Bewegst Du Dich nur, oder trainierst Du schon?
Bewegst Du Dich nur oder trainierst Du schon?
Wenn man sich abends nach der Arbeit bei noch angenehmen Temperaturen spontan dazu entscheidet „noch eine Runde joggen zu gehen“, kann man dann bereits von Training reden? Der Begriff „trainieren“ ist nach dem Duden erst im 19. Jahrhundert und hier im Pferdesport bezeugt. Vergleichbare Begriffe tauchen auch im Englischen und im Französischen auf und werden auf das lateinische „traginare“ zurück geführt. Im übertragenen Sinne ist hier das aufziehen und erziehen gemeint, das sich auch in dem Alltagsbegriff „Trainee“ Zögling oder Auszubildender wiederfindet. Trainees sind heutzutage in vielen Firmen beschäftigt.
Der Trainingsbegriff findet daher auch außerhalb des Sports - etwa beim Sprechtraining, Fahrertraining, Datingtraining, usw. Verwendung. In allen Fällen geht es dabei um eine zeitlich begrenzte systematische Vorgehensweise mit einem festen Ziel. Insofern versteht man unter Sportlichem Training eine planmäßige und systematische Durchführung von Maßnahmen durch und im Sport mit dem Ziel einer kontrollierten Einwirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit bzw. der Optimierung von Voraussetzungen, um zukünftigen Belastungen standzuhalten. Die spontane Entscheidung, kurz vor dem Abendessen „noch eine Runde joggen zu gehen“ kann danach nicht als sportliches Training betrachtet werden, wenn dort ein sowohl das planmäßige Vorgehen als auch ein konkretes Ziel fehlen.
Obwohl der Trainingsbegriff erst im 19. Jahrhundert auftaucht, wurde offensichtlich auch schon für die antiken Olympischen Spiele trainiert. So beschreibt Philostratos in seiner Abhandlung „Über die Gymnastik“ das traditionelle griechische Vorgehensweise bei Athleten als einen viertägigen Zyklus, der als Tetrade bekannt ist. Der erste Tag diente der Vorbereitung des Athleten, der zweite der Anstrengung, der dritte der Entspannung und der vierte einem mittelschweren Training. Die Übungen des ersten Tages beinhalteten kurze, intensive Bewegungen, die den Sportler auf das harte Training am nächsten Tag vorbereiten. Der zweite und anstrengendste Tag beinhaltete einen umfassenden Wettkamptest. Am dritten Tag wurden dann nur noch moderat intensive Übungen durchgeführt, während der Athlet am letzten Tag spezielle Bewegungstechniken übte, etwa beim Ringen, Griffe des Gegners zu brechen und den Gegner daran zu hindern, sich zu lösen.
Philostratos kritisiert das statische Vorgehen im Tetraden-System, da der Trainer dort nicht auf die individuellen Bedürfnisse des Athleten, seine möglicherweise unvorteilhafte Ernährung, seine Müdigkeit oder mangelnde Konzentration eingeht. Zur Erläuterung berichtet Philostratos von dem Fall des Ringers Gerenos aus Naukratis, der zur damaligen Zeit einer der besten Ringer war. Dieser feierte zwei Tage nach einem Olympiasieg ein Festmahl für einige seiner Freunde, wobei er üppiger aß, als er es gewohnt war, was ihn schließlich um den Schlaf brachte. Als er am nächsten Tag in die Sporthalle kam, gestand er seinem Trainer, dass er unter Verdauungsstörungen litt und sich unwohl fühlte. Der Trainer wurde wütend und war gereizt, weil er sein Training lockern und die Tetraden unterbrechen musste. Aus Unwissenheit zwang er Gerenos Übungen auszuführen, die diesen schließlich so überanstrengten, dass er verstarb. Der Bericht von Philostratos ist historisch nicht gesichert, da die Geschichte von Gerenos und sein Olympiasieg in keinem anderen antiken Text erwähnt wird.
Heutige Profisportler trainieren in einem professionellen Umfeld. Ein Betreuer massiert ihn vor und nach dem Wettkampf, ein Trainer oder Coach bestimmt seinen Trainingsplan und seine Ernährung, und ein Sportarzt überwacht seine körperliche Verfassung. In der Antike war das ganz ähnlich.
Masseure, Trainer und Ärzte wurden in der Antike von Trainingszentren - sogenannten Gymnasien - und sogar von einzelnen Spitzensportlern beschäftigt. Es gab zwei Arten von Trainern: die "paidotribes" und die "gymnastes". Während sich der paidotribes (griech. "der, der die Jungen massiert") eher um die praktischen Fragen des Training kümmerte (z. B. brachte er den Athleten die verschiedenen Griffe beim Ringen bei), war der gymnastes eher mit Fragen zu richtigen Trainingsmethodik und zur Ernährung beschäftigt. Er war Theoretiker und besaß ein breites Wissen darüber, welche Trainingsmethoden und welche Ernährung sich am besten für den Athleten eignen. Letzlich stand den Athleten der Antike auch ein ärztlicher Berater zur Seite, die für die Physiotherapie, Heiltränke, Einspritzungen und spezielle Pflaster zuständig war.
Bei dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot wird Iccus of Tarentum (Gewinner des Pentathlons in 476 v.Chr.) als berühmtester Trainer seiner Zeit beschrieben. Bei Philostratos ist die Geschichte von Kallipateira (in anderen Quellen auch Pherenike) beschrieben, die in Olympia als Trainerin ihres Sohnes Peisirodos, eines Olympiasigers im Faustkampf, auftrat. Dabei war die Teilnahme an den Olympischen Spielen der Antike Frauen (auch als Zuschauerinnen) bei Todesstrafe verboten. Kallipateira soll so muskulös gewesen sein, dass ihr weibliches Geschlecht zunächst nicht festgestellt wurde. Sie soll sich als männlicher Trainer verkleidet eingeschlichen haben, um ihrem Sohn beim Boxkampf zuzusehen. Als Peisirodos siegte, wurde die überglückliche Mutter unvorsichtig. Sie übersprang die Absperrung und wobei sich im Überschwang der mütterlichen Gefühle zum Sieg ihres Sohnes die Kleidung löste und zu Boden fiel. Der Skandal war perfekt, doch man ließ Gnade vor Recht ergehen, weil Vater, Brüder und der Sohn von Kallipateira allesamt olympische Siege errungen hatten. Dennoch zog man aus dem Vorfall Konsequenzen. Künftig mussten nicht nur die Athleten, sondern auch die Trainer nackt zum Wettkampf erscheinen.
Obwohl verheiratete Frauen bei den Olympischen Spiele weder zuschauen noch aktiv teilnehmen durften, konnten sie dennoch Olympiasiegerinnen werden. Bei den Wagenrennen wurde nämlich nicht der Wagenlenker, sondern der Besitzer des Gespanns als Sieger ausgerufen. Und das konnte auch eine Frau sein. Nur besonders wohlhabende Personen ließen Pferdegespanne nach Olympia transportieren und dort starten. Die erste bekannte Gewinnerin ist Kyniska, die Schwester eines Königs von Sparta. Sie siegte im Jahr 396 vor Christus mit dem Fohlen-Viergespann.