Prof. Dr. Engelhard Boehncke - Nachruf
Engelhard Boehncke, geboren 1935 in der Nähe von Göttingen, widmete sein Leben der Landwirtschaft und Tiermedizin, wobei er von Anfang an eine tiefe Verbundenheit zu Tieren verspürte. Seine berufliche Laufbahn begann er als Lehrling auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben. Bereits während seines Studiums der Landwirtschaft an der Universität Göttingen arbeitete er 1959 als Praktikant auf dem Osswaldhof in der Schweiz, einem der ältesten biodynamischen Betriebe weltweit. Diese Erfahrungen verstärkten seinen Wunsch, Tiere nicht nur zu betreuen, sondern auch ihre Gesundheit in den Mittelpunkt seines Schaffens zu stellen.
Seine Liebe zu Tieren und das wachsende Bewusstsein für ihre Bedürfnisse führten ihn zum Studium der Veterinärmedizin, das er zunächst an der Universität Gießen begann und später in München fortsetzte. Während seiner wissenschaftlichen Arbeit als Veterinärmediziner wurde er wiederholt mit den negativen Folgen des Einsatzes von antibiotischen Wachstumssubstanzen in der konventionellen Tierhaltung konfrontiert. Diese Erkenntnisse, gepaart mit der wachsenden Problematik antibiotikaresistenter Bakterien in der Humanmedizin, prägten seinen beruflichen Weg entscheidend. Engelhard Boehncke wurde zu einer anerkannten Kapazität in der ökologischen Landwirtschaft.
Im Jahr 1975 erhielt Boehncke einen Ruf als Professor an die Universität Kassel/Witzenhausen, wo er seine Vision einer nachhaltigen, ökologischen Tierhaltung an die nächste Generation weitergab. Seine Ansichten forderten das konventionelle System heraus und fanden bei vielen Studierenden großen Anklang. Rund 350 Diplomarbeiten und 10 Dissertationen entstanden unter seiner Betreuung. Für seine Studierenden war er eine wahre Inspiration, und er galt als einer der beliebtesten Professoren der Universität.
Engelhard Boehncke übernahm 1984 das Amt des Präsidenten des Weltverbandes für ökologische Landwirtschaft (IFOAM). Unter seiner Leitung entwickelte sich der Verband zu einer globalen Organisation. Mit seiner Geduld, seinem Humor und seiner Fähigkeit, verschiedene ökologische Strömungen zu integrieren, trug er maßgeblich dazu bei, die Ökobewegung in einer herausfordernden Zeit zusammenzuhalten. Auch als international gefragter Referent setzte er sich unermüdlich dafür ein, dass die artgerechte Tierhaltung in der ökologischen Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielte.
Nach seiner Zeit als Präsident von IFOAM prägte er unter anderem als Präsident der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN) deren Ausrichtung .
Er trug mit zur Schaffung des Forschungspreises für artgemäße Nutztierhaltung bei, der von der Deutschen Schweisfurth Stiftung vergeben wird. Hier war er viele Jahre Vorsitzender der Jury.
Neben seiner Lehrtätigkeit und seiner internationalen Arbeit als Redner und Berater war Engelhard Boehncke auch Dekan des Fachbereichs Landwirtschaft an der Universität Kassel (1984/1985; 1991/1992) und Mitglied zahlreicher Berufungskommissionen im In- und Ausland. Er setzte sich stets dafür ein, dass die ökologische Tierhaltung eine angemessene wissenschaftliche und politische Aufmerksamkeit erhielt.
Im Jahr 2008 wurde Engelhard Boehncke mit dem One World Award von Rapunzel für sein Lebenswerk (Lifetime Achievement ) ausgezeichnet. Diese besondere Ehrung würdigte seine jahrzehntelange internationale Arbeit im Bereich der ökologischen Landwirtschaft und seine unermüdlichen Bemühungen für eine nachhaltige Agrarkultur. Sein Engagement hinterließ nicht nur in der akademischen Welt, sondern auch in der Praxis der ökologischen Landwirtschaft, weltweit tiefe Spuren.
Engelhard Boehncke verstarb am 22. März 2025 nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 89 Jahren kurz vor seinem 90. Geburtstag. Mit ihm verliert die ökologische Landbaubewegung einen herausragenden Vordenker und eine Quelle der Inspiration, dessen Lebenswerk weit über sein Wirken hinausstrahlt.
Die Universität Kassel verliert mit Engelhard Boehncke einen überaus geschätzten Lehrenden und Wissenschaftler. Der Fachbereich wird den Verstorbenen in würdiger Erinnerung bewahren.