Forschung

„All world is gendered!“ - Geschlecht ist eine der gesellschaftlich relevantesten sozialen Kategorien. Dabei ist oft unklar, was mit Geschlecht genau gemeint ist: Biologisches Geschlecht, Geschlechtsidentität oder selbstzugeschriebene Maskulinität/Femininität sind nur einige Komponenten. Entsprechend beschäftigen wir uns im Rahmen dieses Schwerpunktes damit, wie Geschlecht definiert und diversitätssensibel gemessen werden kann. Eine performative, sozial-konstruktivistische Perspektive einnehmend („doing gender“) fragen wir danach, wie das geschlechtliche Selbsterleben beeinflusst werden kann. Insbesondere beschäftigen wir uns damit, weshalb Männer ihre eigene Männlichkeit in Frage stellen, welche Personen dies besonders stark tun und welche Auswirkungen das hat (z. B. Zustimmung zu sexistischen Aussagen, Einstellungen gegenüber Schusswaffen). Mit unserer Forschung zur Bedrohung von Weiblichkeit (und ihren Unterschieden zur Männlichkeitsbedrohung) adressieren wir zudem eine langwährende Forschungslücke.

Eine weitere, geschlechtsbezogene Identitätsdimension ist die sexuelle Orientierung. Hier untersuchen wir, welche Rolle Geschlechterstereotype (communion und agency) bei der Wahrnehmung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen spielen und welche Folgen diese haben. Entsprechend thematisieren wir verschiedene Formen der Diskriminierung, wie sozialen Ausschluss oder die Benachteiligung von lesbischen/schwulen Menschen im Arbeitskontext (z. B. Zuschreibung von Führungseigenschaften).

Ein ganz neues Thema unserer Forschung ist Online-Dating-Verhalten, welches wir in realweltlichen Zusammenhängen (Tinder) untersuchen. Dabei fragen wir danach, welche Auswirkungen experimentelle Manipulationen der soziosexuellen Orientierung (Präferenz für kurz- vs. langfristige Partner:innenschaften und Sexualkontakte) oder von Ehrlichkeit-Bescheidenheit als Persönlichkeitseigenschaft haben.

 

Ausgewählte Publikationen:

Büttner, C. M., Rudert, S. C., & Kachel, S. (2024). Ostracism experiences of sexual minorities: Integrating target perspective and perception by others. Personality and Social Psychology Bulletin, online first. https://doi.org/10.1177/01461672241240675

Kachel, S., Bloch, T., Bosson, J. K., Lorenz, L. L., & Steffens, M. C. (2024). Gaining masculine power through guns? The impact of masculinity threat on attitudes towards guns. Frontiers in Psychology. 15:1296261. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1296261

*Posio, P., *Kachel, S., & Uclés Ramada, G. (2024). Morphosyntactic stereotypes of speakers with different genders and sexual orientations: An experimental investigation. Linguistics, online firsthttps://doi.org/10.1515/ling-2022-0143

Niedlich, C., Kachel, S., & Steffens, M. C. (2022). Sexual orientation information and hiring: Can individualizing information lead to negative stereotyping of sexual minority group members? Journal of Applied Social Psychology52(5), 1–18. https://doi.org/10.1111/jasp.12859

Kachel, S., Steffens, M. C., & Niedlich, C. (2016). Traditional masculinity and femininity: Validation of a new scale assessing gender roles. Frontiers in Psychology, 7. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2016.00956

 

*geteilte Erstautor:innenschaft

Wenn Sie das nächste Mal in einem Café gefragt werden, ob Sie Hafer- oder Kuhmilch möchten, reagieren Sie doch mal mit: „Wie sehe ich denn aus?“. Sie werden einige spannende Antworten erhalten. Selbstverständlich dürfte die Relevanz und die Verbreitung einer Identität als Hafer- oder Kuhmilchtrinker*in sehr gering sein. Der zugrunde liegende Mechanismus ist es allerdings nicht: Menschen drücken Aspekte ihrer sozialen Identität aus, ohne sie explizit zu kommunizieren, z. B. über die äußere Erscheinung. Und andere Menschen nutzen diese Signale, um verhaltenswirksame Eindrücke über Personen zu bilden.

Im Rahmen dieses Forschungsschwerpunktes untersuchen wir, welche Signale (und spezifischen Signaleigenschaften) zum Ausdruck und zur Wahrnehmung sozialer Identitäten genutzt werden. Hierbei analysieren wir neben verbalen (z.B. Laute, grammatische Formen) auch non-verbale Signale (z. B. Gesichter). Dabei interessieren wir uns dafür, wie man vorhandene Signal valide abbilden kann (z. B. Kleidung), inwiefern Identitätsausdruck und -wahrnehmung deckungsgleich sind und welche Rolle verschiedene Kontext aber auch Stereotype hierbei spielen. Beispielsweise konnten wir zeigen, dass Kleidung symbolischen Schutz vor existentiellen Bedrohungen (wie dem Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine) durch eine Stärkung der Gruppenidentität bietet.

 

Ausgewählte Publikationen:

Kachel, S., Simpson, A. P., & Steffens, M. C. (2024). Speakers’ vocal expression of sexual orientation depends on experimenter gender. Speech Communication156, 103023. https://doi.org/10.1016/j.specom.2023.103023

Gruber, R., Häfner, M., & Kachel, S. (2023). Dressing up social psychology: Empirically investigating the psychological functions of clothing using the example of symbolic protection. British Journal of Social Psychology, Online First. https://doi.org/10.1111/bjso.12700 REGISTERED REPORT

Kachel, S., Steffens, M. C., Preuß, S., & Simpson, A. P. (2020). Gender (conformity) matters: Cross-dimensional and cross-modal associations in sexual orientation perception. Journal of Language and Social Psychology, 39(1), 40–66. https://doi.org/10.1177/0261927X19883902

Kachel, S., Simpson, A. P., & Steffens, M. C. (2018). “Do I sound straight?”: Acoustic correlates of actual and perceived sexual orientation and masculinity/femininity in men’s speech. Journal of Speech, Language, and Hearing Research, 61(7), 1560–1578. https://doi.org/10.1044/2018_JSLHR-S-17-0125

Kachel, S., Simpson, A. P., & Steffens, M. C. (2017). Acoustic correlates of sexual orientation and gender-role self-concept in women's speech. The Journal of the Acoustical Society of America141(6), 4793–2809. https://doi.org/10.1121/1.4988684

In einem unserer Forschungsprojekte untersuchen wir, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zuverlässig die allgemeine Lügenhäufigkeit vorhersagen können. Vergangene Arbeiten haben sich bisher auf den Einfluss des Persönlichkeitsmerkmals Ehrlichkeit-Bescheidenheit (engl. Honesty-Humility) und auf den Gerechte-Welt-Glauben fokussiert.

 

Ausgewählte Publikationen:

Reinhardt, N., Mikesch, M., Hoppe, L., & Reinhard, M.-A. (2024). Close replication of Paul, Lee, and Anshton (2022): Who tells prosocial lies? Journal of Research in Personality, 112, Article 104525. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2024.104525

Reinhardt, N., & Reinhard, M.-A. (2023). Honesty–humility negatively correlates with dishonesty in romantic relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 125(4), 925–942. https://doi.org/10.1037/pspp0000456

Reinhardt, N., Reinhard, M-A., & Schindler, S. (2023). Is peoples’ belief in a just world associated with (dis)honesty in romantic relationships? Journal of Research in Personality, 105, Article 104396. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2023.104396

Ein weiterer von uns beforschter Schwerpunkt liegt im Erkennen von wahren und gelogenen Urteilen. Bei diesen Studien werden den Proband:innen klassischerweise verschiedene Videobotschaften gezeigt und im Anschluss gefragt,  ob die Personen in den Videos die Wahrheit sagen oder lügen. Aus diesem Vorgehen lassen sich zwei Maße ableiten, die im Fokus dieser Forschungslinie stehen. Zum einen können wir den sogenannten Truth Bias berechnen, der die Tendenz beschreibt, Aussagen anderer Menschen eher als wahr anzunehmen, selbst wenn es Hinweise auf Täuschung gibt. Zum anderen können wir die Genauigkeit bestimmen, die sich aus der Anzahl korrekt erkannter Lügen und der Anzahl korrekt als wahr eingeschätzter Aussagen ergibt. In einem aktuellen Projekt untersuchen wir, wie das Persönlichkeitsmerkmal Ehrlichkeit-Bescheidenheit (engl. Honesty-Humility) den Truth Bias und die Genauigkeit beeinflusst.

 

Ausgewählte Publikationen:

Schindler, S., Reinhardt, N., & Reinhard, M.-A. (2022). Challenges in detecting proximal effects of existential threat on lie detection accuracy. Current Psychology, 42, 22114–22126. https://doi.org/10.1007/s12144-022-03237-1