Vortragsreihe "Spotlight"

SPOTLIGHT - ästhetische Praxis - eine interdisziplinäre Vortragsreihe der Musikpädagogik und der Ästhetischen Bildung.

Wann versetzt Musik Grundschulkinder ins Staunen? Wie lassen sich im Deutschunterricht ästhetisch-literarische Erfahrungen in Worte fassen? Wieviel Raum gibt Performancekunst für Partizipation? Wie funktioniert Teilhabe an Kunst und Kultur? Lassen sich ästhetische Bildungsprozesse bei Musemsbesuchen initiieren? Verändert Digitalisierung visuelle Darstellungsmodi? Kann man mit Körper und Kamera forschen? Was sind Räume musikalisch-ästhetischer Bildung?

In der Vortragsreihe SPOTLIGHT laden wir Expert:innen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft ein, um diese und ähnliche Fragen zu diskutieren.

Die Veranstaltung ist öffentlich. Studierende, Lehrende und extern Interessierte sind herzlich willkommen.

 

Organisation: Prof. Dr. Susanne Dreßler, Prof. Dr. Verena Freytag

Bildung und Kompetenz – feindliche Schwestern? Annäherungen an ein musikdidaktisches Spannungsfeld

Der Erwerb musikalisch-fachlicher Kompetenzen und das Ziel, musikalische Bildungsprozesse anzustoßen, werden in der musikpädagogischen Diskussion immer wieder als unvereinbar gegeneinander in Stellung gebracht. Sowohl didaktisch als auch für die Praxis des Musikunterrichts ist das kontraproduktiv.

Der Beitrag richtet Spotlights aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf dieses Spannungsfeld: Er beginnt mit einem kurzen etymologischen Exkurs, kritisiert einen verengten Begriff ästhetischer Erfahrung bzw. Praxis in bestimmten musikdidaktischen Ansätzen, fragt nach dem Fachlichen des Musikunterrichts und sucht nach Schnittpunkten zwischen musikalisch-ästhetischer Bildung und musikalischer Kompetenz.

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Vita

Prof. Dr. Werner Jank arbeitete seit 1993 als Professor für Musikpädagogik und Leiter der Lehramtsstudiengänge an den Musikhochschulen in Mannheim und Frankfurt a.M. und vertrat die Professur für Musikpädagogik an der Universität Kassel (2020–2022). Zahlreiche Publikationen zur Musikpädagogik und -didaktik, zur Praxis des Musikunterrichts und zur Allgemeinen Didaktik.


An der Schnittstelle von Kunst und Film

Die Künstlerin und Filmemacherin Joey Arand stellt anhand einiger ihrer Arbeiten ihren Schaffensprozess vor. Dieser ist stark geprägt durch Kollaboration und Interaktion mit Teammitgliedern, Zuschauer*innen und Besucher*innen und wird häufig erst durch diesen Resonanzraum lebendig. Allen Arbeiten gemein ist, dass sie existenzielle Themen aufgreifen, an denen sich Grundwerte des kulturellen Verhaltens formulieren. Dafür recherchiert sie intensiv und wählt jeweils passend zur Thematik die finale Form.

Der Vortrag behandelt unter anderem ihre Werkgruppe über Haare und Kopfbedeckungen, sowie einen Kurzfilm, der die Zuschauer*innen in die Welt von Kindern abtauchen lässt und sich mit Fragen über Resilienz, Fantasie und Familie beschäftigt. Dabei beleuchtet sie die Interdisziplinarität und Bezugnahmen der Arbeiten und zeigt auf, wie sie von autobiografischen Themen zu gesellschaftsrelevanten Fragen kommt. 

Vita

Joey Arand (geb. 1990) arbeitet an der Schnittstelle von zeitgenössischer Kunst und Film. Ihre Werke behandeln gesellschaftliche Themen wie Identität oder körperliche Zwänge. Ihre Kraft und Poesie entwickelt sie dabei immer aus einer Forschungsbewegung heraus, aus tatsächlicher Erfahrung und aus dokumentarischem Material.

2017 residierte sie als Stipendiatin in Willingshausen, 2019 in der “Cité des Arts” auf la Réunion. 2018 bis 2023 arbeitete sie als Lehrende an der Kunsthochschule Kassel, an der sie zuvor Visuelle Kommunikation studiert hatte.


Klassische Musik im Nachdenken von Musiklehrer:innen

Klassische Musik spielte und spielt nach wie vor eine zentrale Rolle in musikdidaktischen Diskursen sowie in Curricula und Bildungsplänen. Ihr wird zuweilen ein besonderer Bildungswert und der Status eines kulturellen Erbes zugeschrieben. Mitunter wird die Vormachtstellung dieser Musik jedoch auch kritisiert, beispielsweise aus hegemoniekritischer und diversitätssensibler Perspektive. Aber wie denken eigentlich Musiklehrer:innen über Klassische Musik im Musikunterricht nach? Dieser Frage nachzugehen ist einerseits spannend, weil hierzu trotz der sich immer weiter ausdifferenzierenden Musiklehrendenforschung kaum empirische Studien vorliegen. Andererseits verspricht der Fokus auf die Perspektive von Musiklehrer:innen aber auch konstruktiv-kritische Anregungen für den musikdidaktischen Umgang mit Klassischer Musik und für die Beantwortung der Frage warum und wie Schüler:innen mit ihnen eher fremden Unterrichtsgegenständen konfrontiert werden sollten.

Vita

Erik Alexander Recklies studierte Trompete, Lehramt Musik und Ethik, Philosophie, Betriebswirtschaftslehre und Musikwissenschaft in Mannheim und Essen. Seit 2018 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Musikpädagogik an der Universität Kassel tätig

Zur Aktualität der Künste im Morgen‹. Potenziale zeitgenössischer Künste für die ästhetische Bildung

Mit dem Titel ›Zur Aktualität der Künste im Morgen‹ geht eine doppelte Bedeutung einher: So ist sowohl der Horizont der Künste als auch gleichermaßen der der heranwachsenden Generation auf ein noch unbestimmtes Künftiges hin geöffneter Möglichkeitsraum zu denken. Angesichts der Herausforderungen der Gegenwart wird der These nachgehen, dass sich die Zukunft nur mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusammen und nicht über sie hinweg gestalten lassen kann. Davon ausgehend stellt sich anhand von Beispielen aus der zeitgenössischen Performancekunst mit Kindern und Jugendlichen die Frage für die ästhetische Bildungsforschung, wie sich das Generationenverhältnis als ästhetische Praxis und Aushandlungsprozess im Miteinander (Handeln) zeigt.

Vita

Kristin Westphal, Dr. phil. habil.  – Erziehungswissenschaftlerin, Professorin i.R. Universität Koblenz, Gründungsmitglied und bis 2019 Vorsitz des Zentrums für zeitgenössisches Theater und Performancekunst/Studiengang Darstellendes Spiel. Schwerpunkte: Pädagogische Anthropologie und Phänomenologie; Ästhetik und Bildung. Erziehen und Bilden in der Kindheit. Performancekunst mit Kindern und Jugendlichen. Forschung zur Kulturellen und Ästhetischen Bildung.

 


Gesten der Kunst im inklusiven Grundschulunterricht

Der inklusive Grundschulunterricht steht vor großen Herausforderungen, von denen sich viele im Spannungsfeld von Standardisierung und Individualisierung verorten lassen. In einem inzwischen abgeschlossenen Forschungsprojekt zur kulturellen Bildung und Inklusion zeigte sich, dass Praktiken des inklusiven Musikunterrichts in diesem Spannungsfeld anders agieren als didaktische Praktiken anderer, nicht-ästhetischer Fächer. Es schließt sich daran die Frage an, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen solche Praktiken auch für andere Fächer genutzt werden können. Eine vielleicht vorschnell optimistische Antwort wird begrenzt nicht nur durch die Eigenlogiken der Fächer und Fachkulturen, sondern auch durch strukturelle Grammatiken und institutionelle Funktionen der Schule.  

 

Prof. Dr. Cornelie Dietrich ist Professorin für Erziehungswissenschaft/Allgemeine Grundschulpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin


Was ist musikalische Bildung?

Bildung ist ein eigenartiges Wort, zumindest unter den Gelehrten: Insbesondere Erziehungswissenschaftler*innen haben Schwierigkeiten, sich auf seine Bedeutung(en) einigen zu können. Dadurch bleibt in Fachdiskussionen oft unklar, was ‚Bildung‘ überhaupt und im Besonderen auch ‚musikalische Bildung‘ meinen soll.

Der Vortrag richtet zunächst den Fokus auf die Analyse des Begriffs von musikalischer Bildung: Am Beispiel der vielrezipierten Theorie transformatorischer Bildungsprozesse (Koller, Kokemohr & Marotzki) soll zunächst gezeigt werden, weshalb die Vieldeutigkeit des Wortes ‚Bildung‘ mit einer weit verbreiteten Definitionspraxis zu tun hat, die die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke willkürlich festlegt. Im Unterschied dazu soll dargestellt werden, wie sich der Ausdruck ‚Bildung‘ bzw. ‚musikalische Bildung' auch anhand seines alltagssprachlichen Gebrauchs definieren lässt. Im Anschluss daran wird erörtert, warum musikalische Bildung im Sinne dieser Definition als Ziel ästhetischer musikalischer Praxis im schulischen Unterricht zu verstehen ist und welche Mittel bzw. Methoden sich eignen könnten, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. 

Biografie Dr. Lukas Bugiel  

Lukas Bugiel promovierte an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg zur Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Er forscht zu Fragen der Bildungs- und Erziehungsphilosophie, Musikpädagogik und -philosophie. Derzeit vertritt der die Professur für Musikpädagogik/-didaktik an der HMT Leipzig.

Ästhetische Praxis in der Praxis des Musikunterrichts

Abstract: Die Frage, wie musikalisch-ästhetische Praxis am besten zu unterrichten ist, stellt sich hochschuldidaktisch nicht anders als (grund-)schuldidaktisch - oder? Wie sollte ich den Gegenstand, um den es in der Vorlesung gehen soll, am besten einführen? Vielleicht am Beispiel einiger Erlebnisse, die mir erst viele Jahre später im Rückblick, als ich auch ästhetische Theorie praktizierte, zur ästhetischen Erfahrung wurden?

Aus praxistheoretischer Perspektive erfahren wir die Welt immer in einer Praxis. Unter verschiedenen Arten der Praxis ist eine die ästhetische Praxis. Ästhetische Praxis, in der Klänge eine nicht unbedeutende Rolle spielen, können wir dann Musik oder Musikpraxis nennen. Menschen haben weltweit viele Musikpraxen (Musikkulturen) hervorgebracht. In meinem Vortrag werde ich (1) besondere Merkmale ästhetischer Praxis am Beispiel konkreter Erfahrungen darstellen, (2) Grundformen ästhetischer Praxis anhand der Geschichte des Musikunterrichts verdeutlichen und (3) zum Schluss einige Folgerungen zeigen, die sich ergeben, wenn wir Musikpraxen zum Gegenstand der Unterrichtspraxis machen.

Alle Aspekte können entsprechend den Interessen der Teilnehmer:innen vertieft werden.

Biographisches: Prof. Dr. Christopher Wallbaum hat als Musiker gearbeitet und 12 Jahre als Musiklehrer und Fortbilder in Hamburg, er lehrte von 2002 bis 2022 an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und vertritt seit seiner Pensionierung eine Stelle an der Europa-Universität in Flensburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Praxis- und Kulturtheorie, Produktionsdidaktik, ästhetische Praxis und Erfahrung, international vergleichende Unterrichtsforschung mit Videos und Analytical Short Films sowie Modelle oder Philosophien guten Musikunterrichts. Er hat selbst Aufsätze zu einem Modell Musikpraxen erfahren und vergleichen vorgelegt.

Ästhetik und Anästhetik in den Praktiken des Deutschunterrichts der Grundschule. Vignettenbasierte Betrachtungen zum Umgang mit Literatur