Anarchitext. Andreas Neumeisters erzähltes Bauen
Dissertationsprojekt von Anna-Carina Meywirth.
Diese interdisziplinäre Dissertation analysiert die Texte des Autors Andreas Neumeister (*1959) aus literaturwissenschaftlicher und architekturtheoretischer Perspektive. Seine so genannten ‚Romane‘ unterlaufen bewusst die Gattungsspezifika und spielen mit eingefahrenen Methoden der Literaturwissenschaft. Dokumentarische Details zu Architekturen verschiedener Städte (u.a. München, Moskau, Los Angeles) werden dekonstruiert, collagenhaft verkettet und kreieren dadurch ungewöhnliche, kritische und experimentelle Blickwinkel auf vermeintlich bekannte oder verschwundene Fassaden.
Neumeisters Texte besitzen keine Handlungsverläufe und einen lediglich schwach konturierten Erzähler, der inmitten der Textbruchstücke häufig in den Hintergrund tritt. Das dadurch streckenweisen kryptische Schreiben verlangt dem Leser viel Aufmerksamkeit und Recherchearbeit ab. Information an Information kreiert ein Netz aus Verweisen (Links), ähnlich einem Hypertext, der permanent aus dem eigentlichen Text heraus auf andere Texte verweist. Möglicherweise existieren aus diesem Grund nur wenige detailliertere Aufsätze zu Andreas Neumeisters Werken, eine Monographie ist bislang noch nicht erschienen. Die Dissertation wird diese Lücke füllen und im ersten Teil die poetischen/popliterarischen Verfahren des Autors untersuchen, kategorisieren und daraus eine ‚ideale Lesestrategie‘ entwickeln.
Der zweite Teil widmet sich der inhaltlichen Analyse des ‚Romans‘ Könnte Köln sein (2008), in welchem laut Untertitel „Städte“ und „Baustellen“ literarisch verarbeitet werden. Bekannte und weniger bekannte Bauplätze und (Macht-) Architekturen verschiedener Städte stellt der Text durch die Brille des Erzählers zur Disposition und offenbart teilweise skurrile politische Details und Hintergründe zur Entstehungsgeschichte der Bauwerke. Die thematisierten Gebäude oder geographischen Räume erfahren eine kreative Einbettung in den möglicherweise vergessenen, verdrängten oder verschwiegenen Kontext und werden als wichtige Produkte gesellschaftlichen Handelns aufgewertet. Nahezu alle Fakten sind nachprüfbar und spielen unter dem Deckmantel des Romans mit der Grenze von Realität und Fiktion. Die inhaltliche Mischung der verschiedenen Textgenres und die zahlreichen poetischen Verfahren lassen sämtliche literaturwissenschaftliche Analysemethoden und -werkzeuge scheitern, sodass die Textanalysen der Dissertation neue methodische Zugänge wie die Architekturtheorie ausprobieren.
Auf den ersten Blick lässt sich bei Neumeisters Arbeitsweise kein Muster erkennen, jede Annäherung an eine Stadt oder ein Bauwerk erfolgt individuell. Ob sich am Ende aller Analysen eine Strategie herausfiltern lässt, soll im Ergebniskapitel dargestellt werden.