Projektseite Forschungsstelle Geschichte Ökologisches Bauen (FGÖB)
Die Forschungsstelle Geschichte Ökologisches Bauen der Universität Kasselwidmet sich der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte und Theorie des ökologischen Bauens im deutschsprachigen Raum. Zur Dokumentation werden in Kooperation mit dem UniArchiv und dem doku:lab Vor- und Nachlässe zentraler Akteure des umweltbewussten, klimagerechten und sozialen Bauens und Planens sowie historische Erinnerungen von Zeitzeugen gesichert. Die Quellen werden historisch-kritisch erforscht und kontextualisiert sowie die Forschungsergebnisse in einer neuen Schriftenreihe publiziert. Besonderer Fokus liegt auf der Geschichte der Gesamthochschule Kassel (heute Universität Kassel). Die bundesweit erste Forschungsstelle zur Geschichte des ökologischen Bauens will nicht nur eine Lücke in der jüngeren Architekturgeschichte schließen, sondern zugleich einen wichtigen Beitrag zu aktuellen Fragestellungen der Bauwende liefern.
Das „Kasseler Modell“
An der 1971 gegründeten reformpädagogischen Gesamthochschule Kassel (GhK) und dem integrierten Fachbereich Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung (ASL) traf eine Vielzahl progressiver ökologischer Akteure zusammen. Das „Kasseler Modell“ gilt als wichtiger Reformansatz der Architektur und Planung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist prototypisch für neue Pädagogikkonzepte an Hochschulen im In- und Ausland. Anders als die Archive bedeutender Gestaltungsschulen wie dem Bauhaus (1919–1933) oder der Hochschule für Gestaltung Ulm (1953–1968) ist das Geschichte der Gh Kassel bisher nicht umfassend aufgearbeitet und erforscht. Mit der Einrichtung des UniArchivs 2023 werden hierfür die Quellen systematisch gesichert, erschlossen und stehen erstmals für die Forschung zur Verfügung. Eine zentrale Aufgabe der Forschungsstelle Geschichte des Ökologischen Bauen Kassel ist es deshalb, die Prozesse und Zusammenhänge an der GhK seit den 1970er Jahren in Kooperation mit dem UniArchiv und anderen Samlungsinfrastrukturen zu dokumentieren, kritisch zu analysieren und im internationalen Diskurs zu verorten.
Grundlage sind Vor- und Nachlässe wichtiger ehemaliger Professoren, so von Gernot Minke (seit 2023), Michael Wilkens und Paul Posenenske (beide ab 2024), die durch großzügige Schenkungen Teil des UniArchivs sind, sowie die Sammlung zu Lucius Burckhardts Lehrpraxis des doku:lab und Sammlungen von Ulla Terlinden u.a. im Archiv der deutschen Frauenbewegung. Um historische Genealogien sichtbar zu machen, sind auch Vertreter*innen des ökologischen Bauens avant la lettre wie Lebberecht Migge, zu dem eine Dokumentensammlung ebenfalls im doku:lab liegt, Hannes Meyer, mit dem vom Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen initiierten Forschungsnetzwerk Co-op Hannes Meyer, oder der Kasseler Architekt und Hochschullehrer Hans Soeder Teil des Themenprofils; nicht zuletzt werden Vorläufer im 18. und 19. Jahrhundert wie die Sonnenbaulehre des nordhessischen Arztes und Hygienikers Bernhard Christoph Faust einbezogen.
Begriff Ökologisches Bauen
Die Forschungsstelle versteht ökologisches Bauen als Überbegriff für diverse, teils widersprüchliche Bau- und Planungspraktiken, die sich mit Fragen des energieeffizienten, ressourcenschonenden und zirkulären Bauens, technologischen Entwicklungen und alternativen Baumaterialien, Weiterbauen im Bestand, Selbstbautechniken, gebrauchsorientierter Freiraumplanung, Planungskritik, dialogischer Planung, Planung „von unten“, Emanzipation, kollaborativen Arbeitsweisen sowie temporären, performativen Stadtinterventionen auseinandersetzen. Ökologisches Bauen ist eine integrative Praxis und umfasst Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung sowie benachbarte Disziplinen wie Ingenieur- und Umweltwissenschaften. Ein allgemeiner Ökologiebegriff umfasst vor dem Hintergrund des Anthropozäns auch den Bereich der Technosphäre und plädiert damit für eine relationale Sichtweise von Umwelt in Architektur und Planung, die kybernetische Systeme und nicht-menschliche Akteursnetzwerke gleichermaßen einschließt.
Schriftenreihe Fundamente Ökologisches Bauen
Die im Jovis Verlag erscheinende Schriftenreihe Ökologisches Bauen dient als Publikationsinstrument der Forschungsstelle und macht historische Dokumente und die Forschungsergebisse zugänglich. Sie verbindet dabei die Thematisierung historischer Positionen mit aktuellen Fragestellungen des umwelt- und sozialgerechten Bauens. Die Reihe wird herausgegeben von Philipp Oswalt und Alexander Stumm, Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen der Uni Kassel.
In Vorbereitung befinden sich Veröffentlichungen zur Abrissfrage, zu Gernot Minkes Experimentellen Architektur 1962–86, zur Arbeit von Mike Wilkens 1973–95 und zu Lucius Burckhardt Lehrforschungsprojekte 1973–93.
Die Kooperationspartner
Ziel der FGÖB ist die Vernetzung der Sammlungsinfrastrukturen an der Universität Kassel unter einem thematischen Schwerpunkt. Die Forschungstelle ist ein Projekt der Fachgebiete Architekturtheorie und Entwerfen sowie Landschaftsarchitektur I Entwurf in Kooperation mit dem UniArchiv, dem doku:lab – Dokumentations- und Medienwerkstatt des Fachbereichs ASL und der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF). Das UniArchiv verwahrt Vor- und Nachlässe von herausragenden Architekturschaffenden und Hochschullehrer*innen sowie die institutionelle Überlieferung des Fachbereichs Architektur – Stadtplanung – Landschaftsplanung, der Schwerpunkt des doku:lab ist seit 1974 die Sammlung der Arbeiten von Studierenden, während sich im Archiv der deutschen Frauenbewegung Arbeiten zu feministischen Ansätzen in Architektur und Plamnung befinden. Ergänzt werden die analogen Dokumentensammlungen durch digitale Repositorien (Videos, Dokumente, E-Publikationen). Die Forschungsstelle setzt sich für eine Vernetzung und Kooperation mit thematisch verwandten (Hochschul-)Archiven im internationalen Kontext ein.
Die FGÖB wird geleitet von Prof. Dr. Philipp Oswalt und Dr. Alexander Stumm.
Die Gründung der FGÖB ist Teil der Strategie der Universität Kassel, sich als Hochschule für Nachhaltigkeit zu profilieren. Sie strebt eine langfristig tragfähige und gleichberechtigte Entwicklung in ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht an. Deshalb werden Forschungsschwerpunkte und Studiengänge weiterentwickelt, die sich an Themen der Nachhaltigkeit orientieren.
Die Beteiligten:
Das Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen unter Leitung von Prof. Dr. Philipp Oswalt widmet sich aktuell der Frühphase der 1971 gegründeten Gesamthochschule Kassel als wichtiger Impulsgeber für die Etablierung des ökologischen Bauens. Große Forschungsprojekte der letzten Jahre sind unter anderem Bauen für die neue Mobilität im ländlichen Raum, das Projekt Bauhaus, Forschungsstelle und Forschungsnetzwerk zu Werk und Wirkung von Hannes Meyer sowie Raumpraktiken der Documenta. Das Fachgebiet wurde 1974 als Fachgebiet Planungs- und Architekturtheorie begründet und bis 1989 von Michael Wilkens geleitet.
http://www.uni-kassel.de/go/ath
Das Fachgebiet Landschaftsarchitektur I Entwurfunter Leitung von Prof. Ariane Röntz befasst sich zur Geschichte des ökologischen Bauens mit der Lehre der Landschaftsarchitektur in Kassel. Sie begann 1948 an der Werkakademie mit Hermann Mattern, dem in den folgenden Jahrzehnten unter anderem Günther Grzimek, Peter Latz und Dieter Kienast folgten, und wichtige Impulse für die Disziplin weit über Deutschland hinaus gaben.
Das UniArchiv ist die zentrale Stelle zur Sicherung und Dokumentation des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes der Universität Kassel. Es verwahrt archivwürdige Unterlagen, Nachlässe sowie Sammlungen, erschließt sie nach ISAD(G) und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Das UniArchiv wurde 2021 anlässlich des 50. Jubiläums der Gründung der Gesamthochschule als Stabsstelle der Universitätsbibliothek gegründet. Den Grundstock des Bestands bilden die Gründungsakten der Gesamthochschule, die 2022 aus dem Hessischen Staatsarchiv Marburg nach Kassel zurückgeführt wurden.
https://www.uni-kassel.de/ub/uniarchiv/
Das doku:lab, 1974 unter dem Namen Infosystem Planung (ISP) / Grauer Raum gegründet, ist die Dokumentationsstelle des Fachbereiches Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung der Universität Kassel, die unter anderen graue Literatur von Architekturschaffenden, Planenden, Institutionen und Behörden seit den 1970er Jahren, das Lucius-Burckhardt-Archiv, das Migge-Archiv und das Archiv studentischer Arbeiten verwaltet.
https://www.uni-kassel.de/fb06/organisation/dokulab-dokumentationsstelle/startseite
Das Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) ist ein Forschungsinstitut und Dokumentationszentrum zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung in Kassel. Es betreibt eigene Forschungen zur Frauenbewegungsgeschichte zwischen 1848 und 1970 und regt Arbeiten im Bereich der Frauen- und Geschlechtergeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an. Das AddF ist außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Landes Hessen und wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst institutionell gefördert.