Tiere und Epidemien
Die aktuelle COVID-19-Pandemie mit ihren weltweiten gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Auswirkungen hat erneut vor Augen geführt, wie schnell nicht-menschliche Tiere als Krankheitsüberträger und Zwischenwirte in das Zentrum der epidemiologischen Ursachenforschung rücken. Im Kern wurde die Entstehung und Ausbreitung des Coronavirus auf eine neue, ökologisch höchst problematische Intensitätsstufe der Mensch-Tier-Beziehungen zurückgeführt, nämlich auf den immer engeren Kontakt von immer mehr Menschen mit Wildtieren, begünstigt durch das Vordringen des Menschen auch in entlegene Regionen und globalen Tierhandel. Zugleich stellt sich dabei die Frage nach der tierlichen agency im pandemischen Ausbruchsgeschehen. Wo auch immer in der langen Kette von Mensch-Tier-Beziehungen der Urgrund der aktuellen Pandemie aufzufinden sein wird: Epidemien und Pandemien sind Dreh- und Angelpunkte in den zeitspezifischen Reflexionen über das jeweilige Verhältnis von humanen und nicht-humanen Aktanten bzw. Akteuren. Das Projekt, das gemeinsam mit Christian Jaser (Universität Klagenfurt), Nadir Weber (Universität Bern) and Axel Hüntelmann (Charité Berlin) durchgeführt wird, fragt nach der epochenbildenden Prägekraft von Epidemien und damit der Frage, inwiefern diese als Brüche im Zeitregime zu deklarierenden Vorkommnisse auch von Tieren (mit)strukturiert wurden und werden. Ferner schaut es auf die Visualisierung von nicht-menschlichen Tieren als Vektoren oder Wirte von Epidemien und Pandemien. Schließlich soll der spezifischen Materialität der Epidemien nachgegangen werden. Die Ergebnisse dieses Projektes sollen 2024 in einem Sammelband erscheinen.
Mieke Roscher (mit Axel C. Hüntelmann, Christian Jaser und Nadir Weber), Animals and Epidemics. Interspecies Entanglements in Historical Perspective, Köln: Böhlau 2024.