Promotionen: Helena Cermeño

Zugang zur Stadt: Entschlüsselung der Praktiken der Stadtverwaltung, des Zugangs zu Wohnraum und Dienstleistungen und der daraus resultierenden Prozesse der sozialen Ein- und Ausgrenzung in Amritsar und Lahore

Die Untersuchung konzentrierte sich auf die Provinz(en) Punjab auf beiden Seiten der indisch-pakistanischen Grenze und insbesondere auf die heutigen Städte Amritsar und Lahore. Aufgrund ihrer Nähe, ihrer gemeinsamen kolonialen Vergangenheit und ihres gemeinsamen soziokulturellen Kontexts boten Amritsar und Lahore einen außergewöhnlichen Rahmen für vergleichende empirische Untersuchungen zur postkolonialen städtischen Governance und zum sozialen Wandel. In diesem Kontext sollte untersucht werden, inwieweit städtische Governance-Praktiken (von oben und von unten) die Fähigkeit der Stadtbewohner beeinflussen, von Wohnraum und Dienstleistungen in bestimmten Stadtvierteln zu profitieren, und inwieweit diese Praktiken zur (Re-)Produktion städtischer Ungleichheiten und sozialräumlicher Ein- und Ausschlüsse beitragen.

Während das Wohnen seit langem unter dem Blickwinkel der „Eigentumsrechte“ erforscht wird, liefert eine solche Sichtweise oft kein verständliches Bild davon, wie es Stadtbewohnern de facto gelingt, von städtischen Ressourcen zu profitieren (oder auch nicht). Ich schlug daher einen alternativen Ansatz vor, der sich auf die Zugangstheorie von Ribot und Peluso (2003, 2020) stützt, die Zugang als die „Fähigkeit“ begreift, Nutzen aus Dingen, einschließlich materieller Objekte, Personen, Institutionen und Symbolen, zu ziehen. Ein „Zugangsansatz“ ermöglichte es nicht nur, Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang zu (städtischen) Ressourcen (d. h. Wohnungen/Dienstleistungen) zu konzeptualisieren, sondern er leitete den Forscher auch dazu an, die Governance-Praktiken zu untersuchen, durch die die Akteure diese Ressourcen im Laufe der Zeit erlangen, kontrollieren und erhalten (oder übertragen können), sowie die zugrunde liegenden Machtverhältnisse.

Die Zugangstheorie erweitert auf diese Weise den klassischen Begriff der Rechte um eine Reihe von Mechanismen, die es verschiedenen Akteuren ermöglichen oder erschweren, sich Zugang zu Wohnraum zu verschaffen (zu erlangen), den Zugang anderer zu vermitteln (zu kontrollieren) und Machtressourcen einzusetzen, um den Zugang auf Dauer zu sichern (zu erhalten). Eine solche Sichtweise bedeutet jedoch nicht, dass rechtliche Rechte irrelevant sind; vielmehr wird davon ausgegangen, dass „rechtebasierte“ Mechanismen (die auf der Beobachtung oder Unkenntnis von Recht und Eigentumsrechten beruhen) zusammen mit anderen „strukturellen“ und „relationalen“ Mechanismen (wie verschiedenen Kapitalquellen oder Autorität) funktionieren, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verteilung von Vorteilen spielen. Den Zugangsmechanismen liegen also Beziehungsgeflechte („Machtbündel“) zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren zugrunde.

Während der Zugang die primäre theoretische Linse für die Forschung darstellte und sich durch alle Beiträge und ausgewählte Fallstudien in Amritsar und Lahore zog, untersuchten die verschiedenen Kapitel auch theoretische Verschmelzungen mit der Zugangstheorie (wie z.B. Access-Assemblages, Access Cum Evolutionary Governance Theory oder City Scapes). Diese theoretischen Verschmelzungen erleichterten die Untersuchung bisher vernachlässigter Dimensionen urbaner Prozesse und warfen Fragen zu menschlichen/nicht-menschlichen Schnittstellen, vernetzten Interdependenzen und der Produktion sozio-materieller Infrastrukturen auf.

Letztlich hat die Untersuchung gezeigt, wie man durch die Entschlüsselung der gegenwärtigen Auseinandersetzungen um den Zugang zu städtischem Grund und Boden, Wohnraum und Dienstleistungen in diesen beiden Städten, die unterschiedliche Formen der Ein- und Ausgrenzung manifestieren und hervorbringen, die beteiligten Governance-Arrangements, ihre zugrunde liegenden Entwicklungspfade und die verschiedenen Abhängigkeiten, die potenzielle künftige Anpassungen und Governance-Pfade strukturieren, nachzeichnen kann. Das Verständnis dafür, wie Governance-Praktiken in sich ständig verändernden Kontexten funktionieren und sich weiterentwickeln, ist meiner Meinung nach entscheidend für die Planung künftiger Stadtplanungsversuche und wohnungspolitischer Maßnahmen, um eine integrativere und gerechtere städtische Umwelt zu schaffen.

Während die Forschung in Amritsar und Lahore situiertes Wissen über komplexe, vielschichtige und konfliktreiche Wohnprozesse generiert hat, sind die kontextsensitiven Erkenntnisse auch für andere ähnliche Grenzstädte und Post-Konflikt-Gesellschaften von Bedeutung. Die Ergebnisse sind daher auch über diese beiden Städte hinaus in ganz Südasien und im globalen Südosten in unterschiedlichen geografischen Kontexten, in postkolonialen Grenzstädten und in „geteilten“ Gebieten von Bedeutung. Aus theoretischer Sicht tragen die Schlussfolgerungen aus den gesammelten Beiträgen daher zu aktuellen Debatten über Süd(ost)urbanismus und insbesondere zu Fragen der städtischen Governance, des Zugangs zu städtischem Land, Wohnraum und Dienstleistungen in postkolonialen Gesellschaften an den disziplinären Schnittstellen von Stadtsoziologie, Konflikt- und Entwicklungsstudien und Stadtplanung bei.