12/24/2021 | UB-Meldung

Freun­de der Bi­blio­thek er­mög­li­chen An­käu­fe von sel­te­nen Louis-Sp­ohr-Ma­nu­skrip­ten

Image: UB Kassel
Wertvolle Manuskripte: Einige der neuen Erwerbungen. Foto: Uni Kassel

Dank der finanziellen Unterstützung von Freunden und Förderern konnte die umfangreiche Spohr-Sammlung der Universitätsbibliothek Kassel durch mehrere Auktionsankäufe erweitert werden. Bei den 2020 und 2021 angekauften Objekten handelt es sich um zwei eigenhändige Blätter aus Musikmanuskripten, mehrere Briefe und den sehr seltenen Erstdruck einer Sonate Spohrs.

Musikmanuskripte

Erworben wurde ein Blatt mit 23 Takten aus dem Schlussteil des ersten Satzes sowie dem leicht von der Fassung des Erstdrucks abweichenden Anfang des Scherzos aus dem 2. Klaviertrio (op. 123) von 1842. Das Manuskriptblatt war einige Jahre nach dem Tod Spohrs von seiner Witwe an den Hamburger Pianisten Emil Krause verschenkt worden, der als Musiklehrer und -Kritiker wie auch als Herausgeber von Klaviermusik und mit erfolgreichen eigenen Kompositionen einen festen Platz im Hamburger Musikleben besaß. Krause schenkte den Autographen im Juni 1915 der Hamburger Pianistin Christiane Orth.

Signatur: 2° Ms. Mus. 1517
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1626425425793/1/LOG_0000/

In Ergänzung zu dem bereits vorhandenen mehr als einhundert Briefe umfassenden Briefwechsel zwischen Louis Spohr und dem englischen Librettisten Edward Taylor wurde ein Anfang 1840 entstandenes Blatt mit dem ersten Entwurf einer Tenorarie aus dem Oratorium „Der Fall Babylons“ (WoO 63) erworben. Diese Komposition geht zurück auf den Kontakt zwischen Spohr und dem Librettisten Edward Taylor, der ihm ein englisches Libretto zu „Babylon“ anbot, als Spohr im Herbst 1839 auf dem Musikfest in Norwich sein Oratorium „Die letzten Dinge“ in Taylors englischer Übersetzung zur Aufführung brachte. Da Spohr kein Englisch verstand, fertigte der Kasseler Jurist und Publizist Friedrich Oetker eine deutsche Übersetzung an, die Spohr seiner Komposition zugrunde legte. Im Sommer 1840 übersandte Spohr das fertige Oratorium an Taylor, der daraufhin eine englische Rückübersetzung fertigte. Während die deutsche Fassung erstmals am Karfreitag 1842 in kleinem Kreis in Kassel aufgeführt wurde, fand die eigentliche Uraufführung in englischer Sprache erst im Herbst 1842 auf dem Musikfest von Norwich statt.

Signatur: 2° Ms. Mus. 1515
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1635405568851/1/LOG_0000/

Briefe

Der jetzt erworbene Brief an Karl Joseph Kinderfreund, Komponist und Musikpädagoge in Prag, enthält Spohrs Antwort auf ein Schreiben Kinderfreunds, das sich bereits seit Längerem im Bestand der Bibliothek befindet. Darin erbat Kinderfreund Auskunft über Heinrich Herdtmann, der sich auf eine kurzfristig in Kinderfreunds Konservatorium frei gewordene Lehrerstelle beworben hatte. Spohr antwortete am 13. November 1841 mit dem vorliegenden Empfehlungsschreiben für seinen ehemaligen Schüler.

Signatur: 4° Ms. hist. litt. 15[523
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1625213341117/1/LOG_0000/

Auch der Brief Spohrs vom 27. März 1856 an den jungen Bernhard Scholz ist der Gegenbrief zu einem Schreiben aus einem kleineren Briefwechsel, der sich bereits im Kasseler Bestand befindet. Spohr entsprach hiermit dem Wunsch von Scholz, ihm seine erste im Druck erscheinende Sonate für Geige und Klavier (op. 3) widmen zu dürfen, nachdem dieser auf Spohrs Anraten ein Jahr lang intensiv Kontrapunkt- und Kompositionslehre (in Berlin) studiert hatte. Bernhard Scholz war der Sohn eines reichen Mainzer Verlegers und Druckers, der sich dem Wunsch des Vaters widersetzt hatte, dessen Geschäft zu übernehmen. Er war 1855 in Kontakt mit Spohr getreten und hatte ihm selbstkomponierte Lieder zugeschickt, die Spohr sehr positiv aufgenommen hatte.

Signatur: 4° Ms. hist. litt. 15[524
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1625213484434/1/LOG_0000/


Teil eines insgesamt sehr umfangreichen und sich über mehr als vier Jahrzente erstreckenden Briefwechsels zwischen Spohr und dem um einige Jahre jüngeren Komponisten und Musikmäzen Wilhelm Speyer, ist der inhaltsreiche Brief Spohrs vom 16. Mai 1838. Hierin kündigte Spohr die Übersendung von Partitur und Stimmen seines jüngst komponierten „Vater unser“ (WoO 70) nach dem Gedicht von Friedrich Gottlieb Klopstock an, welches er für das Sängerfest in Frankfurt (1838) für eine größere Besetzung umgearbeitet hatte. Zugleich erbat Spohr in diesem Brief Partitur und Orchesterstimmen des ‚Paulus‘ vom Cäcilienverein in Frankfurt für eine erneute Aufführung zugunsten der Orchesterwitwenkasse an Pfingsten, nachdem eine erste Aufführung des Oratoriums an Karfreitag 1838 in der Kasseler Garnisonskirche großen Anklang gefunden hatte.

Signatur: 4° Ms. hist. litt. 15[522
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1625213180436/1/LOG_0000/


Erstdruck

Ebenfalls aus dem Jahr 1842 stammt ein sehr seltener französischer Erstdruck der „Sonate concertante. op. 115“ für Harfe u. Klavier bzw. Violine und Cello in G-Dur. Es handelt sich hierbei um eines der ursprünglich um 1810 für Harfe und Violine entstandenen, jedoch erst 1840/41 in Hamburg veröffentlichten Duos, die Spohr für Konzertauftritte mit seiner 1834 verstorbenen ersten Frau Doretta komponiert hatte.

Signatur: 2° Mus. 1516
ORKA: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1634723660442/1/LOG_0000/

Sämtliche Originale sind bereits digitalisiert und über das Onlinearchiv ORKA der UB Kassel weltweit und kostenfrei recherchierbar.

Louis Spohr

Louis Spohr (geboren 1784) wurde 1822, nach festen Engagements als Violinist und Dirigent in Braunschweig, Gotha, Wien, Frankfurt und Dresden sowie zahlreichen Konzertreisen durch Europa, als Hofkapellmeister nach Kassel berufen. In Kassel wirkte er bis zu seinem Tod 1859 und formte das Kasseler Musiktheater innerhalb kürzester Zeit zu einem der besten in Mitteleuropa. Auch als Komponist und Geigenlehrer leistete er europaweit Bedeutendes. Daneben gingen von Spohr wesentliche Impulse für die bürgerliche Musikkultur Kassels aus: er gründete verschiedene Chöre und förderte intensiv die Aufführung von Kammermusik in (halb)privatem Rahmen.