Wilhelm Dilich - Landtafeln hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser (1607-1625)

Ausstellung vom 18. Oktober bis 22. Dezember 2011 unter Leitung von Ingrid Baumgärtner und Axel Halle im Restaurant Moritz der Universität Kassel


Die Landtafeln des Festungsbaumeisters, Historikers und Kartographen Wilhelm Dilich (1571-1650) sind ein kartografisches Meisterwerk des 17. Jahrhunderts. Auf etwa 250 Karten sollten sie alle Landschaften, Städte und Burgen der Landgrafschaft Hessen-Kassel erfassen. Auftraggeber war Landgraf Moritz. Überliefert sind 66 Karten, Pläne und Aufrisse von beträchtlichem künstlerischem Wert, die eine wichtige Quelle zur Landeskunde Hessens und des Mittelrheins darstellen. Die handschriftlich gezeichneten Originaltafeln bilden die hessische Landgrafschaft vor den Zerstörungen des dreißigjährigen Krieges ab.

Virtueller Rundgang

In der Ausstellung, die vom 18. Oktober bis 22. Dezember 2011 in Kassel zu sehen war und hier in einem virtuellen Rundgang aufbereitet ist, wurden vierzehn hochwertige Faksimiles dieser Federzeichnungen aus der Universitätsbibliothek Kassel gezeigt. Die Anordnung folgt der regionalen Gliederung des hessischen Territoriums:

Nord- und mittelhessische Ämter Melsungen und Schönstein

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kasse
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 11, Federzeichnung, handkoloriert

Die erste Spezialtafel des Amtes Schönstein zeigt den nördlichen Teil des Amtes. Eingerahmt wird es im Westen vom Amt Gemünden, im Norden vom Hospital Haina, im Nordosten und Osten durch das Gericht Jesberg. Die Grenzen sind durch blaue Schattierung der Außenbereiche gegen das Grün des Amtes abgesetzt. Im Norden dominiert der Kellerwald, dessen dunkle blaugrüne Schattierung gut zu erkennen ist. Die Burg Densburg beherrscht das Tal südlich des Kellerwaldes. Flussaufwärts liegen Burg und Dorf Schönstein am rechten und linken Ufer der Gilsa einander gegenüber. An den Zuflüssen finden sich die Orte Moscheid und Schönau, weiter im Süden die Orte Willingshausen und Sebbeterode.

Katharina Becker

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 12, Federzeichnung, handkoloriert

Die zweite Spezialtafel zeigt das südliche Gebiet des Amtes Schönstein. Im Nordwesten ist das Amt Gemünden mit dem Gericht Schiffelbach zu erkennen; im Westen und Süden grenzen die grün eingefärbten Ämter Ziegenhain und Rauschenberg an; im Nordosten schließt das Gericht Jesberg an. Zwischen den zahlreichen Waldgebieten, wie etwa der Gerwigshain mit der gleichnamigen Wüstung im Süden, liegen die Dörfer in Rodungen, darunter Heimbach im Westen. Südöstlich davon, jenseits des Lischeider Berges, liegt der Ort Lischeid, weiter im Osten Winterscheid. Ein Tal weiter sehen wir das Dorf Itzenhain, das Rittergut Bellnhausen und den Ort Appenhain. Oberhalb davon befindet sich das ehemalige Gericht Kalte Hainbuche, im Nordosten das Straßendorf Sachsenhausen.

Katharina Becker

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 7, Federzeichnung, handkoloriert

Die Tafel ist eine von insgesamt fünf Kartierungen des Amts Melsungen und zeigt die in einer Fuldaschleife gelegene Siedlung Röhrenfurt. Auffälliges Element der dörflichen Darstellung ist die Brücke im Süden. Der Bezirk Röhrenfurt grenzt im oberen Kartenbereich an das Gebiet Körle-Empfershausen, rechts unten an Schwarzenberg und links unten an die Stadt Melsungen. Verschiedene Inschriften der Karte verweisen auf die lokale Geschichte, so zum Beispiel der in eine Waldschneise geschriebene Schriftzug Huettengrabe am rechten Kartenrand, der auf die vormals hier bestehende Glashütte hindeutet. Die reich gestaltete Kartusche sowie der Text im linken unteren Kartenbereich weisen das dörfliche Gebiet als Besitz der Familie von Riedesel aus.

Bettina Schöller

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 8, Federzeichnung, handkoloriert

Die nach Westen ausgerichtete Karte zeigt die Anlage des Klosters Breitenau, das an der Fulda direkt gegenüber dem Dorf Guxhagen gelegen ist. Innerhalb des ummauerten Komplexes der ehemaligen Benediktinerabtei sind die Gartenanlagen, die Klosterkirche und einige Wirtschaftsgebäude zu sehen. Landgraf Moritz veranlasste 1607 den Ausbau des Areals zu einer ländlichen Schlossanlage, die jedoch nie fertiggestellt wurde. Auf der Karte verzeichnet sind zudem die dem Bezirk zugehörigen Dörfer Ellenberg und Büchewerra, rechts oben ist der Zusammenflusses von Fulda und Eder dargestellt. Die Bezirksgrenze verläuft im Westen an der Eder, im Norden und Osten an der Fulda und im Süden entlang des Rohleuber Waldgebiets, das zum Amt Felsberg gehörte.

Bettina Schöller

Taunusgebiet mit Herrschaft Eppstein, Gericht Liederbach und Schloss Hohenstein

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 17, Federzeichnung, handkoloriert

Hohenstein im Taunus an der Aar zählte zu den ältesten und bedeutendsten Wehranlagen der Grafen von Katzenelnbogen. 1479 gelangte die Burg zusammen mit der Grafschaft in den Besitz der hessischen Landgrafen. Der Aufriss aus südwestlicher Richtung rückt die Schildmauer und den Bergfried der Kernburg ins Zentrum und zeigt zugleich die vom 14. bis 16. Jahrhundert mehrfach erweiterte Vorburg. Der am linken Bildrand platzierte Maßstab betont die Bemühungen Dilichs um eine akkurate und realitätsgetreue Zeichnung. Vielleicht deutet er auch die beachtliche Höhe des Bergfriedes an, von dessen Turmerkern das gesamte Aartal eingesehen werden konnte. Eine Legende unterhalb der Vedute mit 34 Einträgen lässt Rückschlüsse auf die Nutzung der aus dieser Perspektive sichtbaren Gebäude zu.

Stefan Schröder

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 16, Federzeichnung, handkoloriert

Der Aufriss bildet die Burg aus nordwestlicher Richtung ab und bezieht am rechten Bildrand das benachbarte gleichnamige Dorf Hohenstein ein. Der Rahmen ist, wie bei allen Veduten zu diesem Schloss, lediglich durch feine Striche vorgezeichnet, aber nicht ausgeführt. Im Mittelpunkt steht die Schauseite der herrschaftlichen Gebäude der Kernburg. Die Fachwerkbauten sind im Vergleich zur Vorburg durch eine leuchtend rote Farbe hervorgehoben. Laut der Legende auf Bl. 29 befanden sich in den oberen Geschossen die herrschaftlichen Räume, die in ein Frauenzimmer (29) und die dem Fürsten vorbehaltene Zimmerflucht mit Gemächern (14-16) mit einem Thurlein (17) unterteilt waren. Infolge des Dreißigjährigen Krieges, anschließendem Verfall und einem Felsrutsch 1864 zerbröckelten die Gebäude. Die heute noch erhaltenen mächtigen Befestigungsanlagen künden von der einstigen Pracht.

Stefan Schröder

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 47, Federzeichnung, handkoloriert

Die Generaltafel zeigt die Herrschaft Eppstein im Taunus mit der Burg ganz im Norden. Die Herren von Eppstein hatten dieses Kernland mit ihrer Stammburg 1492 aufgrund großer Schuldenlast an die Landgrafen von Hessen verkauft. Da die Herrschaftsstrukturen in diesem Raum einem stetigen Wandel unterzogen waren, spielte die Inszenierung von Herrschaft zu deren Verfestigung eine bedeutende Rolle. Drei Grabplatten Eppsteiner Würdenträger identifizieren den kartierten Raum eindeutig mit dem Herrschaftsgeschlecht. Im lateinischen Text wird der Verkauf von 1492 als rechtmäßig deklariert und somit die hessische Herrschaft über Eppstein legitimiert.

Ralph A. Ruch

 

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 13, Federzeichnung, handkoloriert

Das östlich von Eppstein gelegene Gericht Liederbach kam zusammen mit der Herrschaft Eppstein 1492 an die Landgrafen von Hessen. Auf der Tafel ist der Lieder- oder Mühlenbach gut zu erkennen. Er teilt den Gerichtsbezirk in Ober- und Unterliederbach auf. Das Besondere an dieser Landtafel ist die Abbildung eines antiken Steinblocks in der oberen linken Ecke. Dieser Steinblock stand zu Dilichs Zeit auf dem Vorplatz der Kirche von Niederliederbach. Der lateinischen Beschriftung zufolge zeugt der Stein von der ehemaligen Präsenz der römischen Kultur. Dilich versucht auf diese Weise, eine altehrwürdige Herkunft der Hessen zu konstruieren: das Land Hessen als Nachfolger des germanischen Stammes der Chatten und somit Erbe einer antiken Tradition.

Ralph A. Ruch

Am Rhein gelegene Territorien mit den Burgen Rheinfels, Marksburg und Rhens

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 21, Federzeichnung, handkoloriert

Die Karte präsentiert den linksrheinischen Teil der ehemaligen Niedergrafschaft Katzenelnbogen. Links sehen wir die Dörfer der Vogtei Pfalzfeld mit der keltischen Flammensäule, rechts die rheinischen Siedlungen im Amt Rheinfels mit einer zugehörigen Ansicht rechts unten. Die Vedute zeigt aus östlicher Perspektive die Stadt St. Goar unterhalb der Burg Rheinfels, einer katzenelnbogischen Gründung am linken Rheinufer, inmitten einer Landschaftsansicht. Der Rhein fließt im Vordergrund, im Zentrum ist St. Goar mit mächtigen Stadtmauern sowie darüber die Burg Rheinfels auf einem Bergsporn an den Hängen des Rheintals. Auf der gegenüberliegenden Uferseite sind in der Biegung des Flusses ganz hinten Burg Maus und Wellmich zu erkennen.

Ingrid Baumgärtner

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 22, Federzeichnung, handkoloriert

Die Tafel zeigt den Grundriss der Höhenburg Rheinfels zwischen Rhein- und Gründelbachtal bei St. Goar. Die ältesten Elemente der um 1245 von den Grafen von Katzenelnbogen errichteten Burganlage sind die Fundamente des Bergfrieds und Teile der Ringmauer. Die Anlage, die sich aus einem relativ kleinen Kerngebilde in mehreren Bauphasen zu einem umfangreichen Festungskomplex entwickelte, wurde nach der hessischen Erbteilung im Jahr 1567 zum Residenzschloss ausgebaut. Die ausgedehnten Gärten dieser Phase sind im Grundriss in leuchtend grüner Farbe ausgeführt. Zeittypisch ist der weitläufige geometrisch geformte Lustgarten, der außerhalb des Burgbergringes im Renaissance-Stil angelegt worden war.

Melanie Panse

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 23, Federzeichnung, handkoloriert

Der Aufriss zeigt die auf dem Sporn eines Bergrückens gelegene Burg Rheinfels aus südöstlicher Richtung. In der Mitte der Anlage dominiert der zur Butterfassform aufgestockte Bergfried die leuchtenden Giebel, Erker, Türmchen und Dächer des Schlosses. Als Zugang von der Stadt St. Goar fungierte das Tor im Südosten. Die Vorburg war über eine Zugbrücke mit dem Torturm, dem Eingang in den eigentlichen Schlosskomplex, verbunden. An ihn schloss sich die am Halsgraben verlaufende Befestigungsmauer der Hauptburg an. Eine in Latein gehaltene Tafel spiegelt die überlieferten Grabinschriften der Grafen von Katzenelnbogen wieder. Die Teilabschrift am Ende beleuchtet die Vergangenheit der Burg und zeugt von einem lebendigen Geschichtsbewusstsein.

Melanie Panse

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 24, Federzeichnung, handkoloriert

Die volle Pracht der rot-weißen Wohngebäude im Süd- und Nordbau der Burg Rheinfels entfaltet sich an der dem Rhein zugewandten Front- und Schauseite im Nordosten. Die architektonische Gestaltung der Rheinseite war auf Fernwirkung ausgelegt: Die leuchtenden Farben der Fachwerkbauten kennzeichneten eindrucksvoll den Wandel des Landgrafenhofs zur reichen Residenz und lassen den Festungscharakter auf dieser Seite zurücktreten. Drei aufklappbare Lagen spiegeln die Struktur und die Räumlichkeiten der Burg wider und erlauben nicht nur einen Einblick in die Wohnräume der Herrschaften und des Gesindes, sondern auch in die innerste Vorburg, in den Marstallhof und in zahlreiche Gebäude, die der alltäglichen Versorgung des umfangreichen Hofstaates dienten.

Melanie Panse

 

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 46, Federzeichnung, handkoloriert

Die Karte umreißt das Herrschaftsgebiet der Stadt Rhens, das im Nordosten an den Rhein, im Süden und Westen an das Erzbistum Trier grenzt. Das Blatt enthält die ältesten überlieferten Abbildungen der Stadt Rhens in Form einer Vogelschau am Rhein sowie in der aus Südwestperspektive aufgenommenen Vedute links oben. Die Abbildung rechts unten zeigt eine Vergrößerung des Rhenser Königsstuhls, der auf der Karte nordwestlich der Stadt in einem Nussbaumgarten am Rheinufer vermerkt ist. Dort kamen seit 1273 die Kurfürsten zusammen, um über die Reichspolitik und die Königswahlen zu verhandeln. Im 15. Jahrhundert bestiegen ihn die Könige jeweils zwischen ihrer Wahl in Frankfurt und Krönung in Aachen, um vom Reich symbolisch Besitz zu ergreifen.

Bernd Giesen

Bild: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Kassel, UB-LMB, 2° Ms. Hass. 679, Bl. 46, Federzeichnung, handkoloriert

Die realistische Ansicht aus Nordosten zeigt die Marksburg. Auf einem steilen Felskegel oberhalb der mittelrheinischen Ortschaft Braubach wurde die Burg vermutlich von den freiadeligen Eppsteinern erbaut. Der Fahrweg im Vordergrund des Aufrisses führt entlang der mit Ummauerungen, Rondellen und mehreren Toren gestaffelten Fortifikation bis zur eng gebauten Kernburganlage. An der Hauptangriffsseite in Richtung Wall und Graben liegt der schildmauerartig verstärkte Saalbaukomplex mit glatter Fassade, Fenstern und Geschütztürmchen. Im Zentrum thront der quadratische Bergfried mit markantem Butterfassaufsatz, einem Umbau aus katzenelnbogischener Zeit.
Die Höhe von rund 38 m erschließt sich aus einer mit der Einheit Werkschuhe bezifferten Maßstableiste im rechten äußeren Bildrand.

Rebekka Thissen-Lorenz