Marlene Herzog und Marc Grawitschky
Von der Liebe zur Natur bis zur Öko-Betriebsleitung
Wie können wir Menschen auf diesem Planeten leben ohne unsere Lebensgrundlage, die Erde und ihre Vielfalt zu zerstören?
Diese Frage hat uns beide unabhängig voneinander zum Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften nach Witzenhausen geführt. Das war im Jahr 2005. 15 Jahre später führen wir gemeinsam eine erfolgreiche solidarische Landwirtschaft in der Südwestpfalz und sind unserer Idee einer artgerechten, umwelt- und menschenfreundlichen Landwirtschaft ein gutes Stück näher gekommen.
Witzenhausen: Ein Fachbereich für die Zukunft
Das Wissen und die Kompetenz dazu haben wir vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften in Witzenhausen mitgenommen. Der Informationstag am Studienort Witzenhausen hat mich, Marc Grawitschky in der Wahl meines Studiengangs noch bestärkt: Ein übersichtlicher, familiärer Fachbereich, engagierte, begeisterte Studierende und die idyllische nordhessische Landschaft haben mir die Wahl leicht gemacht. Einen konkreten Berufswunsch hatte ich vor dem Studium nicht. Regionalentwicklung und die Förderung der ökologischen Landwirtschaft in meiner Heimat, dem Erzgebirge, waren meine vagen Vorstellungen zu Beginn des Studiums. Als einer der ersten Bachelorjahrgänge hatten wir im Hauptstudium freie Auswahl der Fächer. So entschied ich mich zu einer Mischung aus Bereichen des Pflanzenbaus, der Bodenfruchtbarkeit sowie der Agrarsoziologie und der Agrarpolitik.
Einen Beruf mit Tieren oder Pflanzen zu ergreifen, das wollte ich, Marlene Herzog, schon in den Kinderjahren. Die kritische Auseinandersetzung mit unserem Umgang der Natur und ihren Lebewesen wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Nach der Fachoberschule und einigen Praktika war also schnell klar, dass es das Studium der ökologischen Landwirtschaft in Witzenhausen sein sollte. Mein Schwerpunkt war der ökologische Pflanzen- und Ackerbau. Durch das breit gefächerte Angebot konnte ich auch von den Bereichen Nutztierwissenschaften und der internationalen Agrarpolitik profitieren. Meine Bachelorarbeit im Jahr 2008 trug den Titel: „Der Milchlieferstreik im Mai/Juni 2008 und einhergehende Interessenlagen“.
Wanderjahre und Familiengründung
Nach dem abgeschlossen Bachelorstudium führte uns unser Weg - ab diesem Zeitpunkt gemeinsam - ins Münsterland, wo Marlene ein Volontariat bei der unabhängigen Bauerstimme absolvierte und Marc auf einem Bioland Gemüsebau Betrieb in Münster arbeitete. In Münster kam auch 2009 unsere Tochter zur Welt. Die Geburt unserer zweiten Tochter im Jahr 2012 zog uns dann in die Nähe der Großeltern ins Saarland.
Nach einiger Zeit der Arbeit auf anderen Höfen war für uns bald klar: Wir wollen einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, um die eigenen Ideen, Ideale und Erfahrungen umsetzen zu können. Nach einiger Suche haben wir dann endlich im Jahr 2014 den Wahlbacherhof bei Zweibrücken in der Südwestpfalz gefunden, auf dem wir ein Jahr lang als Angestellte arbeiten durften. Im Jahr 2015 kam dort unsere dritte Tochter zur Welt. Nach diesem Probejahr haben wir schließlich den vielfältigen Gemischtbetrieb durch die Gründung einer Kommanditgesellschaft (KG) übernommen. Durch den Aufbau einer solidarischen Landwirtschaft konnten wir den Hof erhalten und weiterentwickeln. Die Altbauern Manfred und Marianne Nafziger unterstützen uns seitdem mit viel Idealismus, Geduld und Kompromissbereitschaft. Beide leben mit uns auf dem Hof.
Unser Betrieb heute
Die solidarische Landwirtschaft beschäftigt sechs Mitarbeiter*innen und versorgt etwa 300 bis 400 Menschen mit etwa 40 verschiedenen Gemüsekulturen auf insgesamt 2 ha Gemüsefläche (davon 1,5 ha Freilandgemüse und 1.000 qm Folientunnel). Auf etwa 30 ha Acker bauen wir Getreide und Feldfrüchte wie Hirse, Linsen, Leindotter, Buchweizen, Leinsamen, Rotweizen, Dinkel u.a. an. Auf etwa 20 ha Grünland halten wir eine kleine Mutterkuhherde mit 10 Muttertieren und in zwei Ställen (darunter 1 Hühnermobil) insgesamt 400 Legehennen. Aus den Äpfeln von etwa 300 Apfelbäumen lassen wir jährlich Apfelsaft pressen. Zudem gibt es Erdbeerselbsternte. Zum Gelände gehören 15 ha Wald.
Die ökologische Landwirtschaft, wie wir sie in Witzenhausen gelernt haben und heute auf unserem Betrieb umsetzen, ist für uns der richtige Weg Landwirtschaft zu betreiben. Durch die solidarische Landwirtschaft können wir uns und unseren Mitarbeiter*innen ein geregeltes und faires Einkommen garantieren. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, die Werte und Ziele des ökologischen Landbaus nicht aus den Augen zu verlieren. Während viele Biohöfe den Weg der Spezialisierung und des Wachstums gehen müssen, haben wir die Möglichkeit Vielfalt, Tierwohl, faire Arbeitsbedingungen, Naturschutz und Bodenaufbau im Blick zu halten.