Prof. Dr. Florian Wichern
Neue Impulse für Lehre und Forschung an der Hochschule
Prof. Dr. Florian Wichern - Diplom I Ökologische Landwirtschaft und Master International Ecological Agriculture, Abschluss 2004.
Aktuell: Fachgebietsleiter Bodenkunde und Pflanzenernährung, Hochschule Rhein-Waal, Kleve
Als ich 1999 nach einem Jahr kirchlicher Partnerschaftsarbeit zur nachhaltigen Entwicklung in Südafrika nach Deutschland zurückkehrte, war mein Studium der ökologischen Landwirtschaft mit einem Schwerpunkt in internationaler Agrarentwicklung an der Universität Gesamthochschule Kassel bereits organisiert. Zudem schien mir die Wahl konsequent, war es doch die logische Fortführung meines ehrenamtlichen Engagements im Naturschutzbund und in der Entwicklungszusammenarbeit. Die bäuerlichen Wurzeln und die Jahre der Schafhaltung untermauerten die Entscheidung. Weniger sinnvoll sahen das zu dem Zeitpunkt doch einige ältere Landwirte in meiner norddeutschen Heimat, die insbesondere die ökologische Ausrichtung der Landwirtschaft als Spinnerei abtaten (Frau Künast war gerade Bundeslandwirtschaftsministerin geworden). Heute, gute 20 Jahre später ist der Ökolandbau aus der damaligen Nische herausgetreten und muss sich als Vorreiter einer nachhaltigen Landwirtschaft aufgrund der rasanten Entwicklung dieses Themas regelmäßig neu erfinden, obgleich die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft insgesamt ernüchternd ist und die zukünftige GAP der EU keine Hoffnung auf Besserung erwarten lässt.
Was ist eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft?
Es ist wichtiger denn je, dass neue Modelle einer nachhaltigen Landwirtschaft entstehen. Schon während des Studiums gefiel mir der kritische Diskurs der Konzepte der konventionellen aber auch der ökologischen Landwirtschaft in Witzenhausen ebenso wie die Rolle von Großkonzernen und NGOs. In guter Erinnerung habe ich die emotionale Diskussion um den Einsatz von Kleinstmengen Mineraldünger in afrikanischen Subsistenzlandwirtschaftssystemen zur initialen Biomasseförderung um eine Nährstoffkreislaufwirtschaft erst zu ermöglichen. Inspirierend waren auch die damaligen Gedanken zu der Idee, dass Landwirt*innen auch Energiewirt*innen werden können. Zudem wurden die Themen Agroforstwirtschaft und Permakultur, die mir aus meiner Zeit in Afrika und teilweise davor bekannt waren, im Kontext der internationalen Agrarentwicklung diskutiert. Schon damals gab es viele wissenschaftliche Untersuchungen und praktische Erfahrungen zu dem Thema Agroforst in den Tropen und Subtropen, was uns Lehrende wie z.B. Prof. Bürkert näher brachten. Umso erfreulicher, dass diese Themen momentan auch in Deutschland intensiver diskutiert werden und sich Netzwerke im Bereich Agroforstwirtschaft entwickeln. Es bleibt kritisch anzumerken, dass ich damals in Witzenhausen gerne fundiertere Kenntnisse in Nachhaltigkeitsmethoden und vertiefendes Wissen in ökologischen Konzepten erworben hätte, da diese Aspekte die kritisch-wissenschaftliche Analyse und eine Weiterentwicklung des Ökolandbaus ermöglichen. In Witzenhausen habe ich aber den Idealismus vieler Studierender geschätzt, ermöglicht er doch die Freisetzung von Energie und die Umsetzung neuer Ideen. Bei mir äußerte es sich u.a. durch die Mitwirkung im Fachschaftsrat und mit WOW (Witzenhausen-Ortsnah-Weltweit) bei den Studieninformationstagen, wo wir stets mit großer Freude versucht haben, unsere Begeisterung für das gewählte Studium den Studieninteressierten zu vermitteln.
Promotion in Bodenbiologie
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Diplom I, überprüfte ich das Erlernte in der Praxis auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben in Australien und erfreute mich an der großen, weiten Welt. Es dauerte allerdings nur ein Jahr und ich war wieder in Witzenhausen und folgte dem Angebot von Prof. Jörgensen und Dr. Müller an einem Promotionsprojekt mitzuwirken. Bereits Prof. Wildhagen und Prof. Richter weckten mein Interesse für die Bodenkunde und Pflanzenernährung und Prof. Jörgensen begeisterte mich früh für die Bodenbiologie. Neben Gewächshaus- und Feldversuchen im Projekt absolvierte ich das Masterstudium und fand zunehmend Interesse am Unterrichten von Studierenden, was sich auch in der Mitwirkung bei der Etablierung der Projektwochen Ökologie für den Studienbeginn im Bachelor äußerte. Aufgrund der mageren Berufsperspektiven einer Festanstellung in der Wissenschaftslandschaft entschied ich mich nach der Promotion zu einer Tätigkeit in der Industrie und war zweieinhalb Jahre bei der K+S KALI GmbH in Kassel im internationalen Marketing tätig.
Aufbau einer neuen Hochschule
Im Jahre 2009 ergab sich dann doch eine interessante Wiedereinstiegsmöglichkeit in die Hochschulwelt und ich wurde Gründungsdekan an der neu gegründeten Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Dort konnte ich viele meiner Ideen zur inhaltlichen und methodischen Ausrichtung von Hochschullehre bei der Neuentwicklung von Studiengängen zur Vermittlung von Wissen über nachhaltige Landwirtschaft an Studierende umsetzen. So spiegelt sich in unserem englischsprachigen Bachelorstudiengang „Sustainable Agriculture“ meine Erfahrung in Witzenhausen wider. Aufbauend auf diese haben wir versucht auch die Themenbereiche, die ich während meines Studiums vermisst habe, stärker zu berücksichtigen. Wir tragen damit hoffentlich zur Weiterentwicklung des Ökolandbaus und einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft im Allgemeinen bei. Auf jeden Fall haben wir sehr engagierte und motivierte Studierende, wie ich sie seinerzeit in Witzenhausen kennen gelernt habe. Zudem konnten wir auch unsere Forschung für nachhaltige Landwirtschaft etablieren und beschäftigen uns unter anderem mit Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffflüssen auf verschiedenen Skalen, nachhaltigen Wertschöpfungsketten, z.B. zum Baobab (Adansonia digitata L.) und neuen Landnutzungskonzepten in Deutschland, wie z.B. Agroforstsystemen oder Permakultur.
Witzenhausen im Rückblick
Witzenhausen bleibt ein prägender Ort, an den ich gerne zurückkehre, um Kolleg*innen und alte Weggefährt*innen zu besuchen. Dort habe ich einige Grundlagen der ökologischen Landwirtschaft erlernt und das Systemdenken zur Landwirtschaft vertieft. Dort habe ich meine Frau kennen gelernt und sind zwei meiner Kinder geboren. Dort habe ich Freunde fürs Leben gewonnen. Was will man mehr?