3 Leitfaden zur Auslegung und der Bezug zur Vorlesung
Die Aufgabenstellung enthält den Hinweis, daß
die Konstruktion für ein Einzelanfertigung auszuführen ist.
Entsprechend sind also Gestaltung in Hinblick auf die Fertigung
und Werkstoffwahl (vgl. Skript I, Abschn. 1.5) vorzunehmen.
Konkret bedeutet dies, daß
- die spanende Fertigung und Schweißtechnik
(also kein Gußtechnik) bevorzugt wird,
- auf Normteile und Halbzeuge
zurückzugreifen ist
- und möglichst eindeutig (z.B. statisch
bestimmt, Los-/Festlagerung usw.) konstruiert werden
soll.
Die letzte Forderung begründet sich damit,
daß der Konstrukteur bei einer Einzelfertigung ähnlich wie im
Anlagenbau quasi nur einen "Versuch" hat und daher auf
"Experimente" verzichtet werden. Es besteht nicht die
Erwartung an die Konstruktion, unbedingt ein Optimum hinsichtlich
bestimmter Kriterien zu erfüllen, welches meist erst in einer
gewissen Entwicklungsreihe gefunden wird.
Nachdem das Funktionsprinzip erkannt ist,
sollte für die Auslegung entsprechend der Gliederung der
Dokumentation vorgegangen werden, die mit der Vorauslegung zur
Abschätzung der anzunehmenden Größe und Belastungen beginnt.
3.1 Vorauslegung (Punkt 1)
Zur Vorauslegung gehört im wesentlichen eine
grobe Abschätzung der Geometrie, die sich aus der Funktion und
den Anforderungen ableiten läßt. Hier sind dies z.B. die zu
übertragende Leistung bei vorgegebenen Drehzahlen und der
Übersetzungsbereich etc.. Die vertikale Verschiebung der Welle
II z.B. muß sich zwangsweise als eine Funktion der vorgegebenen
Übersetzungsanforderung ergeben.
Die geforderte Gesamtübersetzung iges
ergibt sich aus dem Produkt der Einzelübersetzungen von Welle I
zur Welle II und von Welle II zur Welle III. Die jeweilige
Einzelübersetzung setzt sich wiederum aus den
Winkelgeschwindigkeiten i=w a/w b bzw. den Drehzahlverhältnissen zusammen:
iges = i1-2
i3-4 = (n1/n2) (n2/n4)
= n1/n4.
Da die Kegelräder auf einer Achse sitzen, sind
die Drehzahlen trivialer Weise für beide gleich. Sind die
Kegelräder K1 und K2 gleich groß liegt nur ein einstufiges
Getriebe vor. Werden die Kegelräder jedoch nicht gleich groß
gewählt, liegt ein zweistufiges Getriebe vor. Da nun die
Geschwindigkeiten v = w r der Kegelflanke bei gleicher Winkelgeschwindigkeit
aber bei unterschiedlichen Radien verschieden sind, ergibt sich
die Gesamtübersetzung mit i=rb/ra
entsprechend zu:
iges = i1-2
i3-4 = (r2/r1) (r4/r3),
In Worten ausgedrückt entspricht die
Gesamtübersetzung dem Produkt aus den Radien der getriebenen
zu den Radien der treibenden Rädern. Die Radien ändern
sich entsprechend der vertikalen Verschiebung V nur an den
Scheiben SI und SII. Nimmt man den Abstand a als Radius für die
Übersetzung i=1:1 so wird r1=a+V und r4=a-V.
Eingesetz in die Gleichung für die Gesamtübersetzung kann nach
V aufgelöst werden. Im einfachen Fall für r2 ¹ r3
ergibt sich
V(i) = a (i r2- r3)/(i
r2+ r3)
Es besteht jedoch laut Aufgabe die Bedingung,
daß für die Übersetzung von 1:1 einwandfreie kinematische
Abrollverhältnisse vorliegen müssen. Bei nicht einwandfreien
kinematischen Abrollverhältnissen treten zusätzliche
Wirkungsgradverluste und Verschleiß durch Bohrreibung und
Bohrschlupf auf.
Bei einander schneidenden Drehachsen ist nur
dann ein einwandfreies kinematisches Abrollen der Berührflächen
möglich, wenn ihre Wälzkegel auf zusammenfallenden Kegelspitzen
liegen. Diese Verhältnisse liegen übertragen auf die Paarung
Kegelrad–Scheibe nur genau dann vor, wenn sich die Spitze
des Wälzkegels auf den Mittelpunkt der Scheibe (also den
Schnittpunkt der Reibscheibenoberfläche mit seiner Wellenachse)
trifft (Bild 4). Dies ist wiederum für den Fall der
Übersetzung 1:1 nur dann möglich, wenn auch die Kegelscheiben
gleich groß sind. Für r2 ¹ r3 erhält man:
V(i) = a (1-i)/(1+i).
Der Winkel a soll klein sein, um den überwiegenden Anteil der
Federkräfte als Normalkraft in die Scheiben einzuleiten. Dabei
kann akzeptiert werden, daß ein zusätzliches Kippmoment auf die
Lager L4 und L5 ausgeübt wird. Resultierend aus den Größen a
und a
kann der Durchmesser der Welle II bzw. des mittleren
Kegelraddurchmessers bestimmt werden.

Bild 3 Beispiele für
kinematisch einwandfreie Abrollverhältnisse (links), nicht
eindeutig (rechts)
Die Antriebs- bzw. minimalen und maximalen
Abtriebsdrehmomente lassen sich nach P=MTw aus
der vorgegebenen Leistung und den entsprechenden Drehzahlen bei
gegebenen Übersetzungsverhältnissen i unter der Annahme eines
idealen Wirkungsgrades des Getriebes berechnen. Aus den an den
Scheiben zu übertragenen Momenten können die erforderlichen
Reibkräfte entsprechend der Abrollradien a +/- der Verschiebung
V(i) nach der aus der Mechanik bekannten Beziehung M=F´
r abgeleitet werden.
Mit dem gegebenen Haftreibwert m und dem Nutzgrad h läßt sich die
minimal erforderliche Andruckkraft Fn nach der aus der
Mechanik bekannten Beziehung Fr=m h Fn
berechnen. Der tangentiale Nutzgrad h berücksichtigt, daß nur
bei einem Übersetzungsverhältnis von i=1:1 im Falle dieses
Kegelreibradgetriebes einwandfreie kinematische
Abrollverhältnisse vorliegen. Diese Abschätzung der benötigten
Mindestandruckkraft ist eine Grundlage für alle weiteren
Auslegungsschritte der Punkte 2-7.
In der Vorlesung ME/KT I werden die Grundlagen
der Gestaltung von Maschinenelementen und Systemen (Skript I,
Absch. 1.5) sowie die Grundlagen zur Festigkeitsberechnung
(Skript I, Abschn. 1.6) behandelt. Die entsprechenden
Berechnungsgrundlagen sind praktisch auf die jeweiligen Punkte
hier in der Vorauslegung und auf die Punkte 2, 3 und 5
anzuwenden. In der Vorauslegung sollen im Gegensatz zu dem unter
Punkt 5 durchgeführten Dauerfestigkeitsnachweis, jedoch nur
überschlägig, ein erforderlicher Mindestdurchmesser für die
Wellen I und II abgeschätzt werden, um eine Vorauswahl für den
Durchmesser der Wälzlager treffen und damit eine erste Skizze
der Wellen anfertigen zu können.
3.2 Festigkeitsnachweis der Reibscheiben
(Punkt 2)
Die Durchbiegung oder Festigkeit der
Reibscheiben an der Nabe sollen in dieser Übung
unberücksichtigt bleiben. Dafür soll der Wälzkontakt zwischen
Kegel- und Reibscheibe untersucht werden. Im Wälzkontakt
entsteht real unter Last infolge der Applattung der sich punkt-
oder linienförmig berührenden Körper eine Berührfläche. Die
maximalen Schubspannungen treten etwas unterhalb diese
Druckfläche auf. Da die Schubspannungen proportional zur
Hertzschen Pressung auftreten, soll der Festigkeitsnachweis der
Reibscheiben bzw. Kegelräder vereinfacht auf der Grundlage der
Hertzschen Pressung durchgeführt werden.
Es soll jedoch bemerkt werden, daß diese
vereinfachte Berechnung zur Hertzschen Pressung eigentlich nur
für die alleinige Wirkung von Normalkräften, bei homogenem,
isotropem Material und unter der Gültigkeit des Hookeschen
Gesetzes anzuwenden ist. Zusätzlich zur Normalbelastung treten
hier in der Berührzone auch trangentiale Reibkräfte auf, welche
eine zunehmende und an die Oberfläche wandernde maximale
Schubspannung bewirkt. Für die Hertzsche Pressung einer
Linienberührung zweier Zylinder mit r1 und r2
gilt:
pmax=s 0=-Ö [(F E)/(2p r l (1-n )] mit 1/r=1/r1+1/r2
Zur Berechnung der Hertzschen Pressung wird
hier näherungsweise die Anpresspaarung von Ebene-Zylinder
angenommen. Notwendig dazu ist die Errechnung eines äquivalenten
Zylinderdurchmessers und die Grenzbetrachtung von r1® ¥ .
In Abhängigkeit der Andruckkraft kann dann nach der Formel für
die Hertzsche Pressung eine Mindestlänge für die Kantenlänge
des sich ergebenden Kegelstumpfes für den statischen Fall unter
ausschließlicher Berücksichtigung der Andruckkräfte festgelegt
werden.
Für die weiterführenden Rechnungen kann die
resultierende Kraft in der Mitte der Auflagelinie bzw. Kegelkante
angenommen werden. Hier soll bei der Festlegung der
Kegelkantenlänge kein Sicherheitsfaktor berücksichtigt
werden. Eine zu große Kegelkantenlänge zur Verminderung der
Pressungen führt wiederum durch die nicht einwandfreien
Abrollverhältnisse bei Übersetzungsverhältnissen ungleich 1 zu
verstärkter Bohrreibung und somit zu einem erhöhten
Wirkungsgradverlust des Getriebes.
3.3 Graphische Darstellung der angreifenden
Kräfte und Momente an den Wellen (Punkt 3)
In dieser Teilaufgabe wird die Vorgehensweise
des Freischneidens aus der Mechanik angewendet. Die
Schnittkräfte und Lagerreaktionen können einfach aus den
Gleichungssystemen, resultierend aus dem Gleichgewicht der
angreifenden Kräfte bzw. Momente, errechnet werden, da die
Berechnung der angreifenden Kräfte und Momente hier nur für den
stationären Betrieb des Getriebes erfolgen soll (Massenkräfte
resultierend aus der Erdbeschleunigung und Bescheunigungen im
Verstellbetrieb sollen vernachlässigt werden), so daß die
Kenntnisse aus der Statik (Mechanik I+II) ausreichend sind.
Hierzu wird empfohlen, das Problem in die einzelnen Ebenen des
Koordinatensystems mit x als Wellenachse aufzuteilen. Die
resultierenden Auflagerreaktionen zur Berechnung der
Lagerlebensdauer unter Punkt 6 werden dann durch Vektoraddition
wieder superponiert.
Die qualitative Darstellung der Querkräfte und
Momentenverläufe soll dazu verhelfen die für den
Dauerfestigkeitsnachweis kritischen Stellen in Abhängigkeit der
Schwachstellen wie z.B. durch Spannungskonzentrationen an Kerben
zu identifizieren.
Auch diese Transferleistung der Übertragung
und Anwendung der Mechanik auf das reale Bauteil war bisher Teil
der Klausur von ME/KT II. Hierzu mußte z.B. eine technische
Zusammenbauzeichnung in ein mechanisches Ersatzsystem übertragen
und entsprechend freigeschnitten werden sowie die Schnittkräfte
über die Bauteilachse aufgetragen werden.
3.4 Dauerfestigkeitsberechnung (Punkt 5)
Die Vorlesung ME/KT II vertieft die
Festigkeitslehre (Skript II. Abschn. 2 und 3) und analysiert auf
dieser Grundlage die stoff- und formschlüssigen Verbindungen des
Maschinenbaus (Skript II, Abschn. 4 und 5). Auf dieser Basis soll
zu Punkt 5 der Aufgabenstellung eine Dauerfestigkeitsberechnung
durchgeführt werden.
Aufgrund der zu berücksichtigenden Faktoren
wie Kerbwirkung, Größenbeiwert, Oberflächenbeschaffenheit,
Werkstoffwahl etc. ist der Dauerfestigkeitsnachweis erst nach
einem Entwurf möglich. Hieran wird die meist notwendige
iterative Vorgehensweise des Konstruktionsprozesses deutlich. Aus
diesen Gründen wurde im Zuge der Vorauslegung eine
überschlägige Berechnung der Wellendurchmesser durchgeführt.
Endet der Dauerfestigkeitsnachweis dennoch nicht erfolgreich,
kann jedoch in gewissen Grenzen durch entsprechende
Kompensationsmaßnahmen ein Ausgleich erfolgen und die Rechnung
wiederholt werden. Damit kann die Konstruktion
"gerettet" werden, ohne eine komplette Änderung der
Geometrie der Welle vornehmen zu müssen. Eine Möglichkeit
besteht z.B. darin, einen anderen, aber dennoch sinnvollen
Werkstoff mit höheren Dauerfestigkeitseigenschaften zu wählen.
Eine andere Maßnahme könnte z.B. der Verminderung der
Kerbwirkung dienen. Solche Beispiele und Maßnahmen werden in den
Vorlesungen und Übungen erläutert.
Auch die hier vermittelten Kenntnisse aus der
Festigkeitsberechnung wurden (wiederum in Anlehnung an reale
Maschinenbauteile oder in Form von prinzipiellen Fragen zum
Verständnis) in den zurückliegenden ME/KT II Klausuren
gefordert.
3.5 Berechnung der weiteren vorhandenen
Maschinenelemente (Punkte 4, 6 und 7)
Unter den Punkten 4, 6, und 7 der
Aufgabenstellung wird hier die Auslegung einzelner Konstruktions-
und Maschinenelemente, speziell entsprechend der Konstruktion
z.B. Tellerfederelemente, Wälzlager und entsprechend der
Aufgabe, Schraubenverbindungen oder Nabe-Welle-Verbindungen
gefordert, die im Skript II in den Abschnitten 6-8 behandelt
werden.
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