Olaf Keser-Wagner
Bauernhofpädagogik andersherum
Olaf in Witzenhausen
Bevor ich nach Witzenhausen kam, hatte ich ein paar andere Lernanfänge durchlaufen. Vom Wunsch Arzt für den Menschen zu werden, kam ich zum Arzt an der Erde mit dem Wunsch, Ökolandbau zu studieren. Über den Umweg Bonn führte mich mein Weg nach Witzenhausen. Dort erlebte ich eine Lernkultur und eine Kultur des Mitgestaltens durch die Studierenden, die mich sehr begeisterte. Als Vorsitzender des LöLa e.V. (Verein zur Förderung der Lehre im Ökologischen Landbau) setzte ich mich für die Weiterentwicklung des Standortes ein. Das Land Hessen drohte damals den Standort zu schließen und wir Studierende entwickelten Konzepte, die letztendlich zur Umstellung des gesamten Standortes auf Ökolandbau führten.
Olaf Keser-Wagner - Dipl. Agrarwirtschaft mit Schwerpunkt Ökologischer Landbau, Abschluss 1999.
Aktuell: selstständiger Evokator, Dozent und Autor in gemeinnützigen Organisationen genauso wie in Weltkonzernen
In toller Erinnerung sind für mich nach wie vor noch die Organisation der Auslandsexkursion nach Italien, die Durchführung eines Workshops zu Lernformen, das Umstellungsprojekt mit dem ersten BSE-Rind in Deutschland drei Wochen vor Abgabe und die Entwicklung eines Memory-Spiels zur Gestaltung der Rückschau auf einen der vier Schwerpunktblöcke. Im Rahmen der Berufspraktischen Studien durfte ich die Bildungsarbeit auf dem Gut Adolphshof begleiten und verschiedene andere soziale Formen in der Landwirtschaft hatten meine Aufmerksamkeit in Bann gezogen: Mein Augenmerk lag auch damals schon sehr stark auf der Frage, wie wir miteinander lernen und wie daraus ein gesundes Miteinander entstehen kann.
Wie ging es weiter?
Nach meinem Abschluss im Frühjahr 1999 wechselte ich nach Wiesbaden an das Schloss und Museum Freudenberg. Als Bereichsleiter für den Außenbereich hatte ich die besten Lehrer für Führungskräfte: Im Rahmen des Sofortprogramms hatte ich zehn Stellen für arbeitslose Jugendliche, die durch die Landschaftspflege für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden sollten. Etwa ein Jahr nach meinem Beginn wurde ich in die Geschäftsführung gerufen und gestaltete von dort aus die Geschicke des Gesamtunternehmens mit. Mein Fokus lag nun auf dem Arzt im Sozialen.
2006 nahm ich Abschied von diesem spannenden „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne und des Denkens“ und startete meine Soloselbständigkeit. Wenig später wurde an mich der Wunsch herangetragen, Angebote für Schüler zu entwickeln, die ein wirkliches Interesse an der Landwirtschaft bewirken. So entstand der Verein Erfahrungsfeld-Bauernhof e.V., dessen Vorsitz ich seit Gründung 2009 innehalte. Dieser Verein ist die Verbindung zur Landwirtschaft, die mir geblieben ist. Mehr oder weniger ehrenamtlich haben wir es geschafft, eine andere Bauernhofpädagogik zu entwickeln, über die ich zwei Bücher geschrieben habe und für die ich inzwischen auch einen Online-Kurs anbiete. Zwischenzeitlich durfte ich auch in Witzenhausen als Dozent in der Umweltkommunikation diesen Ansatz immer wieder vorstellen und erlebbar machen.
Die Methoden, die ich bei allen meinen Kunden und Auftraggebern anwende (evokatorische Führung und Beratung) konnte ich bei den vielen Begegnungen mit Menschen in der Landwirtschaft „erden“. Nach wie vor ist das Erfahrungsfeld-Bauernhof ein Versuchsfeld für Lernräume mit einer großen Sensibilität für die Heilung einer gesellschaftlich gestörten Beziehung. Ein Podcast, der 2020 im Herbst gestartet ist, bringt mich 14tägig ins Gespräch mit Menschen, die Bauernhofpädagogik auf die verschiedenste Art und Weise betreiben.
Dankbar bin ich ...
... Witzenhausen für die Bereitschaft, Studierende, die etwas ändern wollen, aufzunehmen, Möglichkeiten zu schaffen, Lernformate auszuprobieren, sich zu üben und dabei die Landwirtschaft auch in den Sozialformen weiterzuentwickeln. Was heutzutage als Design-Thinking, Theory U oder Liberatings Structures methodisches KnowHow für Facilitatoren ist, konnten wir bereits vor über 20 Jahren in Witzenhausen leben und ausprobieren.