Detection of rigid body motions
Algorithmus zur Berechnung von Starrkörperbewegungen in räumlichen Stabtragwerken.
J. Wackerfuß
Beim Entwurf komplexer ebener oder räumlicher Stabtragwerken zur Abtragung von äußeren Lasten kann es vorkommen, daß Teilbereiche der Struktur Kinematiken aufweisen. Diese Kinematiken sind dadurch gekennzeichnet, daß das Tragwerk (unabhängig von den Steifigkeitswerten der Tragglieder) für bestimmte äußere Einwirkungen keinen inneren Widerstand aufweist. Die sich dabei einstellenden Starrkörperbewegungen führen im Gesamtsystem, bzw. in Teilsystemen, somit zu keinerlei Zwängungen bzw. Spannungen. Ziel des Tragwerkplaners ist es ein kinematisches Tragsystem zu vermeiden und brauchbare statische Systeme zu entwerfen, was insbesondere bei komplexen Tragwerkstopologien nicht immer einfach ist. Während das Erkennen von äußeren Kinematiken (infolge fehlender Lagerungen) i.A. unkritisch ist, ist das Erkennen von Kinematiken im Tragwerksinneren oftmals komplizierter; insbesondere dann, wenn die Verbindungen zwischen den Einzelstäben aus konstruktiven oder statischen Gründen nicht starr ausgeführt wird. Es sei daran erinnert, daß auch ein formal (!) statisch unbestimmtes System Kinematiken aufweisen kann und somit – im statischen Sinne – unbrauchbar ist.
Numerische Untersuchungen eines Tragwerks mit einer oder mehreren Kinematiken mit Hilfe kommerzieller Berechnungsprogramme führen i.A. zu einem Programmabbruch. Beim Lösen des Gleichungssystems wird in den meisten Fällen folgende (Fehler-) Meldung ausgegeben: „singuläre Steifigkeitsmatrix“ oder „Tragwerk ist kinematisch“ oder „Tragwerk ist nicht ausreichend gelagert“. Ursächlich kann ein Programmabbruch jedoch auch mit dem Auftreten von sehr großen Steifigkeitsunterschieden innerhalb der Systemsteifigkeitsmatrix in Verbindung stehen, die zu einem schlecht konditionierten Gleichungssystem und somit zu numerischen Problemen beim Lösen des resultierenden Gleichungssystems führt.
Im Rahmen dieses Projekts ist ein Berechnungsverfahren entwickelt worden, mit dessen Hilfe innerhalb beliebiger räumlicher Stabstrukturen Kinematiken detektiert und diese mittels einer Animation visualisiert werden können. Die einzelnen Stabelemente können dabei starr, elastisch oder gelenkig miteinander verbunden sein. Neben dem klassischen Kugelgelenk können beliebige sonstige Gelenktypen (z.B. Normalkraftgelenk, Querkraftgelenke,…, oder auch schräge Gelenke) berücksichtigt, bzw. durch deren Kopplung beliebige Gelenksituationen modelliert werden. Eine elastische Verbindung von Stabelementen wird mittels Translations- und Rotationsfedern realisiert, deren Wirkungsrichtung (bzw. Wirkungsebene) individuell eingegeben werden kann. Bei der Lagerung des Tragwerks können beliebige Situationen berücksichtigt werden. Durch die Möglichkeit einer animierten Ergebnisdarstellung soll es dem Tragwerksplaner ermöglicht werden die in der Tragstruktur auftretende Kinematiken leichter zu erkennen und diese gezielt zu beheben. Weist das Tragwerk hingegen keinerlei Kinematiken auf, so gibt das Berechnungsverfahren explizit den Grad der statischen Unbestimmtheit an. Gegenüber einer rechenintensiven Eigenwertanalyse zur Bestimmung der Nulleigenwerte der Systemsteifigkeitsmatrix (z.B. im Rahmen einer Finite-Element-Berechnung), zeichnet sich das entwickelte Verfahren insbesondere durch einen sehr geringen Rechenaufwand aus, was sich insbesondere bei komplexen Tragstrukturen günstig auswirkt.
Die 3 folgenden Abbildungen zeigen die Ergebnisse einer Berechnung zur Bestimmung der Kinematiken eines Kuppeltragwerks. Die Tragstruktur setzt sich aus geraden Einzelstäben zusammen, die starr miteinander verbunden sind. Lediglich die Meridian-Stäbe zwischen dem 3. und 4. Breitenkreis sind beidseitig gelenkig (Kugelgelenk) angeschlossen, wodurch das Tragwerk 3-fach kinematisch wird (siehe Abbildungen).
Drei Starrkörperbewegungen eines Kuppeltragwerks
Publikation
Wackerfuß, J.: Algorithmus zur Beschreibung von Starrkörperbewegungen in Mehrkörpersystemen, Diplomarbeit, Technische Hochschule Darmstadt, Institut für Statik, 1997