Forschung

Forschungsschwerpunkte:

  • Geschichte des europäischen Kolonialismus, 18. bis 20. Jahrhundert
  • Migrationsgeschichte
  • Geschichte der transimperialen Beziehungen
  • Geschichte des globalen Kultur- und Wissenstransfers
  • Ökologie und Kolonialismus
  • Zeitkulturen in der atlantischen Welt, 1760-1830


Derzeitiges Forschungsprojekt:

Ökologische Netzwerke und Transfers zwischen Australien, Südasien und Afrika, 1850-1920

Angesichts der gegenwärtigen Diskussionen um den Erhalt der tropischen Artenvielfalt ist die Geschichte des interkolonialen Artentransfers im imperialen Zeitalter von aktuellem Interesse. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert tauschten europäische Naturwissenschaftler, die in den Kolonien in Australien und Afrika und in Britisch-Indien tätig waren, eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten untereinander aus und experimentierten, ob sie sich in neuen Ökosystemen heimisch machen und züchten ließen. Sie taten dies aus wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen, und um die natürliche Umwelt in Australien, Afrika und Südasien zu „verbessern“ und im europäischen Sinne zu „kultivieren“. Diese in der Forschung bislang kaum beachteten Artentransfers zwischen den drei Kontinenten und die Netzwerke von denen sie getragen wurden, werden im beantragten Projekt analysiert werden. Damit soll die Geschichte des „ecological imperialism“ um eine neue Dimension erweitert werden.

Anhand der Korrespondenzen ausgewählter Wissenschaftler wird das Projekt erstens die Netzwerke und Artentransfers zwischen Australien, Afrika und Südasien im Zusammenhang weiterreichender globaler Netzwerke charakterisieren und im Bezug zu den Artentransfers zwischen Kolonien und europäischen Metropolen untersuchen. Zweitens werden im Anschluss an neuere Ergebnisse der „Actor-Network-Theory“ und der „animal studies“ all diejenigen, die an den Transfers beteiligt waren, also europäische Wissenschaftler, nicht-europäische Experten, Tiere und Pflanzen, als Akteure mit jeweils eigener Wirkungsmacht betrachtet werden. Es soll untersucht werden, wie sich im Kontext der Transfers die Beziehungen zwischen den Akteuren veränderten. Es werden Transfers untersucht werden, in denen die Wissenschaftler die Kontrolle über die eingeführten Tier- und Pflanzenarten verloren. Dies wurde besonders deutlich, wenn sich eingeführte Arten ungehemmt vermehrten, bestehende Ökosysteme aus dem Gleichgewicht brachten und deshalb als bedrohlich wahrgenommen wurden. Hierarchien zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren verschoben sich. Alte Gewissheiten von der Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen und der Überlegenheit der europäischen Wissenschaft gerieten ins Wanken. Es wird drittens der Frage nachgegangen werden, inwiefern aus den Erfahrungen vor Ort und dem spezifischen Umweltwissen, das sich im Zusammenhang mit den Artentransfers entwickelte, eine Sensibilität für die Zerstörung von Umwelt und die Gefährdung von Ökosystemen entstand, die frühe Forderungen nach staatlichen Maßnahmen zum Naturschutz nach sich zog. Durch die Analyse des bisher vernachlässigten Artentransfers zwischen Australien, Südasien und Afrika und die Einbeziehung von Tieren und Pflanzen als Akteuren sollen Zentren und Verdichtungspunkte kolonialer Dynamik neu definiert werden.

Ecological Networks and Transfers between Australia, South Asia and Africa, c. 1850-1920


In the age of high imperialism, European scientists in Australia, Africa and British India exchanged a large variety of species of plants and animals. They had different reasons to do so. Economic interests and scientific curiosity about how species adjusted to new ecosystems were closely connected with the desire to “improve” and to “civilize” non-European environments. These networks and transfers across the Indian Ocean have been much neglected by current research. This project wants to contribute to uncovering them. By doing so, it aims to shed new light on the history of “ecological imperialism”.

The project pursues three goals: By analysing the correspondences of a selection of relevant scientists, it will, firstly, describe the networks and species’ transfers across the Indian Ocean more precisely than it has been done before. It will examine the ways in which these networks and transfers were entangled in wider global networks, and, in particular, how they can be related to the core-periphery structures of imperial scientific exchange and transfer. Secondly, the project will revisit transcontinental species transfer by applying new results of Actor-Network-Theory and animal studies. Plants and animals will be defined as actors endowed with “agency”. Based upon this methodological approach, the project will show how relations between human and non-human actors changed in the context of transoceanic transfers. Introduced species often developed in unexpected ways. They could, for example, increase disproportionately in new environments and were then perceived as threatening and invasive. Hierarchies between humans and non-humans shifted in the process of transfer. Scientists lost control over transfers and realized the limits of ecological engineering. Thirdly, the project will examine the question in how far such experiences created a specific awareness for ecological imbalances and environmental destruction. It will, furthermore, be explored whether these sensitivities, developed by scientists in the colonies, resulted in demands for state intervention to protect the environment. Thus, the projected study on the so far neglected species’ transfers between Australia, Africa and South Asia in the second half of the nineteenth and early twentieth centuries will, not least by integrating non-humans as actors, make a new contribution to the discussions about the causes and origins of colonial dynamics.