Die Laubenganghäuser in Dessau-Törten
Die Laubenganghäuser in Dessau-Törten
Rekonstruktion und Analyse der Planungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte des Projektes des Bauhauses Dessau unter der Leitung von Hannes Meyer
Die bislang kaum erforschten Laubenganghäuser in Dessau Törten sind wichtigstes und neben dem zerstörten Haus Nolden einziges realisiertes Bauvorhaben der Bauabteilung des historischen Bauhauses. In ihnen manifestiert sich das Konzept des Bauhauses, forschende Lehre mit Praxis zu verbinden, und im Unterricht praktische Gestaltungsaufgaben zu bearbeiten und umzusetzen. Zugleich sind die Laubenganghäuser ein wichtiger Beitrag zur damaligen Debatte über die Wohnung für das Existenzminimum und zur städtebaulichen Debatte um moderne Bebauungsform.
Nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1930 realisiert, stehen sie für den Beginn einer neuen Phase des modernen Bauens: Aus einer bewussten Ablehnung der sich inzwischen verfestigten formalen und stilistischen Konventionen des Bauens suchten Meyer und die beteiligten Lehrenden und Studierenden eine konsequente Orientierung an Wirtschaftlichkeit und Gebrauch, was unter anderem zu Verwendung lokaler Baustoffe (Ziegel), neuer Techniken (etwa Zentralheizung, Müllschlucker) und modernen, gemeinschaftlichen Wohnungstypologien führte.
Am 9. Juli 2017 wurden die Laubenganghäuser in Dessau-Törten in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Sie zählen jetzt, wie auch die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau, zur Welterbestätte Bauhaus.
Städtebauliche Konzeption
Der erste Teil des Forschungsprojektes rekonstruiert zunächst die Entwicklung der städtebaulichen Konzeption für die Erweiterung der Siedlung Dessau-Törten. Hierzu gehören gleichermaßen die kontroverse politische Willensbildung und die fachliche Konzeption. Neben dem Einfluss von Hannes Meyer gilt es bei letzterer insbesondere die Rolle von Ludwig Hilberseimer zu untersuchen. Die nur teilrealisierte Siedlung ist ein erstes praktisches Beispiel des von Hilberseimer kurz zuvor formulierten Konzeptes einer Mischbebauung. Dieses damals völlig neue Konzept war nicht nur ein wesentlicher Beitrag zur Debatte um neue Bebauungsformen, sondern auch prägend für Hilberseimer weiteres Schaffen (etwa Lafayette Park in Detroit mit Mies van der Rohe, 1956).
Entwurf und Errichtung der Bauten
Der zweite Teil der Untersuchung wendet sich der Objektplanung zu, mit der die Bauabteilung des Bauhauses beauftragt war. Untersucht wird, wer als Lehrender und Studierender hieran beteiligt war und welche Ideen und Konzepte in den Entwurfsprozess einflossen. Wie war die Entwurfs- und Baulehre, wie die Entwurfs- und Baupraxis in der Bauabteilung konzipiert? Welche anderen Werkstätten des Bauhauses waren an dem Vorhaben beteiligt? Welches Architekturverständnis und welches pädagogische Konzept schlugen sich hier nieder?
Rezeptions- und Nutzungsgeschichte
Der dritte Teil der Forschung widmet sich der Rezeptions- und Baugeschichte: Wie wurde das Bauprojekt von den Nutzern, wie von der städtischen Öffentlichkeit und wie von der Fachwelt rezipiert? Und wie wurde das Gebäude in den Jahrzehnten seiner Nutzung bis heute genutzt, umgebaut und saniert? Für letztere Frage sollen neben Dokumenten auch die Nutzenden und das Gebäude selbst als Informationsquelle hinzugezogen werden. Nutzende werden in leitfadengestützen Interviews befragt, eine der Bauten durch ein verformungsgerechtes Aufmaß, restauratorische Befunduntersuchungen und archäologische Grabungen sowie die Auswertung des historischen Planmaterials als Informationsquelle genutzt.
Projektgruppe
- Prof. Philipp Oswalt / Universität Kassel, Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen
- Prof. Dr.-Ing. Andreas Schwarting / Hochschule Konstanz, Lehrstuhl Baugeschichte und Architekturtheorie
- Prof. Thomas Will / Technische Universität Dresden, Lehrstuhl Denkmalpflege und Entwerfen
- Anne Stengel, Mag. Kunstgeschichte, MSc. / Universität Kassel, Doktorandin/ Wissenschaftliche Mitarbeiterin
- Dr. sc. Dipl. -Ing. Andreas Buss / Universität Kassel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
- Osama Salti,Ing. M.Sc. / Universität Kassel, Wissenschaftliche Hilfskraft
- Yannick Wissel, B.Sc. / Universität Kassel, Studentische Hilfskraft
In Kooperation mit
- Wohnungsgenossenschaft Dessau (Eigentümer), Nicky Meissner (Vorstand), Herr Wermter (Leiter techn. Service)
- Dr. Ulrike Wendland, Landeskonservatorin Sachsen-Anhalt
- Monika Lüttich, Untere Denkmalschutzbehörde Dessau-Roßlau
- Winfried Brenne, Brenne Architekten
- Monika Markgraf, Stiftung Bauhaus Dessau, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Untersuchungen am Gebäude:
- Archäologische Untersuchungen: Grabungsleiter: Felix Rösch (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Kunstgeschichte und Archäologie Europas), Prof. Dr. Tobias Gärtner
- Restauratorischen Untersuchungen: Marthe Meyer (Hochschule für Bildende Künste Dresden, Absolventin der Fachklasse Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung), Prof. Dr. Phil. Dott. Thomas Danzl
Verformungsgerechtes Aufmaß: Projektkoordination und -leitung: Marten Becker, Iris Engelmann und Torben Kiepke, (Bauhausuniversität Weimar, Fakultät Architektur und Urbanistik, Professur Denkmalpflege und Baugeschichte), Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier
Projektverlauf/Zeitplan
Das Projekt hat im November 2016 begonnen und endet im Oktober 2019. Halbjährlich trifft sich die Projektgruppe mit den Kooperationspartnern.
Zwischen August 2017 und April 2018 fanden in Kooperation mit der Bauhausuniversität Weimar (verformungsgerechtes Aufmaß), der Universität Halle (archäologische Untersuchungen) und der Hochschule für Bildende Künste Dresden (restauratorische Untersuchungen) fachliche Begutachtungen an der Bausubstanz und im Außenbereich der Gebäude statt.
Hierbei rückte eines der fünf Gebäude, das Laubenganghaus in der Peterholzstraße 48, in den Fokus. Die Bestandserfassung von drei Gebäuden wird von der Universität Kassel erstellt und in Form von Raumbüchern dokumentiert
Im Projektverlauf sind drei Kolloquien mit projektexternen Forschern vorgesehen, um Schwerpunktsthemen der Forschung gemeinsamen zu diskutieren. Hierbei werden auch Zwischenergebnisse der Forschung präsentiert.
Themen der Workshops
Im März 2018 wurde an der Universität in Kassel ein internationales Forschungssymposium „Hannes Meyer als Pädagoge“ veranstaltet.
Bei Interesse zur Teilnahme oder auch Mitwirkung hierbei wenden Sie sich bitte an die Projektgruppe
Die Ergebnisse der Forschung sollen 2019 in einem Buch publiziert und einer Ausstellung kommuniziert werden.