enders

1. Hypothese
Aufbauend auf Reyner Banhams „Theorie und Gestaltung im ersten Maschinenzeitalter“[1] beschreibt Martin Pawley die Architekturgeschichte seit der Moderne nicht mehr als kulturellen Prozess, sondern als eine den technologischen Entwicklungen hinterherhinkenden Disziplin.[2] Die Architektur des 20.Jh. wäre missverstanden, so Pawley, wenn sie nur innerhalb eines kunstgeschichtlichen Kontextes interpretiert werden würde. Es sind seiner Auffassung nach insbesondere technologische Weiterentwicklungen, funktionale sowie wirtschaftliche Gründe, die die Architektur des 21. Jahrhunderts konstituieren werden und uns das Nebeneinander verschiedenster Stilrichtungen sowie die große Menge gesichtsloser Architektur unserer Zeit („terminal architecture“) verständlich machen.
Charles Jencks sieht hingegen das ikonografische Gebäude als neuen Typus[3] heutiger Architektur - Ausdruck einer individualisierten Gesellschaft und Werbemittel des Bauherrn gleichermaßen.
Um das Phänomen der Gleichzeitigkeit einer gesichtslosen, auf Informationsverarbeitung reduzierten Architektur, die von Pawley als Architektur des 21. Jahrhunderts beschrieben wird neben den immer zahlreicheren ikonografischen Gebäuden zu untersuchen, soll sich meine Arbeit am Beispiel von Verwaltungsgebäuden mit den Vorbedingungen zur Entstehung von Architektur auseinandersetzen. Neben einer Untersuchung der Bauherrenschaft will ich mit meiner Arbeit insbesondere die Finanzierungsmethoden von Neuentwicklungen untersuchen, da hier eine der ersten Festlegungen im Projektentwicklungsprozess getroffen wird. Das Bürogebäude zum Objekt der Untersuchung zu machen erscheint aus vielerlei Gründen sinnvoll: Zum einen erlaubt die Typologie des Bürohauses unterschiedlichste Ausformungen der Gebäudehülle, zum anderen sind die funktionalen Anforderungen an Bürogebäude meist gleichartig, was den Einfluss externer Faktoren auf die Architektur stärker als bei anderen Gebäuden hervorhebt.
Bei der Betrachtung verschiedener Bürostandortorte habe ich den Eindruck gewonnen, man könne bei Neuentwicklungen von grundsätzlich drei architektonischen Typen von Bürogebäuden ausgehen. In der ersten Gruppe sehe ich Bürogebäude in Neubaugebieten wie z.B. dem Potsdamer Platz, Uptown München, Cologne Oval Offices die durch namhafte Architekten geplant werden und in einigen Fällen die von Jencks diagnostizierten ikonografische Qualitäten zeigen.
Als zweiten Typus betrachte ich z.B. Gewerbeparks und Bürostandorte an eher peripheren Lagen oder auch innerhalb kleinerer, wirtschaftlich unbedeutender Städte. Nicht selten werden ganze Stadtviertel entwickelt und Bürohäuser mit Einkaufsmöglichkeiten verbunden oder Blockstrukturen durch große Baumassen geschlossen. Die Architektur dieser Gebäude ist in ihrer Komplexität der ersten Gruppe weit unterlegen und zeigt ihre Qualitäten eher in einer pragmatischen, flächenausnutzenden Planung bei hoher Flexibilität.
Als dritte, jedoch sehr heterogene Gruppe, sind von Unternehmen eigengenutzte Gebäude zu verstehen. Diese sind in ihrer Ausformung je nach Bauherrn und Programm entsprechend unterschiedlich und sollen in dieser Arbeit nur am Rande behandelt werden.

2. Fragestellung
Der Bau von Immobilien ist zweifelsohne sehr eng an die herrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geknüpft und hängt stark von diesen ab. Inwieweit die Bautätigkeit durch die Konjunktur gesteuert wird, ist im Rückblick einfach nachzuweisen und wird für die Zukunft anhand von Vorhersagemodellen z.B. der Immobilienuhr von zahlreichen Ratingagenturen prognostiziert. Grob gesagt, dienen die angewandten Messmethoden des Marktes dazu, Investitionen einer künftig zu erwartenden Nachfrage zuzuführen, da Wachstumsmärkte frühzeitig erkannt werden sollen was gleichzeitig eine höhere Rendite der vom Investor getätigten Investitionen verspricht. Sobald Investitionen von institutionellen Anlegern auf einem bestimmten Immobilienmarkt eingesetzt werden sollen, stellt sich gleichzeitig die Frage nach der Art des Gebäudes und dessen Architektur, da dieses später Teil des Immobilienportfolios wird und nach seiner Erstellung bzw. seinem Kauf eine möglichst hohe Rendite und Wertbeständigkeit erzielen muss.
Der Architekturbegriff wird zwar als Bestandteil der Ratingmethoden zur Bewertung von Immobilienportfolios genannt[4], ist jedoch eher in seiner funktionalen und gebäudetechnischen Perspektive verstanden, was bei Betrachtung einiger Bürokomplexe offensichtlich erscheint.
Um den Einfluss der Finanzierungsbedingungen auf die Architektur untersuchen zu können, wird sich meine Arbeit mit verschiedenen Disziplinen, insbesondere den Wirtschaftswissenschaften, der Architekturgeschichte, der Geographie und der Stadttheorie auseinandersetzen. Es ist auffallend, wie stark sich der Architekturbegriff z.B. der Wirtschafts­wissenschaften im Vergleich zur Architekturgeschichte unterscheidet und beide Betrachtungsweisen scheinbar völlig unabhängig voneinander sind, obwohl sie sich gegenseitig bedingen.
Im Zuge meiner Untersuchungen interessiert mich besonderes, inwieweit sich die beschriebene „Auflösung des Bauherrn“ auf viele Anleger eine Veränderung der architektonischen sowie urbanis­tischen Anforderungen an die Immobilie zur Folge hat. Anhand noch festzulegender Beispielbauten (ca. 20-30) soll gezeigt werden, wie sich die Größe, funktionale Gliederung, ikonografischen Qualitäten als auch architektonische Anspruch durch die Art der Immobilienerstinvestitionen unterscheidet und welche Tendenzen zu erkennen sind. 

[1] Banham, Reyner: Die Revolution der Architektur – Theorie und Gestaltung im ersten Maschinenzeitalter. Bauwelt Fundamente Band 89. Braunschweig 1990
[2] Pawley, Martin: Terminal Architecture London 1997.
[3] Jencks, Charles: The iconic building – The Power of Enigma. London 2005
[4] Vgl. Scope: „Analyse von offenen Immobilienfonds“ – Nov.2007. S. 3

KILIAN ENDERS Jahrgang 1974. Architekturstudium an der TU Berlin, am Illinois Institute of Technology, Chicago sowie an der Bartlett School of Architecture, London. Diplom 2001. Sechs Jahre tätig alsArchitekt, u.a. als Projektleiter für verschiedene Büros im In- und Ausland. Seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiter bei Prof. Philipp Oswalt an der UniversitätKassel, Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen.

zurück zu Forschung