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Werkstatt für Dialogische Planung |
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Mediation ist ein die Zukunft gerichtetes Verhandlungsverfahren zur Einigung miteinander streitender Personen oder Gruppen. Das Verfahren wurde in den 60er und 70er Jahren in den USA entwickelt. Seit Ende der 80er findet die Mediation auch in Deutschland mehr und mehr Beachtung und wird in verschiedenen Zusammenhängen (Schul-, Familien-, Nachbarschafts- und Umweltmediation, Mediation in der Arbeitswelt etc.) angewandt.
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In einem Mediationsverfahren vermitteln unparteiische Dritte (MediatorInnen) zwischen den Streitparteien, die freiwillig an der Mediation teilnehmen (Prinzip der Freiwilligkeit). Die Konfliktparteien selbst sollen im Verfahren der Mediation befähigt werden, eine für ihre Interessen optimale Problemlösung zu verhandeln. Nach Möglichkeit sollen alle durch die gemeinsam formulierte Übereinkunft gewinnen (win-win-Prinzip).
Das erste Mediationsverfahren im Bereich der räumlichen Planung war der Fall 'Sondermülldeponie Münchehagen' in Niedersachsen. Mehrere in den Folgejahren durchgeführte Verfahren betrafen Fragen der Regionalentwicklung wie Abfallkonzepte, Flughafen- und Straßenausbau. Inzwischen gibt es aber auch Mediationsverfahren in der Architektur und Stadtentwicklung.
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Das Prinzip der Mediation beruht im wesentlichen darauf, in einem Prozess mit offenem Ausgang (Prinzip der Ergebnisoffenheit) unter streitenden Parteien eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu erzielen. Das folgende Beispiel illustriert die Idee der Mediation und zeigt die win-win-Potentiale, die durch moderierte Kommunikation und Verhandlung aufgedeckt werden können:
Zwei Köche streiten sich um eine Zitrone. Da beide am Abend Gäste erwarten und die Zeit zur Zubereitung drängt, wird der Streit immer heftiger und eskaliert in gegenseitigen Beleidigungen. Beide Köche sind der Ansicht, sie hätten aus gutem Grund ein Anrecht auf die Zitrone und keiner ist bereit, der Forderung des anderen nachzugeben. Ein Lehrling, der den Streit verfolgt, schlägt eine Lösung vor: "Warum nicht die Zitrone teilen? So hat jeder wenigstens eine Hälfte und kann seine Gäste mit etwas Erfindungsgeist zufrieden stellen. Daneben steht die Kellnerin des Restaurants. Sie fragt die beiden Köche, warum sie denn beide die Zitrone benötigen und erfährt, dass der eine Koch aus der Zitrone den Saft pressen will, um einen Nachtisch zuzubereiten. Der andere benötigt sie, um aus der Schale Zitronat herzustellen und einen Kuchen zu backen. Nachdem der eine Koch den Saft herausgepresst hat, gibt er die ganze Zitronenschale zur Weiterverwendung ab.
(aus Akademie für Technikfolgenabschätzung: Stuttgart, 2000, S.7)
Die Offenlegung der Gründe hat sich für beide Köche gelohnt. Statt Gewinner und Verlierer zu erzeugen oder eine Kompromisslösung zu suchen, konnten beide Kontrahenten den maximalen Nutzen erzielen. Genau das wird in der Mediation angestrebt.
Die Aufgabe der MediatorInnen ist die Strukturierung des Gesprächs und nicht die Vorgabe von Lösungen oder das Fällen von Urteilen. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum gerichtlichen Vorgehen oder zum Schlichten. Die Durchführung geschieht in verschiedenen Sitzungen mit den Beteiligten.
Die klassische Mediation mit zwei Kontrahenten hat die folgenden fünf Phasen:
- Einleitung mit Verständigung über den Rahmen und die Regeln
- Darstellung der individuellen Sichtweisen durch die Streitenden
- Konflikterhellung/Herausarbeiten der hinter den Standpunkten liegenden Bedürfnissen und Interessen
- Problemlösung mit der Suche nach Lösungen, die für alle Streitparteien annehmbar sind
- Einigung auf und Verschriftlichung der Vereinbarungen für die Zukunft
Auch bei Konflikten in der räumlichen Planung (Umweltmediation) wird das Verfahren der Mediation mittlerweile häufiger angewandt (z.B. Konflikte beim Bau von Straßen oder Müllverbrennungsanlagen). Hierfür gibt es aber keine klaren Verfahrensvorgaben. Bei diesen Konflikten sind eine Vielzahl von Personen und Gruppen beteiligt. Ähnlich wie bei einem Runden Tisch kommen alle von einem Problem Betroffenen freiwillig zusammen, um eine Lösung zu erzielen. Einzelne Interessengruppen stellen StellvertreterInnen für das Verfahren ab. In mehreren Gesprächsrunden wird der Konflikt mit Hilfe einer/s neutralen Mediators/in verhandelt. Je nach Konflikt werden zu einzelnen Fragen externe Gutachter dazugeholt. Wichtiges Prinzip ist, dass Offenheit für die Lösung vorhanden ist. In Anlehnung an die fünf Phasen der klassischen Mediation nennt Sellnow (in Stiftung Mitarbeit (Hrsg.): Bonn, S. 4950) die folgenden vier Phasen als Bausteine für Mediationsverfahren im Umweltbereich:
- Herausarbeiten der Konfliktpunkte und Verständigung darüber
- Erhebung und Wahrnehmung der zugrundeliegenden Interessen
- Ausloten von Handlungsspielräumen und Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil (win-win-Situation)
- Absichern der Verhandlungsergebnisse (Protokolle, Vereinbarungen, Verträge)
Weiterhin nennt er die vier Grundregeln, die das Verhandlungsgeschick von MediatorInnen bestimmen sollen:
- Menschen und Problem getrennt voneinander behandeln
- Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen
- Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil entwickeln
- Auf der Anwendung objektiver Kriterien und Maßstäbe bestehen
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Je nach Konflikt ist eine unterschiedliche Sitzungsanzahl notwendig.
Bei Mehrparteienmediation z.B. im Bereich der Umwelt- oder Gemeinwesenmediation müssen mehrere Gruppen bzw. Streitparteien in den Mediationsprozess einbezogen werden. Dies geschieht in der Regel nach dem Stellvertreterprinzip. Hierfür sind mehrere Gespräche im Vorfeld notwendig.
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Alle von einem Konflikt betroffenen BürgerInnen, Kommunen und Bürgerinitiativen, Verbände, Interessengruppen etc.
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Das Mediationsverfahren zielt darauf ab, dass die unterschiedlichen Interessengruppen ein Verständnis für das Anliegen der jeweils anderen Gruppen gewinnen.
Aus diesem Verstehen heraus wächst die Bereitschaft, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten tragbar ist und nicht eindeutige Gewinner und Verlierer produziert.
Im Rahmen eines Mediationsverfahrens können durch die Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen ganz neue Lösungen entstehen, zu deren Umsetzung alle etwas beitragen.
Die Einhaltung der Vereinbarungen eines Mediationsverfahrens sollten ständig überprüft werden. Eventuell müssen weitere Mediationsgespräche angehängt werden.
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Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Qualitätskriterien eines Mediationsverfahrens erfüllt werden (politischer Wille, Verbindlichkeit der Ergebnisse, Ergebnisoffenheit, Fairness, kompetenter Diskurs etc.). Das Verfahren der Mediation sollte nicht dazu mißbraucht werden, um vorgefertigte Lösungen unter dem Deckmantel der 'Bürgerbeteiligung' durchzusetzen.
Mit dem Begriff der Mediation wird z.T. ungenau und mißbräuchlich vorgegangen.
Teile des Verfahrens der Mediation bzw. das Vorgehen nach den genannten Phasen können in Konflikten der räumlichen Planung eine gute Grundlage für die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen darstellen.
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An dieser Stelle werden auch Anwendungsbeispiele genannt, die die Voraussetzungen der Mediation nur teilweise erfüllen, d.h. nicht alle Qualitätskriterien des Mediationsverfahrens erfüllen.
1990-97 Vermittlungsverfahren zur Altlast Sonderabfalldeponie Münchehagen/Niedersachsen (Info: Anhelm, Fritz; Hammerbacher, Ruth (Hrsg.), Loccum-Rehburg, 1999)
1991-93 'Heidelberger Verkehrsforum' - Mediationsverfahren und Runder Tisch in der Verkehrsplanung (Info: www.sellnow.de)
April 1998 Februar 1999: Runder Tisch 'Interkommunales Gewerbegebiet Hechingen-Bodelshausen' (Info: Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg (Hrsg.), Stuttgart, 2000)
1998-2000 Mediationsverfahren zum Flughafenausbau Frankfurt/Main (Info: Mediationsgruppe, Flughafen Frankfurt (Hrsg.), Frankfurt, 2000)
2000 'Das Wiener Platz Forum' ein Mediationsverfahren zur Umgestaltung des Wiener Platzes in München (Info: www.sellnow.de)
2001 Mediationsverfahren zwischen AnwohnerInnen und Jugendliche in der Altstadt von Bensheim (Info: Infoblatt Mediation / Herbst 2001)
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Zur angegebenen Literatur finden Sie in der Bibliothek jeweils eine kurze Beschreibung
Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg (Hrsg.): Umweltmediation in Theorie und Anwendung, Stuttgart, 2000.
(Download des Textes unter www.ta-akademie.de)
Anhelm, Fritz, Erich, Hammerbacher, Ruth (Hrsg.): Das Vermittlungsverfahren 'Münchehagen-Ausschuss' zur Altlast SAD Münchehagen. Abschlussbericht und Dokumentation der Stellungnahmen der Beteiligten, Loccumer Protokolle 32/99, Loccum-Rehburg, 1999.
Mediationsgruppe, Flughafen Frankfurt (Hrsg.): Bericht zur Mediation zum Flughafenausbau Frankfurt/Main, Frankfurt, 2000.
Selle, Klaus: Planung und Kommunikation. Wiesbaden/Berlin, 1996 (eine Kurzbeschreibung des Mediationsverfahrens ist unter www.stadtteilarbeit.de einsehbar).
Striegnitz, Meinfried (Hrsg.) (1991): Um den Konsens streiten - Neue Verfahren der Konfliktbearbeitung durch Verhandlungen. Dokumentation der Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 21. bis 23. April 1989, Rehburg-Loccum.
Wagner, P.; Knieling, J.; Fürst, D.: Plan-Schlichtungsverfahren. Ein Beitrag zur Lösung von Flächennutzungskonflikten in der Bauleitplanung. Beiträge zur räumlichen Planung H. 54, Institut für Landesplanung und Raumforschung, Hannover, 1998.
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