Forschungsprojekte

Die Politik der Verjüngung in der transatlantischen Hochmoderne

Dieses DFG-geförderte Forschungsprojekt untersucht die Verbreitung, Aneignung und Bedeutung von Vorstellungen und Techniken der Verjüngung in Nordamerika und Europa vom ausgehenden 19. bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während der Traum vom ewigen Leben die Menschheitsgeschichte durchzieht, entwickelte sich – so die Ausgangsthese – die Verjüngung im Windschatten eines postaufklärerischen Jugendkultes zu einem wirkmächtigen kulturellen und politischen Imperativ, der die Reparatur und Regeneration alternder, erschöpfter oder beschädigter Körper versprach. Ein zentrales Anliegen ist es, reziproke Verbindungen zwischen Verjüngungsprojekten, die auf die Revitalisierung biologischer Körper abzielten, und solchen, die sich der Erneuerung kollektiver Körper (Nationen, Imperien, internationale Ordnungen) verschrieben, aufzuzeigen. Die Bevölkerungswissenschaften, organisierte Jugendbewegungen und die Anti-Aging-Industrie, die als wichtige Trägergruppen der modernen Verjüngung identifiziert werden, bilden die drei empirischen Hauptsäulen des Projekts. Welche Formen der Verjüngung fanden unter welchen historischen Bedingungen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz? Wie ist es zu erklären, dass sich einige dieser Formen transnational rasant ausbreiteten, andere dagegen nur schleppend oder gar nicht? Welche Akteure konnten wie und auf Kosten welcher Gruppen auf die politischen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen der Verjüngung zugreifen? Wo stießen Verjüngungsvorhaben auf Kritik und Widerstand? Indem das Projekt diese Fragen in den Fokus rückt, möchte es einen Beitrag zu drei historiografischen Feldern leisten: zu einer politischen Körpergeschichte, die diskursive, visuelle und performative Elemente verknüpft; zu einer Geschichte des Alters, die „Alter“ als fluide, nichtlineare Differenzkategorie begreift; und zu einer nicht-eurozentrischen, sich postkolonialen Ansätzen öffnenden transatlantischen Geschichte.


Moral Power: Child Activism in Twentieth and Twenty-First-Century America

Dieser Forschungsschwerpunkt nimmt politische Kindheiten von der Progressive Era bis ins frühe 21. Jahrhundert in den Blick. In relationaler Anordnung soll untersucht werden, wie einerseits bestimmte Konstruktionen von Kindheit in US-amerikanischen Öffentlichkeiten seit ca. 1900 wirksam wurden, und andererseits Kinder selbst über soziale Praktiken und staatsbürgerliche Techniken (z.B. Petitionieren, Demonstrieren, Streiken) demokratische Öffentlichkeiten hervorbrachten. Drei Analyserahmen strukturieren diesen Arbeitsbereich: der erste Rahmen soll die Entwicklung ausgewählter Konzepte von childhood citizenshipverfolgen, durch die sich unterschiedliche sozialen Bewegungen im 20. Jahrhundert, von der Bürgerrechtsbewegung bis zur Neuen Rechten, moralische Autorität und generationelle Kontinuität versprachen. Der zweite Rahmen soll sich den Ambivalenzen dieser Kindheitskonstruktionen widmen und dabei auf die Frage eingehen, wie über deren intersektionale Verfasstheit (class, race, gender, age) unterschiedliche Gruppen inkludiert und exkludiert wurden. Drittens muss es aber auch – in Anlehnung an die jüngsten Klimaschutzdemonstrationen oder Schülerproteste gegen Waffengewalt in den USA – darum gehen, Kinder und Jugendliche als (semi)autonome Akteure ernst zu nehmen und deren Handlungsspielräume zwischen euphorischer Bejahung, selektiver Anpassung und offenem Widerstand gegen die politisch-pädagogischen Positionierungen der Erwachsenen auszuloten. Konservative und reaktionäre Manifestationen von childhood citizenship sollen besondere Aufmerksamkeit erfahren, da die historische Kindheitsforschung jugendlichen Aktivismus lange Zeit fast ausschließlich auf dem linkspolitischen Spektrum verortet hat. Diese Schieflage gilt es zu begradigen.


Raging Republic: Anger and Democracy in US History

Hier soll der Versuch unternommen werden, die Geschichte der US-amerikanischen Demokratie von ihren protodemokratischen revolutionären Ursprüngen im späten 18. Jahrhundert bis zu ihrer angeblichen „postdemokratischen Krise“ (Colin Crouch) im frühen 21. Jahrhundert neu zu vermessen, und zwar im Lichte einer politischen Leitemotion: Wut. Obgleich die Emotions-geschichte heute ein vitales und expandierendes Feld in der Geschichtswissenschaft ist, wurde ihr Potenzial für die Erforschung gesellschaftlicher Konflikte und politischer Mobilisierungsprozesse in den USA nur episodisch eingelöst. Kollektive Empörungswellen wie die Sezessionsbewegung in den späten 1850ern, die Red Scare in den 1920er Jahren und der McCarthyismus in den 1950er Jahren gehören zum Wissenskanon der US-amerikanischen Geschichte. Jedoch wissen wir vergleichsweise wenig über die Zusammensetzung, Selbstbilder und Kommunikationsdynamiken der „emotionalen Gemeinschaften“ (Barbara Rosenwein), die sie trugen. Ein akteurszentrierter Ansatz soll die Zornunternehmer und Wutbürger, ihre Diskurse, Medien, und Performanzen, ihre Integrationsangebote und Exklusionsmechanismen entlang der Strukturprinzipien von race, class, gender, age,region und religion unter die Lupe nehmen. Pendelnd zwischen Ausgrenzung und Gemeinschaftsstiftung, Destruktivität und moralischem Ordnungsanspruch, soll Wut als politische Währung im Kampf verschiedener Partikulargruppen um demokratische Teilhabe in der Geschichte der Vereinigten Staaten kenntlich gemacht werden. Zwar sollte das Projekt in der Emotionsgeschichte verankert, jedoch zugleich offen für Impulse aus der Politologie, der Soziologie und den Kultur- und Literaturwissenschaften sein.