Von atomaren Hoffnungen zu anthropozänen Ängsten
Zum Verhältnis von Natur, Kultur und Geschichte im Anthropozän
Das Projekt fragt nach den Implikationen, die das Verständnis unserer gegenwärtigen historischen Situation als Anthropozän für das Verständnis von und den Umgang mit der gegenwärtigen Umweltkrise hat.
Das Anthropozän wurde als neue Epoche der Erdgeschichte vorgeschlagen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Menschen heute den Einfluss aller natürlichen Kräfte auf den Planeten übertreffen. Indem es eine neue geologische Epoche des Menschen ausruft, verschiebt das Konzept das moderne Verständnis von Geschichte und wer wie Geschichte macht, da es die moderne Trennung von menschlicher und Naturgeschichte verwischt. Allerdings erscheint es dabei als zutiefst widersprüchlich, da es eine menschliche Epoche gerade dann ausruft, wenn menschliche Kontrolle über die Welt höchst fragwürdig erscheint und Umweltdebatten zunehmend auf den signifikanten Einfluss von nichtmenschlichen Wesen in der Hervorbringung der Welt hinweisen, der über Jahrhunderte hinweg ignoriert wurde.
Ziel des gegenwärtigen Projektes ist es, diese Widersprüchlichkeit durch eine Analyse der historischen Konstruktionen von Natur-Kultur-Verhältnissen im Anthropozän-Diskurs im weiteren Kontext von Atomzeitalter und Charles Darwins Evolutionstheorie zu untersuchen. Dabei verfolgt es die Hypothese, dass die Widersprüchlichkeit im Konzept des Anthropozäns widerspiegelt, wie Kultur in der Tradition der europäischen Aufklärung gleichzeitig als Teil von der Naturgeschichte und als ihr entgegensetzt auftritt. Das Anthropozän wäre somit gleichzeitig richtig und falsch, und das Verstehen dieser Gleichzeitigkeit die kritische Herausforderung.
Um diese Hypothese zu überprüfen, analysiert das Projekt zunächst, wie das historische Verhältnis von Kultur und Natur im Anthropozän-Diskurs konstruiert wird. Zweitens wird es diese historischen Konstruktionen dazu ins Verhältnis setzen, wie das historische Verhältnis von Kultur und Natur in der Debatte um nukleare Energieproduktion zwischen den 1950er und 1980er Jahren konstruiert wurde. Diese Kontextualisierung erlaubt es zu prüfen, ob das Anthropozän die Kultur-Natur Geschichte tatsächlich so neu konzipiert, dass es die menschliche Dominanz angemessen problematisiert, oder ob dies nicht der Fall ist. Die Annahme des Projektes ist, dass sich in der nuklearen Energiedebatte widerspiegelt, wie Menschen in der Überzeugung handeln, sie allein würden Geschichte hervorbringen und das Anthropozän diese Vorannahme fortschreibt, seine materiellen, historischen Bedingungen sie aber widerlegen. Drittens wird das Projekt untersuchen, inwieweit Darwins Evolutionstheorie einen Zugang für ein alternatives Verständnis vom Anthropozän und unserer gegenwärtigen Umweltsituation darstellt, der die widersprüchlichen Charakteristiken des Anthropozäns neu zu perspektivieren ermöglicht, ohne dabei die Widersprüche zu übergehen.
Das Projekt entwickelt somit eine Begriffsgeschichte des Anthropozäns als einer Vermittlung des historischen Verhältnisses von Kultur und Natur.