Lehre Sommersemester 2017
Seminar
Mittwochs 10:00-12:00 Uhr
Nora-Platiel 6, Raum 0211
Der Hund wird häufig als der beste Freund des Menschen apostrophiert. In Literatur und Kunst, Musik und Geschichte finden sich jene Spuren, die diese Interpretation untermauern sowie von einer Reziprozität der Beziehung ausgehen. Der Hund gilt hier als Versinnbildlichung von Treue, Kameradschaft und bedingungsloser Zuneigung. Tatsächlich ist die literarische, künstlerische und auch die cineastische Hommage an Hunde fast unüberschaubar geworden. Hunde erscheinen als nicht denkbar außerhalb der menschlichen Kultur. Darüber hinaus kann jedoch auch die menschliche Kultur, wie wir sie kennen, eben nicht ohne Hunde gedacht werden. Dass dieser Fokus den Hund vor allen anderen Spezies hervorhebt, liegt an der langen Geschichte der kulturellen Ko-Evolution zwischen Mensch und Hund. Seit ungefähr 16.000 Jahren teilen sich Mensch und Hund Haus und Hof, Essen und Schlafstätte, Spiel, Spaß und Tod. In diesem Seminar werden wir diese kulturgeschichtliche Spurensuche aufnehmen und von der Antike bis zur Gegenwart die Bedeutung des Hundes für die menschliche Gesellschaft herausarbeiten. Von Argos bis Lassie und von Greyfriars Bobby bis Blondie werden einerseits anhand von konkreten Hundepersönlichkeiten die jeweiligen kulturellen Aufladungen identifiziert und historisch kontextualisiert und anderseits mit den sich ändernden Funktionen des Hundes, vom Jagdhelfer zum Hirte- und Ziehhund, zum Wach- und Haushund abgeglichen. Die Ergebnisse dieser Spurensuche sollen in Form von Podcasts veröffentlicht werden.
Podcasts als Mittel historischer Vermittlung werden insbesondere in Bildungseinrichtungen wie Museen immer beliebter, da sie individuelle Abläufe und Rezeptionsmöglichkeiten für Besucher_innen bieten und hierüber sowohl die Sammlungsbestände wie auch aktuelle Ausstellungen präsentiert werden können. Im Zeitalter der digitalen Medien entstanden und entstehen damit neue Formen der Geschichtspräsentation, über die es zu reflektieren gilt. Ziel des Seminares ist es also auch, die Besonderheiten der Geschichtsvermittlung in Form historischer Podcast und des „Schreibens für das Hören“ kennen zu lernen. Auf der Basis der erarbeiteten Themen zur Kulturgeschichte des Hundes sollen selbstständig und in gemeinsamen Redaktionssitzungen Audio- oder Videopodcasts entworfen und erstellt werden. Ziel des Seminars ist es also anhand eines tierhistorischen Themas, Einblicke in die Geschichtsvermittlung zu erlangen. Das Thema der Kulturgeschichte der Hunde bietet sich für eine alternative Geschichtsvermittlung via Podcasts besonders an, da hier Alltagserfahrungen der Nutzer_innen – Hunde sind in der Gesellschaft omnipräsent – mit historischen Entwicklungen kontrastiert werden können.
Literatur zur Vorbereitung:
- Susan McHugh, Dog. Reaktion Books, 2004.
- Erhard Oeser, Hund und Mensch: die Geschichte einer Beziehung. Primus, 2004.
- Wolfgang Wippermann und Detlef Berentzen, Die Deutschen und ihre Hunde: ein Sonderweg der Mentalitätsgeschichte?. Vol. 75546. Siedler, 1999.
Podcasts zur Vorbereitung:
Seminar
Dienstags 14.00-16.00 Uhr
Moritzstr. 18, Campus Center, Raum 1118, Seminarraum 5
Die Vivisektion, also der Versuch am lebendigen Tier, gehörte im Zeitalter der Verwissenschaftlichung der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie und Physiologie, zum festen Repertoire experimenteller Forschung. Insbesondere Hunde, Katzen und Nagetiere landeten auf den Seziertischen der Wissenschaft. Daran regte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer lauter werdender Protest, angeregt auch von einer zur gleichen Zeit entstehenden Tierschutzbewegung. Diese Diskussion wurde bis in die Parlamente getragen und kulminierte im Deutschen Kaiserreich im sogenannten „Vivisektionsstreit“, der Thema dieses Seminars sein wird. Noch heftiger agitierten Aktivistinnen und Aktivisten jedoch in Großbritannien gegen Tierversuche. Die politischen Auseinandersetzungen um den Vivisection Act von 1876 inspirierte jedoch auch die deutsche Debatte. Verhandelt wurde hier allerdings nicht nur das Schicksal der Tiere, sondern ebenso die Stellung der Wissenschaft genauso wie die Rolle von Frauen in der Gesellschaft.
Anhand einer dichten Lesung von Parlamentsprotokollen, Pamphleten und Journalbeiträgen sollen in diesem Seminar Argumentationslinien, politische Lager und soziale Zuordnungen des Vivisektionsstreites in beiden Ländern identifiziert werden. Ziel ist so einerseits, tierhistorisch, Mentalitäten und soziale Zusammenhänge, Einstellungen und Perspektiven auf den Tierversuch herauszuarbeiten. Gleichsam dient das Seminar auch als eine Einführung in die historische Komparatistik, also der systematischen Gegenüberstellung von zwei oder mehreren historischen Einheiten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Annäherungen und Auseinanderentwicklungen zu erforschen. Der Deutsch-Britische Vergleich gilt als Paradebeispiel für die Methode und so soll im Seminar auch kritisch über die Möglichkeiten und Grenzen von Vergleichen reflektiert werden.
Das Seminar wird sehr quellennah arbeiten. Da die Hälfte der Quellen sowie der Sekundärliteratur in englischer Sprache verfasst sind, sind gute Englischkenntnisse unverzichtbar.
Literatur zur Vorbereitung:
- Pascal Eitler, Ambivalente Urbanimalität: Tierversuche in der Großstadt (Deutschland 1879-1914). Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2 (2009), 80-93.
- Hilda Kean, The ‘Smooth Cool Men of Science’: The Feminist and Socialist Response to Vivisection. History Workshop Journal. 40. 1 (1995), 16-38.
- Nicolaas Rupke, Vivisection in Historical Perspective. London: Croom Helm, London 1987.
- Hartmut Kaelble, Historischer Vergleich, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 14.08.2012
http://docupedia.de/zg/kaelble_historischer_vergleich_v1_de_2012