Zurück

Magersucht, ein oft verkanntes Problem, das auch im Sport auftritt

Inhaltsangabe bei Metadaten

Magersucht, ein oft verkanntes Problem, das auch im Sport auftritt

Magersucht ist eine schwerwiegende und meist Jahre andauernde Essstörung, von der vornehmlich Mädchen in der Pubertät betroffen sind. In deutlich weniger Fällen können auch Jungen und erwachsene Frauen an Magersucht leiden. Man schätzt, dass rund eines von 1000 Mädchen zwischen dem 14. und dem 19. Lebensjahr an Magersucht erkranken wird. Davon tritt in vier von fünf Fällen bei sachgerechter Behandlung auch wieder eine Heilung ein. In einem von 10 Fällen jedoch versterben die betroffenen Jugendlichen an der Krankheit. Damit stellt die Magersucht die psychische Erkrankung dar mit der höchsten Sterblichkeit dar! Die Ursachen der Magersucht sind noch nicht geklärt. Fachleute gehen hier von einem Zusammenwirken mehrerer Faktoren aus, wobei die Pubertät, eine überbehütete Kindheit, Vereinsamung sowie insbesondere auch Anleitungen zum Abnehmen im Internet eine Rolle spielen. Durch die Corona Pandemie ist das Auftreten von Magersucht Studien zufolge nochmals deutlich angestiegen. Die dort berichteten Zunahmen reichen von 20% bis zu 100%. Über Magersucht und deren diverse Ursachen wurde in der Presse bereits verschiedentlich berichtet (z.B. https://www.faz.net/-guw-7ne3h oder https://www.spiegel.de/gesundheit/magersucht-ichhoffe-auf-tage-an-denen-ich-mich-akzeptieren-kann-eine-betroffene-16-jaehrige-erzaehlt-a85d423ad-7bcc-49c7-be2d-2991f4ade0b9). Bislang selten oder gar nicht wurde dabei über die familiären Belastungen berichtet, die im Zuge einer z.T. jahrelangen Genesung auftreten. Sofern ein Teenager an Magersucht erkrankt, stehen je nach Schwere der Erkrankung und nach dem Ausmaß des Gewichtsverlusts stationäre und ambulante Behandlungen zur Verfügung. In der ambulanten Behandlung werden u.a. tiefenpsychologische Therapien und kognitive Verhaltenstherapien empfohlen, die viele Jahre andauern können. Im Vordergrund steht dabei durch Gespräche, den Ursachen der Erkrankung auf den Grund zu gehen. Von besonderer Bedeutung ist es dabei anfangs, die massiven Ängste der betroffenen Jugendlichen vor einer unkontrollierten Gewichtszunahme oder vor sozialen Kontakten mit anderen Jugendlichen zu zerstreuen, um ihnen wieder eine annähernd normale und ausgewogene Nahrungszufuhr zu ermöglichen. Sofern der Gewichtsverlust der Teenager bereits weit fortgeschritten ist und eine organschädigende oder lebensbedrohliche Abmagerung vorliegt, ist die Einweisung in eine Spezialklinik für Essstörungen oft unumgänglich, um durch eine strenge Überwachung und Planung eine schnelle Wiederherstellung des Körpergewichts einzuleiten. Dortige Aufenthalte können jedoch für die erkrankten Jugendlichen, die dem familiären Umfeld entrissen werden, auch zu traumatischen Erfahrungen führen, zumal viele Betroffene auch vor der vollständigen Wiederherstellung des Körpergewichts die Kliniken verlassen. Die nach Studienlage größten Behandlungserfolge werden dem familiär-basierten Behandlungskonzept (engl. FBT = Family-Based-Therapy) zugeschrieben. Der auch als Maudsley Methode bekannte Therapieansatz wurde in den 1970er und frühen 80er Jahren am MaudsleyHospital in London entwickelt, wobei die Teenager in den Familien verbleiben und dort unter Anleitung geschulter Fachleute betreut werden. In wenigen Einrichtungen weltweit wird der FBT-Ansatz auch in Rehabilitationszentren praktiziert, in denen die Familien in speziellen Wohneinheiten untergebracht werden. Der Therapieansatz ist in drei Stufen gegliedert und sieht zunächst eine schnelle Wiederherstellung eines normalen Körpergewichts vor, wobei die Eltern die komplette Kontrolle über die Nahrungsaufnahme übernehmen und die Jugendlichen dem auch folgen müssen, was in vielen Fällen zu sehr großen Konflikten führt. Menschen, die unter einer Magersucht leiden, nehmen ihren Körper oft trotz starker Abmagerung als dick wahr und verweigern oder reduzieren aus Furcht vor Gewichtszunahme – bzw. dem Wunsch nach Gewichtsverlust – die Aufnahme von Nahrung erheblich. Durch die Abmagerung verliert nicht nur der Körper, sondern auch das Gehirn an Masse. Studien zeigen, dass dieser insbesondere im Stirnhirn auftritt, das für die Verhaltenskontrolle und das rationale Denken zuständig ist, was die Konflikte innerhalb der Familien bei einer familienbasierten Therapie noch verschärft. Hier sind psychische Zusammenbrüche der magersüchtigen Teenager nicht selten, die nicht selten in schlimmen Beschimpfungen der betreuenden Eltern und Geschwister münden. In solchen Fällen ist dann nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen ein Schulbesuch nicht mehr möglich. Fachleute gehen davon aus, dass sich die psychischen Zusammenbrüche und die eingeschränkte Verhaltenskontrolle erst mit der Wiederherstellung des Körpergewichts durch die Gesundung des Gehirns stabilisieren. Sobald die betroffenen Jugendlichen ihr normales Körpergewicht sowie die Kontrolle über ihr Verhalten wiedererlang haben, geht die FBT in eine zweite Behandlungsstufe über, wobei die Jugendlichen zunächst langsam mit Hilfe der Eltern und TherapeutInnen an eine selbst bestimmte Nahrungsaufnahme gewöhnen, bevor sie sich danach in einer dritten und letzten Stufe wieder an ein normales Leben anpassen. Unglücklicherweise besitzen in Deutschland nur die wenigsten ÄrztInnen oder TherapeutInnen ausreichende Fachkenntnisse, um durch einen familienbasierten Ansatz unter Berücksichtigung der individuellen psychischen Situationen eine systematische Widerherstellung des normalen Körpergewichts zu gewährleisten. Eine für viele Familien oft letzte Rettung bieten angeleitete Selbsthilfevereine (z.B. Netzwerk-Magersuchteltern.de), die über Internet-Chat Gruppen den Eltern bei psychischen Zusammenbrüchen ihrer Kinder zur Seite zu stehen und mit Hinweisen über Nahrungsfette und Öle das Körpergewicht der betroffenen Kinder zu steigern. Die oft hilflosen Familien finden hier eine wichtige Anleitung und moralische Unterstützung, um mit den alltäglich belastenden Auseinandersetzungen mit ihren erkrankten Kindern umgehen und den oft monate- bis jahrelangen Genesungsprozess bewältigen zu können. Auch im Sport treten Fälle von Magersucht auf und hier insbesondere in Sportarten auf, wie z.B. dem Langstreckenlauf oder der Rhythmischen Gymnastik, in denen ein verringertes Körpergewicht den Wettkampferfolg begünstigt. Auch Balletttänzerinnen sind überzufällig oft von Magersucht betroffen. Man spricht in diesem Zusammenhang bei weiblichen Sportlerinnen von einer triadischen Beziehung (engl. Female Athlete Triad), wenn mit der Gewichtszunahme die Periode aussetzt, die Östrogenspiegel absinken und sich damit das Risiko von Osteoporose und Knochenbrüchen erhöht. Diesem Problem kann dann nur durch eine rasche Gewichtszunahme begegnet werden, um insbesondere die hormonellen Störungen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Zurück