Martina Reinsch, Caroline Schumann, Dr. Andreas Butz
Öko-Kompetenz im Südwesten
Martina Reinsch (MR), Caroline Schumann (CS) und Andreas Butz (AB) haben zu unterschiedlichen Zeiten in Witzenhausen studiert. Heute arbeiten sie gemeinsam im Referat Ökologischer Landbau am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ), einer Landesanstalt, die gleichzeitig Teil des Kompetenzzentrums Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (KÖLBW) ist.
Die Studienwahl
MR: Ich habe von April 1985 bis Ende 1987 in Witzenhausen studiert. Mein Einstieg in Witzenhausen erfolgte mit dem BPS II (Berufspraktische Studien) am Fachgebiet „Methoden des alternativen Landbaus“ in der Arbeitsgruppe „Nichtchemischer Pflanzenschutz“. Mein Vordiplom hatte ich bereits an der Universität Göttingen abgeschlossen. Von da aus waren wir - ein paar Studierende - öfters per Fahrrad nach Witzenhausen geradelt, um Hartmut Vogtmann zu hören, der seit 1981 als Professor im Fachbereich Landwirtschaft an der GhK (Gesamthochschule Kassel) den damals weltweit ersten Lehrstuhl für ökologischen Landbau inne hatte. Als Studienschwerpunkt wählte ich Tierproduktion (einen Schwerpunkt Ökolandbau gab es noch nicht).
AB: Nach einer Gemüsebaulehre auf einem Ökobetrieb bei Ludwigsburg habe ich vom Wintersemester 1999 bis 2005 in Witzenhausen studiert und dort den Schwerpunkt Ökologischer Landbau gewählt.
CS: Ich bin 2001 leicht verspätet ins Wintersemester eingestiegen, da sich mein Rückflug von Kanada, wo ich die BPS I gemacht hatte, aufgrund der Anschläge in den USA verzögert hatte. Danach lief alles entspannt an und ich habe den Schwerpunkt Ökologischer Landbau gewählt.
Der berufliche Werdegang
MR: Mein beruflicher Werdegang war für Witzenhäusener Studierende wahrscheinlich typisch: Nach drei Alpsommern als Sennerin in Graubünden/ Schweiz war ich vier Jahre lang in der Entwicklungszusammenarbeit tätig: Mit dem Deutschen Entwicklungsdienst arbeitete ich als Entwicklungshelferin in einem Ressourcenschutzprojekt (Projet Agro Ecologie) in Mali. Nach meinem Auslandsaufenthalt absolvierte ich noch ein Aufbaustudium (Umweltschutz und Raumordnung) an der TU Dresden, um meine Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verbessern. So gelang mir der Einstieg über ein grenzüberschreitendes Projekt am Institut für umweltgerechte Landbewirtschaftung (IfuL) in Müllheim (Südbaden) in die baden-württembergische Landwirtschaftsverwaltung. Heute bin ich am LTZ/KÖLBW stellvertretende Referatsleiterin im Referat Ökologischer Landbau.
AB: Ich war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz. Dort habe ich 2010 promoviert und noch als Post-doc Vorlesung gehalten und geforscht. 2012 bin ich ans LTZ gegangen und habe dort angewandte Forschung im konventionellen Pflanzenbau zu Leguminosen, Ackerbausystemen, Bewässerung und Agrarumweltmaßnahmen gemacht und dort das Sachgebiet Pflanzenbau geleitet. Im Oktober 2020 ging ich zurück zu meinen Wurzeln und leite nun das Referat Ökologischer Landbau am LTZ/KÖLBW.
CS: Neben dem Studium habe ich auf Betrieben, in der Bibliothek und als Käserin auf der Alp gearbeitet. Nach dem Studium war ich in Neuseeland und habe eine Stelle im Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg für den Streuobsterhalt bekommen. Dies wohl auch, weil ich auf der Domäne Frankenhausen über einige Jahre als Hiwi die Streuobstpflanzungen geplant und betreut habe. Am Ministerium wurde mir das Landwirtschaftsverwaltungs-Referendariat schmackhaft gemacht, was ich 2011-2013 absolviert habe. Danach habe ich am damals neuen KÖLBW bei Freiburg eine Fachschule für Ökolandbau aufgebaut und insgesamt 6 Jahre lang Meisterschüler*innen unterrichtet. Ab 2017 bin ich am LTZ/KÖLBW in die Pflanzenbauforschung eingestiegen und seit 2020 vertrete ich darüber hinaus die deutsche Seite eines Instituts für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sachen umweltgerechte Landbewirtschaftung mit der Schweiz und Frankreich.
Erinnerungen an die Studienzeit
MR: Meine Studienzeit in Witzenhausen war sicher für meinen beruflichen Werdegang richtungsweisend: Ich konnte meinem Interesse für den Ökolandbau nachgehen und es ergaben sich in meiner Zeit in Witzenhausen Kontakte zur „Älplerszene“ und zur internationalen Landwirtschaft, über die ich den Einstieg in das Berufsleben fand und einige meiner Träume verwirklichen konnte.
AB: Mit meiner Zeit in Witzenhausen verbinde ich spannende Menschen und spannende Gespräche, eine gedankliche Vielfalt, den „Öko-Kosmos Witzenhausen“.
CS: Kritisch-konstruktive Köpfe, Club, Lagerfeuer, bissfeste Podiumsdiskussionen, Hunde, Kinder, Pferde, strickende und stillende Studies, umfallende Thermoskannen in der Großen Aula, tolles Kino, Tropengewächshaus, tegut, Schachtelhalm, Markt, Konferenzen, WiTa, Gespräche auf der Werrabrücke…
Was war besonders wichtig?
MR: Die Studienzeit im „familiären“ Witzenhausen habe ich als sehr angenehm, als Experimentierfeld und Impulsgeber in vielerlei Hinsicht in Erinnerung. Die Zeit war für meine persönliche und berufliche Entwicklung wichtig und ich freue mich, dass sich in meiner jetzigen Tätigkeit der Kreis geschlossen hat und ich wieder rund um den Ökolandbau tätig bin.
AB: Mitgenommen habe ich das Denken in vernetzten Systemen, das nötige Handwerkszeug für die angewandte Forschung und die Liebe meines Lebens mit den dazugehörigen Kindern sowie bis heute viele gute Kontakte.
CS: Ich habe mitgenommen, mutig zu sein, kritisch zu denken und konstruktiv zu handeln, dabei die Bodenfruchtbarkeit im Blick zu behalten und die Bodenhaftung nicht zu verlieren - und bei allem Engagement die Lebensfreude und den Genuss von guten Lebensmitteln nicht zu vergessen. Und geblieben ist ein tolles Netzwerk, auf das ich gerne zurückgreife.