Wertheim/Main
Wertheim
Die beiden unter dem Namen „Weinkirchen“ abgelegten Zeichnungen[463] konnten jetzt aufgrund der beiden einzigen topographischen Hinweise „Tauber thor“ und „Würtzburger thor“ in die an der Mündung der Tauber in den Main gelegene Stadt Wertheim verortet werden. Sie entstanden während der Reise im Herbst 1629, die Landgraf Moritz am 3. Oktober nach Coburg (vgl. die Zeichnung 2° Ms. Hass. 107 [89]) und am 12. Oktober nach Cadolzburg (2° Ms. Hass. 107 [88]) geführt hatte. Am 3. November hielt er sich nachweislich wieder in Frankfurt auf, wo er damals dauerhaft logierte.[464] Die beiden Ansichten zeigen einen eingefriedeten Hof mit einem Herrenhaus, gelegen vor einem Berg, der mit auffälligen Substruktionen abgefangen ist. Es handelt sich hierbei um die oberhalb der Stadtkirche, am Weg zur Burg gelegene sog. Kemenate, die noch heute nach Umbauten in Wertheim existiert.[465] Das dreigeschossige Haus war nach 1613 fertiggestellt worden[466] und ist auf Caspar Merians Ansicht von Wertheim 1673 dargestellt. Es diente als Herrensitz der evangelischen Linie der Grafen von Löwenstein-Wertheim-Virneburg.
Kemenate, 1629
Die Darstellung zeigt den Hof der Kemenate entlang der "gasse vom Thor nach das Tauber thor“ vor den massiven Substruktionen am Berg, die noch heute vor Ort zu sehen sind. Innerhalb der Einfriedung befindet sich das dreigeschossige, sechsachsige Gebäude mit Satteldach und rückseitig angedeutetem Treppenturm, - ein schlichtes Herrenhaus, das nur durch das Eingangsportal und die Haube auf dem rückseitigen Turm eine individuelle Ausprägung erfährt. Ein kleineres Wirtschaftsgebäude mit Durchfahrt bildet links den Abschluss des Geländes, während auf der rechten Seite eine Mauer die Grenze zur "uffahrt nach das / Schloß", den Weg zur oberhalb gelegenen Burg markiert. Die Bezeichnung "Grave Friedrich Ludtwigs / hoff uber der kirchen" bezieht sich in diesem Fall auf Graf Friedrich Ludwig zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg.
Die Datierung auf den 19.10.1629 lokalisiert das Blatt in den Verlauf der Reise des hessischen Fürsten, die ihn kurz vorher nach Cadolzburg geführt hatte. Vermutlich weilte er zu Besuch bei dem namentlich genannten evangelischen Grafen, bevor er wieder nach Frankfurt zurückkehrte.
Kemenate, Skizze
Die unfertig wirkende Skizze, beschriftet unten auf der Straße: "die gasse vom Würtzburger thor nach dem schlosse.", gibt ein weiteres Mal die am Berg gelegene Hofanlage der sog. Kemenate der Grafen zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg wieder, wobei hier links die städtische Bebauung anschließt. Das Herrenhaus grenzt in diesem Fall an die an der Straße gelegene Einfriedung, verfügt aber auch hier über einen rückseitigen Treppenturm. Maßangaben ergänzen die Darstellung. Die Differenzen zu der anderen Darstellung erklären sich möglicherweise durch eine Wiedergabe aus der Erinnerung, wie sie für die Darstellungen des Landgrafen Moritz in einigen Fällen nachweisbar ist. Wichtig war ihm in beiden Zeichnungen die Darstellung der mächtigen Substruktionen am Hang, deren Massivität ihn beeindruckt zu haben scheint.
[463] Nr. 44 in der „Designation“ von 1786 (2° Ms. Hass. 107a): „Abriß von Graf Friedrich Ludwigs Hof Weinkirchen den 19ten Oct: 1629. a M:L:H“
[464] siehe die Akten in: HStAM Best. 4a 38/19
[465] für den Hinweis auf dieses Gebäude danke ich Frau Heine vom Staatsarchiv Wertheim
[466] vgl. Otto Kienitz: Die Fürstlich Löwensteinischen Territorien und ihre Entwicklung, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Alt-Wertheim 1919, Wertheim 1919, S. 33-104, hier S. 66