Das Fachgebiet Behinderung, Inklusion und Soziale Teilhabe lehrt und forscht aus Perspektive der Disability Studies, wie Behinderung als verkörperte Differenz in Abhängigkeit von historischen, kulturellen, sprachlichen sowie institutionellen Bedingungen, Diskursen und Praktiken, hergestellt und kategorisiert wird. Gesellschaftliche Voraussetzungen und Entwicklungen für behinderte Menschen werden vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen für ein gegenwärtiges und zukünftiges menschenwürdiges Zusammenleben analysiert.
Im Fokus von Forschung und Lehre stehen Lebenssituation und Lebensqualität behinderter Menschen: Entwicklungs- und Bildungsprozesse, Assistenz- und Pflegebedarfe, Ressourcen und Belastungen, die Verwirklichung von Selbstbestimmung und Empowerment, Gleichstellung und Teilhabe in unterschiedlichen Lebensbereichen und der gesamten Lebensspanne (u.a. Bildung, Gesundheit, Wohnen, Familie und Arbeit). Das Verständnis der Behindertenrechtskonvention (BRK), Behinderung als das Ergebnis mehrdimensionaler Wechselwirkungen zwischen individuellen Beeinträchtigungen und gesellschaftlichen einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu begreifen, wird hierbei als fundierte Orientierung herangezogen. Aus partizipationsorientierter Perspektive wird der subjektiven Einschätzung behinderter Menschen sowie ihrer Selbstvertretung hohe Bedeutung zugemessen.
Ein thematischer Schwerpunkt des Fachgebiets sind die Menschenrechte – insbesondere behinderter Menschen –, ihre Entwicklung, ihre Auslegung und ihre Umsetzung –, einschließlich des Rechts auf umfassenden barrierefreien Zugang zu Versorgungs- und Unterstützungssystemen. Zentrale Fragestellungen berühren dabei:
- Rechtsgenuss als Ausübungsmöglichkeit des Rechts (gleichberechtigter Zugang zum Recht mit anderen)
- Intersektionalität, d.h. die Verschränkung unterschiedlicher Diskriminierungskategorien wie beispielsweise Gender oder Migration/Flucht und Behinderung
- Barrieren und Barrierefreiheit
Theoretisch und praktisch ist – im Sinne der BRK – die Perspektive der Inklusion richtungsweisend, die auf eine gesellschaftliche Einbeziehung aller Gesellschaftsmitglieder unter Anerkennung ihrer Differenz zielt, wobei insbesondere gesellschaftliche Prozesse des „Behindert-Werdens“ verstärkt beleuchtet werden. Das Fachgebiet bietet grundlagen- und anwendungstheoretische Beiträge:
- wie Behinderung durch gesellschaftliche Ein- und Ausschließungspraktiken produziert und (re-)konstruiert wird
- wie Ausgrenzungsprozesse behinderter Menschen historisch, gegenwärtig und zukünftig entstanden sind bzw. entstehen und wie dies vermieden werden kann
- wie Gleichstellung und Teilhabe bisher ermöglicht werden konnten und wie dies zukünftig umfassend ermöglicht werden kann (Umsetzung der BRK).
Das Fachgebiet Behinderung, Inklusion und Soziale Teilhabe hat vielfältige Anknüpfungspunkte zu unterschiedlichen Fachdisziplinen, da es Querschnittsthemen adressiert. Die methodische und inhaltliche Herangehensweise ist daher durch einen fächerübergreifenden, inter- und transdisziplinären Zugang geprägt. Relevante Schnittstellen ergeben sich insbesondere zu folgenden Fachgebieten: Gender- und Queer Studies, Geschichte, Soziologie und Philosophie, Kunst- und Kulturwissenschaften, Inklusionspädagogik, Rechtswissenschaften, Theologie sowie Sozial- und Gesundheitspolitik. Das Fachgebiet ist entsprechenden wissenschaftlichen Fachgebieten innerhalb und außerhalb der Universität Kassel vernetzt, sowie mit relevanten Praxispartner*innen in Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen, Fachverbänden der Behindertenhilfe, pädagogischen Organisationen sowie Trägern sozialer Einrichtungen und Dienste.