Die Raumkonzeption im Hohelied
Projektleitung: Prof. Dr. Ilse Müllner
Projektmitarbeiterin: Yvonne Thöne
Laufzeit: angelegt auf insgesamt vier Jahre ab September 2007
Drittmittel: Landesmittel (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Forschungsschwerpunkt „Fokus Geschlechterdifferenzen“)
Das Hohelied erzählt von Liebe und Erotik, von Anziehung und Faszination, aber auch von Enttäuschung und Gewalt. Nicht nur durch die offene Erotik überrascht diese Sammlung von Liebesliedern, sondern auch durch ihre starken und dominanten Frauenfiguren. Sie sind – im Kontrast zu den meisten anderen alttestamentlichen Texten – aktive, initiative und redegewandte Hauptpersonen.
Das Hohelied ist durchzogen von zahlreichen Raumangaben und –wechseln, welche der Dichtung eine starke Dynamik verleihen und vielfältige Assoziationen wecken. Die Liebenden treffen sich im Garten oder auf dem Feld, sie singen von Weinberg und Wüste und träumen von der nächtlichen Stadt oder den intimen Gemächern. Auch Berge und Hügel, das Haus der Mutter, Gassen und Straßen usw. sind Schauplätze im Hohelied. Darüber hinaus finden sich auch zahlreiche geographische Räume (wie z.B. Jerusalem, Libanon, Scharon, Zion, Gebirge Gilead) in der Dichtung.
Das Projekt möchte diesen Räumen und ihren geschlechtlichen Konnotationen auf die Spur kommen. Es soll untersucht werden, in welchen anderen biblischen Texten diese Räume Schauplatz sind, in welchem Zusammenhang diese erscheinen und wie sie dort konnotiert sind. Der Garten beispielsweise, ein dominantes Motiv im Hohelied, ist deutlich geschlechtlich besetzt: Er steht für die Frau an sich bzw. die weibliche Sexualität. Das Feld hingegen ist gemeinhin als Ort männlicher Gewalt markiert (vgl. etwa Kains Brudermord in Gen 4), während es im Hohelied als ein Ort heimlicher Liebe erscheint.
Zugunsten einer detaillierten Systematik und um Aufschluss über Häufungen oder besonderes Vorkommen von Räumen zu erhalten, werden Kategorien für diese erarbeitet. Das Projekt Raum und Geschlecht im Hohelied hat sich zur Aufgabe gemacht herauszufinden, inwieweit diese Räume geschlechtlich besetzt sind, um so einen Bedeutungszuwachs zum alttestamentlichen Frauenbild, zu Geschlechterdifferenzen und Rollenklischees zu erhalten und geschlechtskonnotierte Raumsymboliken aufzudecken.
Stand: 24. August 2008