Melsungen: Brückenvorstadt

Melsungen: Brückenvorstadt

Die 1594 bis 1596 mit Unterstützung des Landgrafen Moritz errichtete steinerne Brücke über die Fulda ersetzte einen mehrfach zerstörten alten Bau, der den Unwettern nicht standgehalten hatte.[339] Der massive Neubau erhielt deshalb kräftige, im unteren Bereich verstärkte Pfeiler, die sechs Bögen tragen.[340] Unweit davon lag die Wagmühle mit ihrem großen Wehr direkt am Fuldaufer. Da die Stadt nicht direkt bis an den Fluss reichte, bildete sich zwischen dem Brückentor und der Brücke eine kleine Ansiedlung mit der 1598 errichteten Herberge, die allerdings  relativ ungeschützt war. Landgraf Moritz zielte deshalb in seinen Entwürfen darauf ab, die Brückenvorstadt zu befestigen und sicherer zu machen. Neben der Mühle plante er zudem eine neue Scheune, an dieser Stelle befindet sich heute das Heimatmuseum.

 

2° Ms. Hass. 107 [240] recto, oben rechts

Südliche Brückenvorstadt mit Entwurf für eine Befestigung

Die kleine Zeichnung, die schon zu einem frühen Zeitpunkt mit drei anderen zu einem Blatt zusammengeklebt wurde, präsentiert eine Vogelschauansicht der südlichen Brückenvorstadt von Osten her gesehen. Direkt vor der Stadtmauer und dem Brückentor im Hintergrund liegen diverse Bürgerhäuer sowie die Mühle am Fluss unweit des kleinen Brückenhauses. Eine hohe Mauer mit einer Eckbastion umfängt und sichert das Gebiet.

 

2° Ms. Hass. 107 [232] verso, unten rechts

Brückenvorstadt mitEntwurf für eine Befestigung

Ebenso wie 2° Ms. Hass. 107 [240] recto, oben rechts zeigt auch diese Vogelschauansicht dieVorstadt mit dem Brückentor vom Fluss her, eingefasst von einer Mauer, die durch zwei Eckbastionen an der Fulda, von denen aus man die Brücke verteidigen konnte, zusätzlich gesichert wird. Die neue Brücke im Vordergrund neben der Mühle wird in diesem Fall durch ein größeres Torgebäude gesichert, das offensichtlich das kleine Brückenhaus ersetzen sollte, das in den alten Ansichten zu sehen ist.[341]

 

2° Ms. Hass. 107 [253] verso, links

Nördliche Brückenvorstadt mit Entwurf für eine Befestigung

Diese Ansicht der nördlichen Brückenvorstadt mit der Fuldabrücke weist ebenfalls eine Mauer mit Eckbastion zur Sicherung der Bürgerhäuser und der Herberge am Brückentor auf. In dieser Variante verzichtete Landgraf Moritz allerdings auf das Tor am Brückenaufgang, das er durch einen hölzernen Zaun ersetzt. Sehr sorgfältig gibt er aber das Zollhäuschen auf der Brückenmitte wieder, das u.a. auch auf Merians Ansicht in der ‚Topographia Hassiae‘ von 1646 an dieser Stelle eingezeichnet ist.

 

2° Ms. Hass. 107 [253] recto, links

Brückenvorstadtmit Entwurf für eine Befestigung

In einer Ansicht von Westen gibt diese Entwurfsvariante die Befestigung der nördlichen Vorstadt an der Brücke wieder, wobei die Häuser an der Stadtmauer im Vordergrund nur im Plan gezeigt sind. Der Brückenaufgang wird auch hier nicht durch ein Torhaus, sondern nur durch eine einfache Mauer geschützt. Daran schließt sich die neue Mauer an, die von einem ungedeckten Wehrgang aus gesichert werden kann. Auf dem gegenüberliegenden Ufer ist die Brücke über zwei seitliche Rampen befahrbar.

 

2° Ms. Hass. 107 [253] recto, rechts

Brückenvorstadt mit Entwurf für eine Befestigung

Ebenso wie der Entwurf auf der linken Blatthälfte präsentiert auch diese Vogelschauansicht von Westen das Terrain zwischen Stadtmauer und Fuldaufer, das durch eine Befestigung mit zwei Eckbastionen stärker gesichert werden sollte. Die  Einzeichnung von ballistischen Linien erläutert die militärischen Überlegungen des Landgrafen.

 

2° Ms. Hass. 107 [254]

Brückenvorstadt mit Entwurf für eine Befestigung, Lageplan

Der sorgfältig angelegte Plan der von einer Befestigung umgebenen Melsunger Brückenvorstadt  verzeichnet die bestehenden Gebäude am Brückentor und vermerkt zudem weitere Areale beidseits der Brücke als "Baustädte da neue heuser hin können / gebaut werden". Die Konzeption der Befestigungsmauer mit den beiden Eckbastionen am Fluss und den Toröffnungen nach Norden und Süden erlaubte eine Bebauung, die eine Durchfahrt in alle vier Windrichtungen frei lassen sollte. Weitere Zeichnungen zeigen, dass der Fürst weitere, detaillierte Pläne für Neubauten in diesem Bereich entwickelte (vgl. z.B. 2° Ms. Hass. 107 [251], [252]).

 

2° Ms. Hass. 107 [251]

Brückenvorstadt mit Entwurf für eine Befestigung und neue Gebäude

Übereinstimmend mit dem Plan 2° Ms. Hass. 107 [254] integriert Landgraf Moritz in diese Vogelschauansicht der Brückenvorstadt von Osten weitere Häuser beidseits der Brücke. Der Aufgang wird in diesem Fall wieder von einem einfachen Brückenhaus gesichert, das wie in 2° Ms. Hass. 107 [240] recto, oben rechts die Lücke in der hohen Befestigungsmauer schließt. Auch die Bebauung am Brückentor ist insoweit durch Neubauten ergänzt, dass sich eine relativ dichte Besiedelung ergibt - eine Idealvorstellung des Landgrafen.

 

2° Ms. Hass. 107 [252]

Brückenvorstadt mit Entwurf für einen Anbau an die Mühle

Ein Neubau an der Fuldabrücke steht im Zentrum der Vogelschauansicht von Westen, die allerdings sowohl auf ein Brückenhaus als auch auf eine Befestigungsmauer gänzlich verzichtet. Das neue, steinerne Gebäude schließt direkt und in gleicher Höhe an den Fachwerkbau der Mühle an.

Wie in vielen anderen der Melsunger Zeichnungen bemüht sich Landgraf Moritz auch hier, die Bewohner der Häuser an der Stadtmauer im Vordergrund zumindest mit ihren Berufen zu notieren  und dokumentiert damit seine genaue Ortskenntnis.

 

2° Ms. Hass. 107 [2]

Entwurf für eine neue Scheuer an der Mühle

Die bisher bei den unbestimmten Zeichnungen abgelegte Zeichnung erweist sich nach eingehender Untersuchung als Lageplan der Mühle an der Fuldabrücke mitsamt einem Grundriss der daran anschließenden, ebenso wie in 2° Ms. Hass. 107 [252] an dieser Stelle konzipierten Scheuer. Der langgestreckte Bau, der bis zum Brückenaufgang reichen sollte, ist in diesem Fall durch Tore an der Schmalseite zugänglich und wird durch eine Stützenreihe mittig unterteilt.

 

2° Ms. Hass. 107 [238] recto, mittig rechts

Brückenvorstadt mit Entwurf für eine neue Scheune, 1630

Die ausgesprochen kleine Zeichnung auf einem mehrfach überarbeiteten und mit Zeichnungen komplett angefüllten Blatt ist auf den 26. September 1630 datiert. Ähnlich wie in 2° Ms. Hass. 107 [252] entwirft Landgraf Moritz hier neben der Brücke einen Neubau, bezeichnet als „fruchtscheuer“, der direkt an die Mühle angrenzt. Der dreigeschossige Steinbau mit geschweiften Stirngiebeln überragt aber in diesem Fall die Mühle deutlich. Ein einfaches Portal sichert den Brückenzugang während eine „Mauer“ das Fuldaufer sichert.

 

2° Ms. Hass. 107 [238] recto, oben rechts

Brückenvorstadt mit Entwurf für eine neue Scheune und Befestigung, 1630

Eine weitere, auf den 26. September 1630 datierte Zeichnung auf dem komplett mit diversen Zeichnungen gefüllten Blatt zeigt dieselbe Situation im  "Vorstädtlein zu Milsung[en]“ von Osten her. Eine Mauer mit runder Eckbastion und ein großer Neubau an der Brücke ergänzen den Baubestand vor dem Brückentor.

Ebenso wie bei den anderen Zeichnungen auf diesem Blatt, die u.a. auch Entwürfe für eine neue Kanzlei in Melsungen beinhalten, handelt es sich hier um Ansichten, die das Planungsvermögen des Landgrafen spiegeln, ohne dass zu diesem Zeitpunkt noch eine reelle Chance bestanden hätte, diese Ideen verwirklicht zu sehen.

Fußnoten

 


[339] vgl. Schmidt 1978, S. 50ff., Wolff 2003, S. 59ff.

[340] 1596 fertigte Heinrich Schickhardt eine Zeichnung dieser Brücke, Hauptstaatsarchiv Stuttgart N 220 T 86

[341] vgl. Wolff 2003, S. 69 f.