Prä­am­bel und Ziel­stel­lung

Das KDEE

Das Kompetenzzentrum für Dezentrale Elektrische Energieversorgungstechnik (KDEE) an der Universität Kassel wurde 2008 durch Ministerin Kühne-Hörmann (CDU) eingeweiht und im Januar 2009 als eigene Struktureinheit der Universität Kassel eingerichtet. Seither vollzog sich zunächst mit dem Fachgebiet Elektrische Energieversorgungssysteme (heute Fachgebiet Leistungselektronik) eine gemeinsame Entwicklung. Diese Entwicklung wurde mit der Berufung von Prof. Dr.-Ing. Martin Braun im Jahr 2012 durch das Fachgebiet ‚Energiemanagement und Betrieb elektrischer Netze‘ (e²n) und 2015 mit Prof. Dr.-Ing. Albert Claudi (Fachgebiet Anlagen und Hochspannungstechnik, AHT) und Prof. Dr. rer. nat. Clemens Hoffmann (Fachgebiet Integrierte Energiesysteme, INES) ergänzt, um den Forschungsschwerpunkt Energiesystemtechnik in Nordhessen zu stärken.

Die Themen „Nutzung erneuerbarer Energiequellen“ und „Schonung von Ressourcen durch Effizienzsteigerung“ sind aktueller denn je. Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung sind treibende Kräfte in der Transformation der Energiesysteme.

 

 

Neue Zielstellungen

Ursprünglich stand bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen die Bereitstellung von Wirkleistung mit höchster Effizienz im Fokus des Interesses. Viele systemtechnische Fragestellungen kommen jetzt hinzu. Aus Netzen, die durch große elektrische Maschinen dominiert wurden, werden Netze mit immer stärkerer Prägung durch leistungselektronische Energiewandler und volatile Energieflüsse. Je höher der Anteil volatiler Erzeuger an der installierten Gesamtleistung ist, desto stärker rücken auch Fragestellungen nach der Sicherung der Stabilität und Qualität der Netze in den Vordergrund. Hier sieht das KDEE zukunftssichernde Aufgabenfelder bei der Gestaltung des technischen Systems durch die Entwicklung von Stellgliedern, geeigneter Automatisierungstechnik und durch ein Regelwerk für die Interaktion der vernetzten energietechnischen Komponenten.

 

Der Zubau von dezentralen Elektroenergieerzeugern konnte bis ins Jahr 2010 wegen des noch relativ geringen Anteils bei flächiger Verteilung kaum wirkliche negative Auswirkungen haben. Durch die hohe Wachstumsrate beim Zubau dezentraler Energieeinspeiser hat sich diese Situation grundlegend geändert. Die häufig in der Öffentlichkeit durchgeführte Betrachtung von kumulierten Werten führt hier im Einzelfall nicht zu sinnvollen Lösungen. Verbrauch und Einspeisung von Energie in das elektrische Netz sind sowohl räumlich als auch zeitlich weitgehend unkorelliert. Gleichzeitig ist das Verbundnetz keine „kurze Kupferplatte“, sondern bildet ein „flächenhaftes“ elastisches System mit einer horizontalen Ausdehnung von mehreren 1000 km. Es gibt zusätzlich auch eine „vertikale“ Ausdehnung durch die lokale hierarchische Ordnung der Übertragungs- und Verteilnetze in verschiedene Spannungsebenen mit jeweils eigener Netztopologie.

 

Weiterer Zubau setzt Systemkenntnis und Koordination voraus. Hierfür sieht sich das KDEE von der Seite der Grundlagenforschung über die Entwicklung neuer Prinziplösungen für Stellglieder und Systemkomponenten bis zu Fragen der Netzregelung, Qualitätssicherung und damit der technischen und wirtschaftlichen Optimierung der Auslegung und Regelung dezentraler Energiesysteme in der Verantwortung.

 

Weiterführende Forschung

Im Kontext der Digitalisierung spielen Open Source, Plattformen und künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, die auch am KDEE einen Schwerpunkt darstellen. Am KDEE wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer IEE mit pandapower (www.pandapower.org) eine inzwischen weit verbreitete neue Open Source Plattform für Netzberechnungen und Netzoptimierungen entwickelt und damit ein Grundstein für verschiedene Softwarelösungen zur Netzanalyse und Netzoptimierung schaffen. Der zunehmend relevante Plattformgedanke wird auch durch die Co-Simulationsumgebung OpSim (www.opsim.net) für die Analyse der Wechselwirkung von Softwarekomponenten in komplexen Energiesystemen fortgeführt. Neben klassischen Methoden der Optimierung werden auch Methoden der künstlichen Intelligenz für zahlreiche Bereiche elektrischer Netze (z.B. Modellbildung, Analyse, Zustandsschätzung, Planung, Betriebsführung) weiterentwickelt.

 

Das Streben nach Energiewandlung mit höchster Effizienz zur Reduktion von CO2-Emissionen und Kostensenkung überträgt sich aus dem Bereich der Erneuerbaren Energietechnik zunehmend auch in andere Bereiche. Neben der Wärmeversorgung durch Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmepumpen ist ein weiteres wichtiges Beispiel dafür der Automobilbau – mit oder ohne elektrischen Antrieb. Vermiedene Verluste bedeuten vermiedene Aufwendungen für Kühlung, geringere Masse und größere Reichweiten. Um diese Entwicklung voranzubringen, wirken das KDEE und seine Fachgebiete auch gleichzeitig im Forschungsverbund Fahrzeugsysteme (FAST) der Universität Kassel mit. Auch in der Industrieautomation, der Beleuchtungstechnik und der Medizintechnik führen Energieeinsparungen zu Kostenvorteilen, so dass hier weitere „spin offs“ der bisherigen Forschungstätigkeiten zu erwarten sind.

 

Der deutlich erkennbare Trend, dass seit einigen Jahren immer mehr Interessenten für ein energietechnisches Studium zu verzeichnen sind, ist sehr erfreulich. Auch der Trend, einen merklich höheren Anteil als früher zum Master zu führen, ist an dieser Stelle hervorzuheben. Durch das KDEE werden eine Vielzahl klassischer und neuer energietechnischer Themen in Lehrveranstaltungen aufbereitet vermittelt, um den Nachwuchs für die systemtechnische Gestaltung der Energieversorgung der Zukunft zu sichern.

 

Es war daher eine weit vorausschauende Entscheidung des Landes Hessen durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, gemeinsam mit der Universität Kassel, Wissenschaft und Forschung in diesen Bereichen durch Förderung und enge Kooperationsbeziehungen mit der Industrie auszubauen.

 

Eingliederung in Kasseler Forschungswelt

Das KDEE ist durch personelle Verknüpfung der Fachgebiete e²n und INES mit dem Fraunhofer IEE in einer engen Kooperation verbunden, so dass die Kompetenzen der führenden regionalen Forschungseinrichtungen im Themenfeld der dezentralen elektrischen Energieversorgung optimal aufeinander abgestimmt werden können, um mit dieser Standortstärke gemeinsam die Energiewende in Nordhessen, national und international voranzubringen.

 

Die Mitarbeiter und Studenten von KDEE fühlen sich der weiteren Stärkung der Zusammenarbeit der Universität Kassel mit anderen wissenschaftlichen Institutionen wie dem Fraunhofer IEE und Wirtschaftspartnern sowie der internationalen Sichtbarkeit ihrer Leistungsfähigkeit auf dem Gebiet nachhaltiger Energieversorgung verpflichtet und danken ihren Förderern und Kooperationspartnern auf das Herzlichste.
 

Thematische Schwerpunkte des Zentrums

  • Erforschung und Entwicklung von neuen Systemelementen und Strukturen für die dezentrale Bereitstellung von elektrischer Energie in einem öffentlichen Versorgungssystem sowohl im Verbund als auch in isolierten Inselnetzen

  • Entwicklung von Grundsatzlösungen für Geräte, Anlagen und Systeme zur dezentralen Bereitstellung von Strom und Wärme zur effektiven Nutzung aller ökonomisch sinnvollen Energieressourcen

  • Erforschung und Entwicklung von Konzepten und technischen Lösungen für integrierte Lösungen zur gleichzeitigen Nutzung verschiedener Energieressourcen in Blockheizkraftwerken, PV-Solaranlagen, Brennstoffzellen mit und ohne Speichereinbindung

  • Regelung und Betriebsführung von vernetzten Energielieferanten und Energiespeichern in mobilen Systemen und Bordnetzen

  • Ausbildung hoch qualifizierter und promovierter Ingenieure der Energietechnik.