Die Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG
Das Werk in Kassel-Bettenhausen
Das Vorkommen von Ton in der Nähe Kassels hat den Anlass dazu gegeben, dass Firmen, die sich mit der Anfertigung von feuer- und säurefesten Erzeugnissen befassten, sich hier ansiedelten. Hierzu gehörte auch die Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG (DTS), die sich auf dem Gelände des 1883 geschlossenen alten Friedhofs an der Leipziger Straße niederließ.
1887 wurde die Firma „Wimpf und Schmidt“ in der neuen Leipziger Str. 27 ½ in der Unterneustadt gegründet. Dieser Betrieb wurde zur Herstellung von Steinzeug für die chemische Industrie errichtet. Im Jahre 1890 übernahmen die Chemiker Dr. Plath und Dr. Staub sowie Johann Wilhelm Piepmeyer die Firma. Die Übernahme hatte den Zweck, säurefestes Steinzeug selbst zu produzieren. Der Betrieb firmierte nun unter dem Namen „Dr. Plath, Staub und Piepmeyer, Thonwaarenwerk Bettenhausen“, Leipziger Str. 32 ¾.
Ausschnitt aus Firmenkatalog um 1900 Bild 1
Dr. Plath war ein ausgezeichneter Konstrukteur und hat in den 18 Jahren seines Wirkens in der keramischen Industrie eine Vielzahl von Entwicklungen und Neukonstruktionen durchgeführt, die von großer Bedeutung für die Steinzeug- und chemische Industrie waren. Dr. Plath starb im Jahr 1908.
Dr. Staub verstand es als Betriebsleiter, die teilweise schwierigen Konstruktionen sicher durch den Betriebsablauf zu bringen.
Piepmeyer ist in der Produktion nicht hervorgetreten. Er scheint ein rein finanzieller Teilhaber gewesen zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts hatte er eine Kohlen- und Grubenholzhandlung in der Kölnischen Str. 65 und bis zu seinem Tod 1932 die Firma Piepmeyer & Co., geophysikalische Lagerstättenforschung u. a. in der Zeche Roter Stollen in Wilhelmshöhe.
Mit der Übernahme des Werkes durch die Chemiker begann die eigentliche Entwicklung der Firma. Man erwarb neue Tonvorkommen in Muskau/Oberlausitz.
Im Betrieb wurde schließlich mit vier Öfen gebrannt und durch die Einrichtung einer gut ausgestatteten Schleiferei die Voraussetzung geschaffen, komplizierte Geräte aus Steinzeug zu produzieren. Die Fabrikate zeichneten sich durch chemische Beständigkeit, mechanische Festigkeit und fortschrittliche Konstruktion aus. Zum Produktionsprogramm 1892 zählten u. a. Destillations-, Rektifikations- und Kondensationsanlagen, die bei der Herstellung von Salpetersäure, Essigsäure, Äther, Chlorgas usw. gebraucht wurden.
Auffallend in dem Katalog aus dem Jahre 1892 ist, dass viele Produkte durch eigene Patente oder Gebrauchsmusterschutz geschützt waren. Dr. Plath entwickelte in kurzer Zeit eine Reihe neuartiger Geräte. Besonders bekannt geworden sind die von Dr. Plath konstruierten „lose gelagerten Kühlschlangen“ (1894), die das Problem der Temperaturdifferenz bei Kühlschlangen lösten.
Zur Herstellung von Panzerkesseln, die auch zu den Entwicklungsbemühungen gehörten, wurde eine eigene Abteilung eingerichtet. Es handelte sich hierbei um metallummantelte Gefäße mit bis zu 12.000 Liter Fassungsvermögen. Obwohl das Werk flächenmäßig klein und begrenzt war, hatte es durch die Entwicklung eines so umfangreichen und qualifizierten Produktionsprogramms zur Jahrhundertwende einen bedeutenden Platz in der Steinzeugbranche erlangt.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1902 schlossen sich die Werke
Ernst March Söhne, Charlottenburg
Ernst March Söhne, Zweigniederlassung Muskau
Ludwig Rohrmann AG, Krauschwitz und das
Tonwarenwerk Bettenhausen, Dr. Plath, Staub & Piepmeyer
zusammen und bildeten die Firma „Vereinigte Tonwarenwerke AG“ in Charlottenburg.
Die Betriebsleitung verblieb bei den einzelnen Werken, die Hauptverwaltung und die zentrale Verkaufsstelle wurden bei March in Charlottenburg eingerichtet.
Weitere Zusammenschlüsse, Verbindungen und Kooperationen ergaben sich in den folgenden Jahren, auf die aber nicht näher eingegangen wird.
Keinem der einzelnen Werke wäre es allein möglich gewesen, eine Marktposition zu erlangen, aus der heraus es maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der ganzen Branche hätte ausüben können. Mit ihren kleinen Betriebsstätten und den beschränkten finanziellen Möglichkeiten konnte es Einzelbetrieben kaum gelingen, entscheidende Fortschritte auf dem Gebiet der Produkt- und Produktionsentwicklung zu erzielen. Nur durch den Zusammenschluss konnten die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden.
Besonders das Werk in Bettenhausen, nach der Eingemeindung 1906 Leipziger Str. 156, wurde durch seine räumliche Einengung an einer großzügigeren Entwicklung der Produktionseinrichtungen gehindert. Das kleine Grundstück war von der Straße, der Eisenbahnlinie und zwei benachbarten Firmen in seiner Ausdehnung begrenzt. Eine Ausdehnung war also nur durch Zusammenarbeit mit anderen Firmen möglich. Zur Förderung der Produktion wurden zunächst zehn Töpfer aus Charlottenburg nach Kassel umgesiedelt. Die Muskauer Tongrube des Bettenhäuser Werks wurde durch den Muskauer Betrieb übernommen und lieferte den Ton nach Kassel. Zusätzlich wurde in den späteren Jahren Ton aus Westerwälder Gruben gekauft.
Werksansicht aus Firmenkatalog 1909 Bild 2
1904 wurde als fünftes Unternehmen die „Deutsche Tonröhren-Chamottefabrik“ in Münsterberg in den Zusammenschluss mit einbezogen. Die Firma nannte sich nun „Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG“ (DTS). In den neuen aus sechs Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat wurde u. a. Johann Wilhelm Piepmeyer gewählt und war hier bis zu seinem Tod im Jahre 1932 tätig. Dr. Plath wechselte von Kassel nach Charlottenburg in die Geschäftsführung. In dieser Verwaltung übernahmen vor allem Nikolaus B. Jungblut von der Tonwarenfabrik Muskau und Dr. Plath (bis zu seinem Tod 1908) die Leitung des Unternehmens. Dr. Staub behielt die örtliche Leitung des Werks in Bettenhausen, bis er 1908 wegen Krankheit ausschied. Es ergab sich ein zentralistischer Aufbau des Unternehmens, der sich für die einzelnen Betriebsleitungen als hemmend auswirken sollte.
Das Unternehmen war nun in seiner Art und Größe in der Steinzeugbranche ein einzigartiges Gebilde. Es umfasste mit drei Werken, darunter Bettenhausen, die Herstellung von chemischem Steinzeug und mit Münsterberg eins der größten Werke für die Herstellung von Steinzeugrohren. Von den insgesamt 14 Öfen für chemisches Steinzeug standen in Bettenhausen vier Öfen mit 60 Arbeitern von insgesamt 230 Arbeitern zur Verfügung. Das Gesamtunternehmen hatte zu diesem Zeitpunkt insgesamt 930 Beschäftigte.
Durch den Zusammenschluss mit weiteren Unternehmen wurde ein finanzieller Rückhalt geschaffen.
Von Dr. Plath ging die Initiative aus, laufend Neuentwicklungen vorzunehmen. Die von ihm schon 1894 erfundenen „lose gelagerten Kühlschlangen“ entwickelte er weiter, so dass sie auch in größeren Rohrweiten (100 mm) hergestellt werden konnten. Eine aus dem Werk in Bettenhausen stammende Konstruktion, der Panzerkessel nach „System Marx“ wurde nun ebenfalls weiter entwickelt. Die sechsteiligen zusammenschraubbaren Eisenkessel wurden mit einer doppelten Schicht brauner und weißer Steinzeugplatten säurefest ausgekleidet. Da die fremdbezogenen handgeformten weißen Steinzeugplatten häufig nicht formgerecht waren, wurden sie ab 1909 im Trockenpressverfahren selbst hergestellt. Die Montage der Kessel erfolgte durch eigene Leute. Durch die Weiterentwicklung wurde der Absatz der Panzerkessel weiter ausgedehnt, der Export der Steinzeugauskleidungsplatten für die Kessel ging bis nach Japan. Der Aufschwung der Panzerkessel-Fertigung konnte vom Werk in Bettenhausen bald nicht mehr verkraftet werden. Besonders die Montage bereitete dabei Schwierigkeiten. Sie wurde daher zwischenzeitlich in das neu erworbene Werk nach Berlin- Westend, später in ein neu erbautes Gebäude in Lugknitz verlagert. Anlagen und Arbeitskräfte wurden für andere Produktionstätigkeiten frei.
Ausstellung um 1900 Bild 3
Nach dem Zusammenschluss wurden auch in Bettenhausen weitere Ausbauten vorgenommen. So wurde je ein Ofen nach dem Muskauer System (reduzierend brennend, blaue Scherbenfarbe nach dem Brand) und nach dem Charlottenburger System (oxydierend brennend, Scherben blieben hellgrau) errichtet. Der bisherige Charlottenburger Brennmeister Wolf wurde in Bettenhausen Werkmeister. Nach eingehenden Versuchen wurden die Öfen nach Charlottenburger Art 1906 mit Treppenrostfeuerungen ausgestattet.
Nach dem Ausscheiden von Dr. Staub (1907/08) und als Dr. Albert March sich immer mehr aus der aktiven Leitung der „Deutschen Ton- und Steinzeugwerke zurückzog, wurde in der übrigen Einrichtung im Werk in Bettenhausen kaum noch mit der Entwicklung Schritt gehalten. Das Werk war längere Zeit ohne einen eigentlichen Betriebsleiter und wurde von einem rein kaufmännisch orientierten Mann geleitet. Die einzige wirkliche Chance, den Grundbesitz auszudehnen, wurde verpasst, als im Jahr 1909 die anliegende Eisengießerei (Uhlendorf Eisenhüttenwerk) verkauft wurde und man nicht zugriff. Bis 1918 standen in Bettenhausen sechs Brennöfen zur Verfügung (1904 = vier Öfen). Entsprechend den Entwicklungen hatte sich auch die Beschäftigtenzahl von 60 (1904) auf 80 Arbeiter, davon 20 Töpfer, erhöht.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden in allen Werken zehn Stunden am Tag bei sechs Tagen in der Woche gearbeitet. Es wurde Stundenlohn gezahlt. Akkord wurde nur den Pressern, Verputzern, Töpfern und Ofensetzern gezahlt. Offizieller Urlaub wurde nicht gewährt, es gab nur unbezahlte Freizeit. Auch Feiertagsbezahlung kannte man nicht. Die angestellten Versandleiter, Kassierer, Lohnbuchhalter sowie der Brennmeister verdienten etwa 180 Mark, die übrigen Meister 140 Mark im Monat.
Vor dem 1. Weltkrieg (bereits 1910) traten die Werke der chemischen Abteilung dem von dem Bankhaus Gebrüder Arnold gegründeten Pensionsverein (für Angestellte) bei. Die Mitgliedschaft der Angestellten war obligatorisch, und die Beitragszahlungen wurden von diesen teilweise nur widerstrebend geleistet.
Infolge des Kriegsausbruchs 1914 wurde die Absatzentwicklung vorübergehend abgeschwächt. Der Anteil von Produkten für die Fertigung von kriegstechnischen Einrichtungen wurde im Verlauf des Krieges immer größer und bestimmte das ganze betriebliche Geschehen. Es galt, die Anforderungen der Rüstungsindustrie zu erfüllen.
Der Waffenstillstand und der Friedensabschluss mit seinem Verbot und späteren Beschränkung der Sprengstoffherstellung bedeutete einen wesentlichen Einbruch der Produktion.
Dies alles hatte zur Folge, dass die „Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG“ (DTS), weitgehende Arbeitseinschränkungen in ihren Werken durchführen mussten. Die wenigen eingehenden Aufträge konnten wegen der empfindlichen Kohleknappheit nach Kriegsschluss (Abgabe an die Siegermächte) nicht ausgeführt werden. Für 1000 Kg Steinzeug benötigte man damals 500 – 700 Kg Kohle. Doch noch im Jahre 1919 setzte in der chemischen Abteilung ein Anstieg der Nachfrage ein, so dass die Werke bald wieder vollbeschäftigt waren, zumal auch ab 1921 der Export im bedeutenderem Umfang zunahm. Die intensiven Auslandsbeziehungen der DTS aus der Vorkriegszeit konnten wieder aufgenommen werden.
Trotzdem kam es bis zum Jahr 1924 immer wieder zu Abschwächungen und Verzögerungen wegen der mangelhaften Kohleversorgung. Diese Kohleverknappung war durch die Reparationslieferungen des Deutschen Reiches und die Gebietsabtretungen Oberschlesiens und des Saargebietes bedingt. Hinzu kam, dass die Kohle nach Kriegsende teilweise von minderwertiger Qualität war. Als Aushilfsbrennstoff kam vor allem die Rohbraunkohle in Frage. Der hohe Wassergehalt der Rohbraunkohle machte allerdings einen Umbau der Brennöfen erforderlich. Um unabhängiger von der Kohlelieferung zu sein, beteiligte sich die DTS ab Februar 1920 an Kohlefabriken und –gruben.
Mit Beendigung der Inflation (November 1923) lähmte besonders der starke Kapitalmangel, der noch durch den Kapitalentzug in Form von Steuern und Vermögensabgaben verschärft wurde, die Entwicklung des Wirtschaftslebens. Von 1924 – 1926 berichten die Geschäftsunterlagen immer wieder von unzureichender Beschäftigung auf dem Gebiet der Produktion von chemischem Steinzeug. 1924 musste das Werk in Bettenhausen sogar für einige Zeit ganz stillgelegt werden. Hinzu kam, dass u. a. auch das Werk in Bettenhausen von einem 8-wöchigen Streik wegen Lohnforderungen betroffen war. Die Entwicklung neuer Einsatzmöglichkeiten für chemische Steinzeugprodukte führte schließlich im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs zum Erfolg.
Um eine gesteigerte Qualität der Produkte zu bekommen, stellte man Ende 1928 in Bettenhausen die Produktion stark auf das Gießen verschiedener Artikel um. Mit dem Gießen hatte man eine glattere Oberfläche und eine höhere Massgenauigkeit erreicht. Außerdem wurden ab 1929 auch weißes Steinzeug gefertigt (bis 1934). Der zunehmende Rückgang der allgemeinen Wirtschaft (1928/29) führte dazu, dass das Werk in Krauschwitz von 1931 – 1934 geschlossen werden musste. Auch in Bettenhausen wurde nun eingeschränkt gearbeitet. Erst 1938 gab es die ersehnte Wende.
In den Jahren 1919 – 1933 gab es bei der betriebstechnischen Ausrüstung keine großen Fortschritte. In Bettenhausen wurde in dieser Zeit eine Tonbunkeranlage neu erstellt, die Schleiferei und Packerei wurden in einem neuen Gebäude untergebracht. Außer den 6 bereits vorhandenen verhältnismäßig kleinen Öfen (ca.18 – 20 qm Grundfläche) wurde ein kleiner Muffelofen errichtet. Das Werk hatte jetzt auch elektrischen Kraftantrieb.
Der neue Herdwagenofen Bild 4
Die DTS in Bettenhausen beschäftigte im Jahr 1927 zehn Beamte (Leitende Angestellte) und 100 weitere Belegschaftsmitglieder. Der durchschnittliche Stundenlohn 1925 betrug in Bettenhausen in der Aufbereitung 0,72 Mark, in der Töpferei 1,01 Mark, in der Schleiferei und Brennerei 0,90 Mark und bei der Verladung 0,68 Mark. In den Jahren 1931 und 1932 kam es zu Lohnsenkungen beim Zeitlohn um 6 % und beim Akkordlohn um 10 – 16 %. Die Kürzung bei den Gehältern schwankte zwischen 3 und 15 %.
Die Aktienmehrheit der DTS gehörte seit den 30er Jahren der Cremer-Gruppe. Sie besaß auch den zweiten großen Steinzeug-Konzern, die „Friedrichsfelder Steinzeugwerke“ (später FRIATEC) in Mannheim sowie die Steinzeugplattenfabrik „Buchtal“ in Schwarzenfeld. Die Cremer-Gruppe war es auch, die die DTS wieder zum führenden, leistungsstarken Produktionsunternehmen der Steinzeugbranche machen wollte und weg von einem Beteiligungsunternehmen.
1934 erfolgte die Verlegung der Verwaltung von Berlin nach Krauschwitz/Oberlausitz, wo ein entsprechendes Gebäude auf dem Firmengelände errichtet wurde. Dorthin wurde 1937 auch der Firmensitz verlegt. Die Betriebsleiter erhielten wieder weitgehend freie Hand für ihre produktionstechnischen Entscheidungen.
Die Investitionen für Ausbauarbeiten nach 1933 wurden überwiegend in den Werken vorgenommen, bei denen mit einer Produktionsausdehnung gerechnet werden konnte. Bettenhausen fiel wegen seiner beengten Raumverhältnisse und der fehlenden Ausdehnungsmöglichkeit nicht darunter. So wurde in den Jahren 1933 bis 1935 immer wieder an eine Verlegung der Produktion gedacht. 1934 hatte ein Versuch mit einem neuen Muffelofen begonnen, der aber fehlgeschlagen war und nur kostspielige Reparaturen verursachte. Vom Fabrikationsprogramm wurde ein Teil nach Krauschwitz übertragen. Bis 1937 wurden daher außer gründlichen Ofenreparaturen keine nennenswerten Aufwendungen vorgenommen.
Da in der chemischen Steinzeugindustrie der Produktionsumfang in diesen Jahren immer mehr zunahm, ergaben sich für den Standort Bettenhausen neue Schwierigkeiten, den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. So wurden in Bettenhausen immer mehr Produkte gegossen und dieser Teil der Fertigung wurde weiter ausgedehnt. Später wurden die gegossenen Waren nach Krauschwitz zum Schleifen und zur Montage gesandt. 1938 wurden ein neues Formenlager, ein neuer Aufenthaltsraum und ein Waschraum für die Arbeiter geschaffen. Die Produktion in der Gießerei konnte um 25 % gesteigert werden. Der Bau eines weiteren Formenlagers und die Erweiterung der Schleiferei wurden 1939 beschlossen.
Im Zuge der Kriegsereignisse (Fliegerbedrohung) wurde 1943 der Plan gefasst, den Betrieb in Bettenhausen mit dem wieder eröffneten Lugknitzer Werk zusammenzulegen. Entsprechende Vorkehrungen waren bereits getroffen, als am 13.4.1944 das Werk Bettenhausen bei einem Fliegerangriff getroffen wurde. Der Schaden im Fertigungsbetrieb war nicht allzu groß, der Produktionsausfall betrug nur 12 Tage. Ein Wohnhaus mit dem Betriebsbüro wurde zerstört. Die Verlagerung des Betriebes wurde nochmals bis 1944 durch das Rüstungsamt verzögert. In der 2. Hälfte 1944 wurden dann aber tatsächlich Schleifmaschinen nach Lugknitz geschafft und der Gießereibetrieb ebenfalls Zug um Zug nach dort verlagert. Bis Kriegsende wurde in Bettenhausen nur noch Steinzeug in geringen Mengen produziert.
Schon das Jahr 1934 brachte aber auch eine Reihe von Maßnahmen, die die Verhältnisse der Arbeiter wesentlich erleichterten und verbesserten. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass die Ursachen für das Entstehen der „Staublunge“ (Silikose) bei den Arbeitern vermieden wurden. Neue sanitäre Einrichtungen wurden erstellt bzw. ausgebaut.
Die Einrichtungen für die Altersvorsorge wurde nach 1934 ausgebaut und eine „Gefolgschaftsfürsorgeeinrichtung e. V.“ geschaffen. Diesem wurden jährlich 250.000 Mark zugeführt, so dass eine Altersversorgung von 60 % der festen Bezüge vorgesehen werden konnte. Darüber hinaus richtete die DTS ein Sparprämiensystem ein, bei dem an Arbeiter und Angestellte, die langfristige Sparverträge abschlossen, Sparprämien bis zu 150 % der Zinsgutschrift der Sparkasse gezahlt wurden. Ab 1942 wurden in Krankheits- und Notfällen zusätzliche Beihilfen gewährt.
Die Belegschaftszahl der DTS war während der Wirtschaftskrise auf dem Tiefststand angekommen. Ab 1933 begann sie sich aber wieder zu vergrößern. Im Bereich der chemischen Steinzeugfertigung dauerte es aber etwas länger, bis die Beschäftigung wieder zunahm. Auch in Bettenhausen dauerten die Wiedereinstellungen von 1936 bis 1939 an, bis die Belegschaft wieder auf 75 Mann angewachsen war.
Die Aufwärtsentwicklung der DTS wurde nach Kriegsende 1945 jäh unterbrochen. In der zweiten Februarhälfte 1945 wurde das Werk Freienwalde stillgelegt. Das gleiche Schicksal erfuhr bereits am 12.2.1945 Krauschwitz. Muskau-Lugknitz arbeitete ebenfalls seit Anfang Februar 1945 nicht mehr, da es als Durchgangslager für Kriegsgefangene beschlagnahmt worden war. Die Geschäftsleitung wurde zu diesem Zeitpunkt nach Oeslau bei Coburg in die Räume der Tochtergesellschaft „Annawerk AG“ verlegt. Das Münsterberger Werk arbeitete bis in den April 1945 weiter. Auch der Betrieb in Bettenhausen konnte seine Produktion bis zur Kapitulation aufrechterhalten.
Bei Wiederbeginn der wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Waffenstillstand stand der DTS nur noch das Werk in Bettenhausen zur Verfügung.
Das Münsterberger Werk war der polnischen Verwaltung unterstellt, während Krauschwitz und Freienwalde – nach vorhergehender Demontage durch die Russen - von der Sowjetzonenbehörde enteignet und verstaatlicht wurden.
Der Wert des verbliebenen Werkes in Bettenhausen betrug 1.347.000 RM. Damit war das bisher größte Unternehmen der deutschen Steinzeugindustrie zum Rumpfbetrieb kleinen Ausmaßes geworden.
Aufgrund dieser Situation musste sich die Tätigkeit zunächst darauf beschränken, die verbliebenen Vermögenswerte zu erhalten. Im Juli 1945 wurde der Betrieb in Bettenhausen wieder aufgenommen. Die Bombenschäden aus der Kriegszeit konnten notdürftig behoben werden. Ihre endgültige Beseitigung und die Erneuerung der Anlagen belasteten das Unternehmen doppelt. So mussten die Maschinen von Transmissions- auf Einzelantrieb umgestellt werden, ein neuer Lastenaufzug gebaut, ein weiteres Formenlager und ein Magazin errichtet und neue Büroräume geschaffen werden. Wegen der schlechten Versorgungslage zogen sich diese Arbeiten bis Anfang der 50-er Jahre hin. Da die alten Schleifanlagen nach Muskau-Lugknitz geschafft worden waren, konnten zunächst nur ungeschliffene Steinzeugware hergestellt werden. Neue Rohstoffquellen mussten gesucht werden, da die mitteldeutschen Gebiete nicht mehr zugänglich waren.
Ende 1946 waren in Bettenhausen wieder 51 Personen beschäftigt. Außerdem waren noch sechs Personen in Oeslau bei Coburg tätig, wo die Geschäftsleitung wegen der Zerstörung des Bürogebäudes vorläufig in den Räumen des „Annawerkes“ verblieben war. Auf dem Lagerplatz in Berlin-Lichtenberg (bis Februar 1948 zur DTS gehörend) arbeiteten weitere drei Personen. Als sich die Lage langsam verbesserte, konnte die Instandsetzung und der Ausbau des Werkes beschleunigt fortgesetzt werden. In der Schleiferei nahm man eine in eigener Werkstatt gefertigte Schleifmaschine und in der Formgebung eine Presse in Betrieb. Einer der Öfen wurde völlig überholt, so dass Bettenhausen jetzt vier betriebsfähige Brennöfen mit ca. 215 qm Herdfläche hatte. Außerdem wurde ein Konstruktionsbüro eingerichtet,
Mitte 1949 hatte die DTS 69 Arbeiter und 16 Angestellte.
Es wurden nun Überlegungen laut, die DTS mit der „Deutsche Steinzeugwarenfabrik AG“, Mannheim-Friedrichsfeld zu vereinigen. 1949 wurde aber beschlossen, die DTS nicht nur fortbestehen zu lassen, sondern auch ihren erneuten Ausbau in Angriff zu nehmen. Diese Erweiterung war aber in Bettenhausen nicht möglich. Die geeigneten Voraussetzungen fanden sich dann bei der Tochtergesellschaft der „Annawerk AG“, nämlich der „Buchtal AG“ in Schwarzenfels / Oberpfalz. Hierhin wurde auch der Sitz der DTS verlegt.
Am
21.5.1950 wurde der Betrieb in Bettenhausen durch einen Feuerschaden
nochmals zurückgeworfen. Ein Ofengebäude wurde zerstört
und die Produktion bis zum Ende des Jahres beeinträchtigt.
Da um die gleiche Zeit bei der „Deutsche Steinzeugwarenfabrik AG“, Mannheim-Friedrichsfeld zwei neue Tunnelöfen gebaut wurden, die DTS
Brand am 21.05.1950 Bild 5
einen Ofen aber nicht auslasten konnte, lag eine Vereinigung erneut nahe. Dies war aber unter der Beibehaltung der Selbständigkeit unmöglich. Man wollte den Namen der DTS erhalten. 1955 wurde schließlich die Buchtal AG nach Mannheim-Friedrichsfeld verlegt.
Die DTS umfasste somit nur noch das Werk in Bettenhausen. Der Firmensitz wurde nach Kassel verlegt. Direktor Heinrich Willach ging in den Ruhestand, und Dr. Heinz Hendrickx übernahm die Leitung der Geschäftsführung. Der Betrieb wurde stark modernisiert und rationalisiert. Es wurde Anfang der sechziger Jahre ein moderner ölgefeuerter Herdwagenofen errichtet. Die Belegschaft betrug 1964 129 Mitarbeiter/ -innen.
Am 23.6.1961 feierte die Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG ihr 125-jähriges Jubiläum. Das Jubiläum bezieht sich auf die Gründung der Töpferei Ernst March, Charlottenburg im Jahre 1836. Aus ihr ging die Firma Ernst March Söhne, Charlottenburg hervor, die eins der vier Werke war, die sich 1902 zur Deutsche Ton- und Steinzeugwerke AG zusammenschlossen.
Das Lieferprogramm im Jubiläumsjahr umfasste im wesentlichen Konstruktionsteile und Anlagen aus säurebeständigem Steinzeug und technischem Porzellan für die chemische und verwandte Industrie und alle übrigen Industriezweige, die sich mit Korrosionsschutz befassten, wie mit säurefesten Rohrleitungssystemen, Ausgussbecken usw. für Fabriken, Universitäten, Forschungsinstitute, Fotolabore und Krankenhäuser, bis zu kompletten Absorptionskolonnen für die Fabrikation für Salzsäure, Salpetersäure, Anlagen zur Gewinnung von Brom, zum Trocknen von Chlor und für viele andere Fabrikationsvorgänge in der chemischen Industrie.
Außerdem befasste sich die DTS mit dem Bau von Neutralisationsanlagen in halb- und vollautomatisch elektrisch gesteuerter Ausführung. Sie umfasste mit ihrem Fabrikationsprogramm auf diesem Gebiet alle Erfordernisse der chemischen Abwasserreinigung.
Blick von der Leipziger Straße, 1964 Bild 6
Neben seinen eigenen Erzeugnissen hatte das Unternehmen den Generalvertrieb in der Bundesrepublik für Spezialsande, die sowohl zur Herstellung von feuerfesten Steinen als auch bei der Fertigung von hochwertigen Mangan- und Chromnickelstählen verwendet wurden.
In Berlin hatte die Gesellschaft eine Zweigniederlassung, die neben dem Kasseler Fabrikationsprogramm auch einen Handel mit Kanalisationsrohren für die Stadtentwässerung betrieb.
Im Rahmen einer Feierstunde würdigten der Vorstand Dr. Heinz Hendrickx und Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Will Thomas die Arbeit der Mitarbeiter. Ein Geldgeschenk in Höhe von 10.000 DM, gespendet von befreundeten Werken der Keramikindustrie, sollte im Sinne der Belegschaft verwendet werden. Die Feierstunde, zu der auch Vertreter der Politik und der nordhessischen Wirtschaft geladen waren, fand in einer festlich geschmückten Werkhalle an der Leipziger Straße statt.
Aus Anlass des Jubiläums waren mehrere Werkschöre des gleichen Industriezweiges nach Bettenhausen eingeladen worden, um ein gemeinsames Wochenende zu verbringen. Im Mittelpunkt stand ein Sängertreffen im Festsaal des Hotel Reiss. Der Chor der DTS Bettenhausen trat mit seinem Dirigenten Rektor Geese auf. Der Werkschor Bettenhausen bestand aus ca. 20 Männern, die regelmäßig in der Kantine übten. Für Auftritte bekamen die Chormitglieder 2,50 DM ausgezahlt. Hiervon wurden Fahrten organisiert, mal mit, mal ohne Frauen.
Der Werkschor, ca. 1970 Bild 7
Im Januar 1972 hat die DTS ihren keramischen Bereich an die Muttergesellschaft, der „Deutsche Steinzeug- und Kunststoffwarenfabrik“ in Mannheim-Friedrichsfeld übertragen. Dieser Schritt geschah, so Vorstand Dr. Hendrickx, um die verbleibenden für die Zukunft wichtigen Aufgaben des Umweltschutzes besonders zu intensivieren. Hierdurch wurde in der Cremer-Gruppe gleichzeitig eine Konzentration des technischen Steinzeugs in Produktion und Vertrieb erreicht.
Der Haupteingang des Werkes in Bettenhausen war in der Leipziger Straße. Eine breite Zufahrt verlief von der Leipziger Straße bis zur Waldkappeler Bahn, von der aus ein direkter Gleisanschluss ins Werk führte. Links vom Eingang befand sich das Pförtnerhaus, im Anschluss daran die Büroräume. Dahinter lag das Gebäude der Gipserei und Formerei. Im hinteren Bereich dieses Gebäudes waren die Kantine und die Sozialräume untergebracht. Der Herdwagenofen (weiße Ofen) war im Gebäude hinter der Gipserei. Zwischen dem Gebäude an der Bahnlinie mit den vier großen Öfen mit Ölfeuerung lag die Arbeitshalle, in der die Produkte glasiert wurden. Die Halle diente auch teilweise als Lagerraum. Auf der rechten Seite der Zufahrtsstraße war der Lagerplatz. Den Abschluss auf der rechten Seite bildete das Gebäude mit der Schreinerei und Schleiferei.
Zum 31.12.1975 schloss das Werk in Bettenhausen endgültig. Den Arbeitern und Angestellten wurde angeboten, in Mannheim-Friedrichsfelde zu arbeiten. Lediglich zwei Angestellte aus dem Büro sollen das Angebot angenommen haben. Einige andere bekamen einen neuen Arbeitsplatz bei der Firma Wegmann/Bode in Bettenhausen bzw. bei anderen in Kassel ansässigen Firmen.
Am 5.1.1986 fiel auch das vorletzte Überbleibsel der DTS; der Schornstein nahe der Waldkappeler Bahn wurde gesprengt. Der letzte bauliche Rest, ein abgetragener, gekürzter Schornstein wurde in einen Neubau der Nachfolgefirma integriert.
Auf dem Gelände der ehemaligen Deutschen Ton- und Steinzeugwerke AG befindet sich nun das Autohaus Hessenkassel GmbH & Co. KG, Leipziger Str. 156.
Bild
8 Heutige Nutzung des Geländes durch die Firma Autohaus Hessen
Kassel Bild 9
Text
Klaus-Peter Wieddekind, Mai 2007
Quellennachweis
Heft 1 zur Tausendjahr-Feier der Residenz Cassel „Cassels Handel und Wandel“ 1913
Doktorarbeit von Ferdinand Hoffs 1964
Chronik „Bettenhausen 1126 – 1926“ von Bruno Jacob
HNA vom 23.6.1961, 24.6.1961, 26.6.1961, 28.1.1972 und 6.1.1986
Aussagen Emil Heinemann, Kassel, ehem. Arbeiter bei DTS in Bettenhausen
Bildnachweis
Holger Klein, Bad Muskau, Bild 1, 2, 3, 4, 5 und 6
Emil Heinemann, Kassel, Bild 7
Klaus-Peter Wieddekind, Kassel, Bild 8 und 9