Karten als Brücken für Welt-Wissen
Westeuropäische und muslimische Kartographie des Mittelalters im interkulturellen Austausch
Projektleitung: Prof. Dr. Ingrid Ingrid Baumgärtner und Prof. Dr. Andreas Kaplony
Projektmitarbeiter: Dr. Stefan Schröder, M.A.
Laufzeit: Juli 2007 bis Juni 2009 bewilligt, angelegt auf vier Jahre bis Juni 2011
Drittmittel: DFG (ganze Mitarbeiterstelle und Sachmittel)
Kooperationen: Teilprojekte im SPP 1173 „Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter“, Dr. Peter Barber, Map Library, The British Library, London (England), Prof. Dr. Evelyn Edson, Piedmont Virginia Community College, Charlottesville/Virginia (USA), Dr. Piero Falchetta, Bibliotheca Nationale Marciana, Venedig (Italien), Prof. Dr. Patrick Gautier-Dalché, École pratique des Hautes Etudes, Paris (Frankreich), Prof. Dr. Andrew Gow, University of Alberta, Edmonton (Canada), Prof. Dr. Paul Harvey, Durham (England), Prof. Dr. Patrizia Licini, Comitato Scientifico per le Celebrazioni di Cristoforo Colombo, Rom (Italien), Dr. Yossef Rapoport, The Oriental Institute, University of Oxford (England), Prof. Dr. Emilie Savage-Smith, The Oriental Institute, University of Oxford (England), PD Dr. Martina Stercken, Universität Zürich (Schweiz), Prof. Dr. Gerhard Wolf, Max-Planck-Institut – Kunsthistorisches Institut Florenz (Italien).
Das im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1173 „Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter“ geförderte Projekt untersucht den Wissensaustausch zwischen der christlichen und islamischen Welt des Mittelmeerraumes anhand kartographischer Vorstellungen. Die Quellengrundlage bilden ausgewählte Welt-, Portulan- und Regionalkarten vom ausgehenden 11. bis zum 15. Jahrhundert, die vor dem Hintergrund geographischer, enzyklopädischer, astrologischer und historiographischer Texte interpretiert werden. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf den für die kartographische Erfassung der Welt wichtigen Kontaktzonen zwischen dem christlichen Europa und der muslimischen Welt; dazu gehören die Iberische Halbinsel und Mallorca (z.B. Beatus von Liébana, Petrus Alfonsi, Katalanischer Weltatlas von 1375), Sizilien (al-Idrisi) und die norditalienischen Hafenstädte Genua und Venedig (Portulankarten, Weltkarte von Fra Mauro) sowie das Heilige Land (bes. Regionalkarten). Die Fragestellung richtet sich zum einen auf die Rezeption islamischen Wissens in der europäischen Kartographie, zum anderen auf die Rezeption europäischen Wissens in der islamischen Kartographie (z.B. ‚Book of Curiosities’).
Im Projekt werden die Inhalte, Wege und Strukturen des Informationsaustausches zwischen den verschiedenen Zentren islamischer Kultur und den europäisch-christlichen Knotenpunkten erforscht. Mit der Leitfrage nach den Wechselwirkungen im Bereich von Geographie, Astronomie und Weltbild sowie deren Bedeutung für die Integration und Desintegration Europas im hohen und späten Mittelalter wird an die interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Forschung angeknüpft, die den Einfluss der arabischsprachigen Wissenschaften auf das lateinisch-christliche Europa in Astronomie, Philosophie und Medizin nachgewiesen hat. Die Karten werden auf Basis der aktuellen Raum- und Kartographieforschung betrachtet, die den Zeichenstatus vormoderner Karten betont. Karten bilden als Medien zur Vermittlung bestimmter Raum- und Herrschaftsvorstellungen geographische, politische und kulturelle Räume nicht einfach nur ab, sondern erschaffen sie erst. Das Projekt richtet sich daher auf das gesamte Bildprogramm, die Intentionen der Kartographen sowie die Kriterien für die Produktion und Verbreitung der Karten im interkulturellen Kontext. Die Betrachtung regionaler Fallbeispiele beinhaltet eine europäisch-mediterrane Dimension, ohne von einer Einheitskultur sowohl der islamischen als auch der christlichen Welt auszugehen. So sind die räumlichen, politischen und kulturellen Bedingungen im Mittelmeerraum ebenso zu bedenken wie die zeitlichen Veränderungen vom 11. bis 15. Jahrhundert.