Perspektiven des Kontrastiven
Historische und kontrastive Pragmatik in hispanophonen und frankophonen Kulturräumen
Projektverantwortliche: Angela Schrott
Ausgangspunkt für das Projekt ist die Verbindung von historischer und kontrastiver Pragmatik als zwei Perspektiven des Kontrastiven. Die historische Pragmatik beschreibt vor der Folie der Gegenwart in einem genuin interdisziplinären Ansatz die sprachlichen und kulturellen Traditionen, mit denen kommunikative Aufgaben in vergangenen Sprach- und Kulturgemeinschaften bewältigt wurden. Diese kontrastive Sichtweise charakterisiert ebenfalls die kontrastive oder interkulturelle Pragmatik, die sprachliches Interagieren in verschiedenen Gemeinschaften der Gegenwart untersucht. Sowohl die historische als auch die interkulturelle Pragmatik analysieren also Techniken und Normen der Interaktion in kontrastiver Perspektive und untersuchen, wie sprachliche und kulturelle Wissensbestände zusammenwirken und dabei historisch wandelbare Dialogformen und Textgattungen konstituieren.
Die methodologische Grundlage für das Projekt bildet ein Modell der Traditionen des Sprechens, das ich auf der Basis von Eugenio Coserius System der Sprachkompetenz in meiner Habilitationsschrift zur historischen Dialoganalyse entwickelt habe und das auf die gegenwartsorientierte interkulturelle Pragmatik übertragen wird (Fragen und Antworten in historischen Kontexten. Ein Beitrag zur historischen Dialoganalyse und zur historischen Pragmatik am Beispiel altspanischer literarischer Texte, Habilitationsschrift, Ruhr-Universität Bochum, 2006). Im Zentrum des Modells stehen die Diskurstraditionen und die Sprechergruppen, welche als „Aktanten“ die Träger dieser Traditionen sind.
Die Zielsetzung des Projektes gilt daher nicht allein der Varianz der kulturellen Normen, sondern auch den Gruppierungen, die diese Normen anwenden und tradieren. Daher wird zum einen anhand ausgewählter Diskurstraditionen (Dialogakte, Dialogformen und Textgattungen) aufgezeigt, wie bestimmte Normen innerhalb des hispanophonen bzw. frankophonen Sprachraums kulturellen Differenzierungen unterliegen. Zum anderen wird aber auch analysiert, inwiefern diese Variationen Indizien für die Ausgliederung unterschiedlicher kultureller Gruppierungen innerhalb der Sprachgemeinschaft sein könnten. Daran schließt sich die Frage an, wie sich die Übergänge zwischen diesen kulturellen Konstellationen gestalten bzw. wie sich diese Gruppierungen voneinander abgrenzen.
Kontrastive Untersuchungen im Bereich der Frankophonie bzw. Hispanophonie bieten dabei den Vorteil, dass sich unter dem Dach einer Sprache (und ihrer Varietäten) vielfältige kulturelle Konfigurationen und Interaktionsstile finden. Diese Ausdifferenzierung wird vor allem in der hispanophonen Sprachgemeinschaft deutlich. Die Konstellation, dass ein Sprachraum mehrere Kulturräume und Kulturgemeinschaften umschließt, erlaubt eine präzisere Fokussierung der Diskurstraditionen und damit eine deutlichere analytische Abgrenzung zwischen sprachlichem und kulturellem Wissen. Die Frage nach der Verflechtung dieser beiden Wissensbestände in der Interaktion ist dabei nicht nur für die Auswertung von Korpusbefunden entscheidend, sie ist auch die Prämisse für eine leistungsfähige Datenerhebung. Das Projekt wird daher zum einen von der Forschung bereits gelieferte Daten unter neuen Blickwinkeln auswerten, zum anderen jedoch auch eigene Daten erheben, um so theoretische Reflexion und Korpusarbeit zu verbinden.
Stand: 24. August 2008