Migration – Geschlecht – Menschenrechte. Lokale Strukturen, Lebensrealitäten und Soziale Organisationen unter dem Einfluss von Migrationen
Lehrforschungsprojekt
Im kommenden Wintersemester organisiert das Fachgebiet Soziologie der Diversität an der Universität Kassel (Prof. Dr. Elisabeth Tuider & Miriam Trzeciak) in Kooperation mit dem Institut für Soziologie der Universität Münster (Prof. Dr. Hanns Wienold) ein Lehrforschungsprojekt nach Südmexiko. Auf dem Weg an die Südgrenze wollen wir in Mexiko-Stadt, Oaxaca, San Cristóbal und Tapachula Stationen einlegen und jeweils Interviews und Gespräche mit renomierten SozialwissenschaftlerInnen, Mitgliedern und RepräsentantInnen von MigrantInnen- und Frauenorganisationen und sozialen Organisationen (NGOs) und mit Migrierenden führen. Im Lehrforschungsprojekt werden wir uns mit dem Border-Regime an der mexikanischen Südgrenze, mit den im Migrationskontext sich verändernden ländlichen und lokalen Strukturen sowie mit den Lebensrealitäten der (Trans)Migrierenden, ihrer Familien und Kinder in der Herkunftsregion auseinandersetzen.
Die Reise an die mexikanische Südgrenze ist aus verschiedenerlei Hinsicht für ein soziologisches Forschungsprojekt interessant. Jährlich überqueren hunderttausende MigrantInnen aus Zentral- und Südamerika den 962 km messenden Landstreifen auf ihrem Weg ´al Norte´. Als vorletzter staatlicher Grenzübergang bildet die mexikanische Südgrenze zu Guatemala einen der wichtigsten Transiträume. Seit 2001 - als die mexikanische Regierung in Kooperation mit den USA parallel zum Mauerbau und der personalen Aufrüstung an der Nordgrenze den Plan Sur vereinbarte und das Grenzregime um ca. 3000 km in den Süden vorverlagerte - unterliegt diese Region einer erhöhten Kontrolle und Militarisierung.
Historisch gesehen ist die Grenze zwischen Guatemala und Mexiko das Ergebnis langwieriger politischer Aushandlungs- und Grenzziehungsprozesse, sodass die Region des Soconusco auf eine vielfältige, hybride Kultur und Wanderungstradition zurückblicken kann. Die seit jeher statt findende (temporäre) Arbeitsmigration zu den Kaffee-Fincas und seit den 1990er Jahren in die größeren Städte von Chiapas und Oaxaca von v.a. indigenen Personen und Frauen sind diesem Kontext zuzuordnen.
Nicht nur der Weg durch den Süden in den Norden, sondern auch die hohe Binnen-Migration ist ein Charakteristikum der strukturschwachen Südgrenze. Trotz eines hohen Vorkommens an natürlichen Ressourcen zählt die Region zu einer der ärmsten des Landes. Besonders betroffen von der Situation einer multiplen Marginalisierung ist die indigene Bevölkerung, deren ökonomische Erträge in vielen Fällen durch Subsistenzwirtschaft gesichert werden. Noch bis 1994 waren in Chiapas die Strukturen des Hacienda-Systems vorherrschend. Nach dem zapatistischen Aufstand wurden neben einer Umverteilung großer Flächen von Land autonome Infrastrukturen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und nachhaltige, ökologische Landwirtschaft in vielen Gemeinden implementiert und dies hat sicherlich auch auf die Migration aus indigenen Gemeinden eingewirkt.
Besondere thematische Relevanz für das Lehrforschungsprojekt erhalten die Auswirkungen von Migrationen auf lokale Geschlechterverhältnisse sowie die Einflüsse von Geschlecht auf (Trans-)Migrationen (Wege, Formen und Gründe). Im Kontext intersektionell aufeinander bezogener Ausgrenzungsstrukturen (wie race, class, gender etc.) sind es vor allem die Frauen aus den indigenen Gemeinden, die hierbei im Fokus der Reise stehen.
Projektleitung und -organisation: Prof. Dr. Elisabeth Tuider und Miriam Trzeciak, M.A.
Laufzeit: 02–03/2012