und Kulturen viel zu spannend). Jedoch hatte ich diese unbestimmte Vision, mit dem was ich kann (was auch immer das sei) die internationale Ökolandbau-Bewegung tatkräftig zu unterstützen. Wieder in Deutschland habe ich die Entscheidung für Witzenhausen als Studienstandort recht kurzfristig getroffen: Öko, international, praxisbezogen – klang irgendwie gut.
Inka Sachse - Diplom I Ökologische Landwirtschaft, Abschluss 2004.
Aktuell: Agrar- und Strategieberatung bei Soil&More Impacts, Hamburg
Vom Studium in die internationale Ökolandbauszene
Die Entscheidung war richtig - auch wenn ich Stallbau, Tiergesundheit und Fruchtfolgeplanung zunächst nicht allzu viel für meinen noch weiter zu definierenden Werdegang abgewinnen konnte. Auch die Bodenkunde empfand ich mit ihrer Unterteilung in physische, chemische und biologische Aspekte als sehr trocken. Mich interessierte das Fach „Kommunikation und Beratung“, was von anderen als „Laberfach“ abgetan wurde. Dort stellten auch Bio-Verbände und Berater*innen ihre Arbeit vor. Ein Studienjahr in Perugia inklusive Praktikum bei einem Bio-Anbauverband und Ausbildung als Kontrolleurin nach der damaligen EU-VO hat mir weitere Perspektiven eröffnet. Erst gegen Ende des Studiums kam mit dem IFOAM General Assembly in Witzenhausen wieder Schwung in meine berufliche Vision. Begeistert von der Idee in einem Verband zu arbeiten, welcher die Bewegungen des Ökolandbaus international bündelt, habe ich mich sofort nach der Diplom I Prüfung aus der akademischen Welt verabschiedet („Hier sind die Ergebnisse, macht damit was ihr wollt, ich geh‘ jetzt arbeiten!“), um als Interne im neu bezogenen Head-Office in Bonn anzupacken. Seitdem bin ich auch jährliche Besucherin bzw. meistens Ausstellerin auf der Biofach Messe – das bis heute 16 Jahre in Folge. Über die Messe wurde ich als Handelsvermittlerin, Einkäuferin, Troubleshooterin und Produkt-Scouterin für die internationale Bio-Handelsagentur artebio in Lüneburg angeworben. Hier konnte ich täglich fünf Sprachen sprechen und musste alles Kommerzielle „von der Pieke“ auf lernen. Ich war viel in West- und Südeuropa unterwegs und habe Geschäftspartner kennen gelernt, mit denen ich jetzt auch noch arbeite. Der Handel mit Bio-Produkten hat für mich oft den bitteren Beigeschmack, dass beim Einkauf oft primär auf den Preis geachtet wird (auch weil die Logistik in manchen Ländern sehr teuer ist), sodass andere Mehrwerte zwar vielleicht erwartet, aber nicht entlohnt werden. Aus diesem Grunde habe ich mich nach über vier Jahren für eine Fortbildung und Wechsel ins Projektmanagement entschieden. Eine positive Wirkung dieses Wechsels war, dass ich während der Fortbildung meinen jetzigen Mann kennenlernte.
Als frischgebackene Projektmanagerin kam ich 2010 bei EkoConnect an Bord, ein Verein in Dresden, welcher sich für den Ausbau und die Vernetzung des Ökolandbaus in Mittel- und Osteuropa einsetzte. Also erneut Umzug, Russisch lernen. Reisen ins Baltikum, Rumänien, Moldawien, oft nach Polen, aber auch mal in die Türkei. Innerhalb sehr kurzer Zeit übernahm ich dort sehr viel Verantwortung und konnte meine Netzwerkqualitäten ausbauen. Auch die Organisation und das Halten von Veranstaltungen machte mir großen Spaß, wo ich als Markt– und Qualitätsexpertin auftrat. Jedoch waren mir die EU-Projekte oft zu weit weg von der landwirtschaftlichen Realität und ich hatte die Vision, unbedingt etwas für den Boden tun zu müssen – sozusagen die Mutter unserer Ernährung zu schützen und aufzubauen.
Internationale Auditierung und Beratung
2014 heuerte ich deswegen bei Soil&More in Hamburg an. Seitdem habe ich nicht nur meinen Abenteuerbedarf für die nächsten 20 Jahre abgedeckt, während ich mehrfache Runden über vier Kontinente und mindestens drei Klimazonen gedreht habe, sondern auch über Nachhaltigkeits- und Sozialaudits endlich den Weg in die Bodenfruchtbarkeitsberatung gefunden. In meiner Beratung für Importunternehmen und deren Lieferant*innen verbinde ich Datenanalyse und „Action on the ground“, also Bodenfruchtbarkeit und Kompostierung mit dem gemeinsamen Nenner, sich gegen den rasch voranschreitenden Klimawandel zu wappnen. Mit „True Cost Accounting“, also dem Versuch der Einpreisung der Umwelt- und gesellschaftlichen Auswirkungen und Mehrwerte der Landwirtschaft, stellen wir uns auch mit Banken und strategischen Einkäufer*innen dem Problem von „Billig-Lebensmittelproduktion“.
Und überall auf der Welt, im Feld und in den Unternehmen treffe ich Witzenhäuser Absolvent*innen aller Generationen, die Konzepte, die ich im Studium gehört habe, jetzt mit Leben füllen und ihre Umweltauswirkungen beziffern - und die Breite des Witzenhäuser Netzwerks ist immer wieder überraschend („Wie - du auch?“). Ich wünsche dem Studiengang weitere 25 mit Erkenntnis und Entwicklung gefüllte Jahre und freue mich ein kleiner Teil davon gewesen zu sein.