Schloss - Eschwege

a. Eschwege: Landgrafenschloss

    Das Eschweger Schloss am nordwestlichen Rand der Altstadt geht zurück auf eine Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Burg der Thüringer Landgrafen. Nach einer vermutlich grundlegenden Erneuerung des Nordflügels 1552[124] ließ Landgraf Wilhelm IV. 1581 diesen wie auch den im Kern ebenfalls mittelalterlichen  Westflügel umgestalten und mit Treppentürmen versehen. 1582 legte er zudem einen großen Lustgarten hinter dem Schloss an.[125]

    Landgraf Moritz veranlasste zunächst nur kleinere Umbauten und ließ um 1600 seine Gemächer mit einem umfangreichen Bildprogramm ausmalen.[126] An der Südostecke der Anlage wurde 1615 ein nahezu quadratischer Pavillon errichtet, der durch Arkadengänge mit den älteren Bauten verbunden ist. In diesem Jahr werden jedenfalls in den erhaltenen Bauanschlägen die „beiden Gallerijen und der viereckichte Turm“ erwähnt, die bis auf den Ausbau und das Dach fertig seien, das „Bronnenwerk“ ist hingegen noch in Arbeit.[127] Ein Brunnen im Lustgarten, den der Bildhauer und Architekt Wilhelm Vernukken anfertigen soll, wird allerdings auch schon 1605 erwähnt.[128] Von 1617 bis 1626 war Eschwege Witwensitz der Gemahlin des 1617 verstorbenen Landgrafensohns Otto, Agnes Magdalena von Anhalt-Dessau. Ab 1630 diente das Schloss dem abgedankten Landgrafen mit Unterbrechungen als Wohnsitz.[129] Am 15. März 1632 ist er hier verstorben.

    Die Zeichnungen, die die Schlossanlage von mehreren Seiten zeigen,  betreffen  vor allem die Gestaltung der Außenanlagen des Schlosses. Neben Entwürfen für die Gestaltung eines Vorhofs an der Stadtseite, wo der Fürst  zudem eine neue Kanzlei plante, finden sich Pläne für die Anlage einer Rennbahn mit Turnierhaus und eines größeren Lustgartens an der Werra. Zu datieren sind diese Darstellungen vermutlich sämtlich in die letzten Lebensjahre des Fürsten 1630/31.

     

    2° Ms. Hass. 107 [107] recto, unten

    Ansicht von Osten

    Die auf einem Blatt mit einer Zeichnung von Treffurt vereinte Vogelschauansicht präsentiert die Stadtfront des Schlosses mitsamt dem 1615 errichteten "pavi­glion"  mit La­ternenaufsatz, dem „durchsichtig türmlein“ - wie Georg Fabricius es beschreibt[130] - an der Südwestecke. Daran schließen sich jene, den Pavillon mit den älteren Gebäuden im Norden und Westen verbindenden „gallereijen“ mit Balustraden an, deren Fertigstellung mit „Eijsengijtter oder Sprengwerk“ Fabricius in seinem Bericht  von 1615 in Aussicht stellte. Vor der Stirnseite des Nordflügels liegt ein kleines„gärtlein“, das durch ein als Pendant zu dem „porthauß“ neben dem Portal eingezeichnetes „garthauß“ vervollständigt wird.

    Die städtische Bebauung im Vordergrund ist im Plan angedeutet, wobei  die eingezeichnete "ledige Baustädte zur Cantzley" den Plan des Landgrafen offenbart, an dieser Stelle in der unmittelbaren Umgebung des Schlosses, ähnlich wie in Melsungen, einen neuen Kanzleibau zu errichten.

    Aufgrund der Datierung der auf demselben Blatt angebrachten Zeichnung von Treffurt auf den 21.04.1630 kann man von einem engen zeitlichen Zusammenhang der Darstellungen ausgehen. Landgraf Moritz reiste seinerzeit von Treffurt direkt nach Eschwege, um dort mit seinem Gefolge das Schloss zu beziehen.[131]

     

    2° Ms. Hass. 107 [102] recto

    Ansicht von Osten

    Ähnlich wie 2° Ms. Hass. 107 [107] recto, unten zeigt diese sorgfältig gezeichnete Vogelschauansicht auf einem Doppelblatt das Schloss von Osten, wobei die umgebende Bebauung nur angedeutet und teilweise im Plan angegeben ist. Erkennbar wird die nahezu quadratische Anlage der Gebäude mit den Arkadengängen. Neben den „hinder hof zwischen dem Schloß und garten“, der an das „hohner thor“ angrenzt, zeichnet Landgraf Moritz in diesem Fall auch einen „Vorhof“ ein, der den kleinen Garten an der Vorderseite des Schlosses bis zum Portal neben dem Pavillon rechteckig ergänzt. Das tiefer gelegene „klein gärtlein“ wird über ein Treppenpodest an der Stelle des in 2° Ms. Hass. 107 [107] recto, unteneingezeichneten Gartenhauseszugänglich. Die Stirnseite des Nordflügels erhält anstatt des Erkers hier einen zentralen Mittelrisalit, - auch das  eine Gestaltungsidee des Fürsten zur Verschönerung des Baues, die nicht umgesetzt wurde. Die „ledige baustädte“ im Vordergrund bezeichnet wieder den Platz, den der Fürst für den Neubau einer Kanzlei in Aussicht genommen hatte.

     

    2° Ms.  Hass. 107 [106]

    Ansicht von Osten

    Ebenso wie 2° Ms. Hass. 107 [102] recto präsentiert auch diese Ansicht von Osten die Schlossanlage und die nähere Umgebung mit Honer Tor und Landvogtei, wobei der Schwerpunkt auf dem Platz vor dem Schlosseingang liegt, dessen freie Fläche genau vermessen ist. Möglicherweise wurden diese Maße benötigt, um hier ein Straßenpflaster anzulegen. Auch in diesem Fall befinden sich beidseits des Schlossportals zwei eingefriedete Gärten („Pörtners garte“, „Caningarte“), wobei  der Caningarten wie in 2° Ms. Hass. 107 [107] recto, unten ein Gartenhaus als Pendant zum Pförtnerhaus aufweist. Eine massive Mauer mit zwei Portalen („herrn thor“, „neben thor“) separiert diesen Bereich von der Umgebung. Diese sorgfältige Einfriedung scheint ein wesentliches Anliegen des Kasseler Landgrafen gewesen zu sein.

     

    2° Ms. Hass. 107 [105]

    Ansicht von Osten

    In dieser Vogelschauansicht, die eine weitere Gestaltungsvariante für das Areal östlich vor dem Schloss zeigt, präzisiert Landgraf Moritz seine mehrfach formulierte Entwurfsideen durch die Einzeichnung des „neuen“ Baus, eines langgestreckten Gebäudes mit vier Zwerchgiebeln gegenüber dem von ihm geplanten Vorhof, der den "platz vor der Apoteken. / zum Spielplatz zu gebrauchen" und den „Canin garte“ umfasst.

    Die Rasterung des freien Platzes und der Straße an der Vogtei, die sorgfältig vermessen sind, steht möglicherweise in Zusammenhang mit einer geplanten Aufpflasterung der Strassen in der Schlossumgebung, die in 2° Ms. Hass. 107 [107] recto, unten noch in der üblichen Weise von Abwasserrinne durchzogen sind.

    Der eingefriedete Vorhof und die Pflasterung dienten dem Ziel, das Aussehen des fürstlichen Wohnsitzes in diesem Bereich zu verbessern und Unrat fern zu halten.

     

    2° Ms. Hass. 107 [104]

    Rennbahn und Entwurf für eine "Neue Galerie

    Der nordwestlich hinter dem Schloss  gelegene "blatz zwischen dem schlosse / und Lustgarten“ war nach Ansicht des Landgrafen „Zum bereit und Rhennen platz zu ge brauchen“,  wie in dieser Vogelschauansicht aus Richtung des Honer Tores dokumentiert ist. Entlang des Westflügels erstreckt sich ein 227 Fuß langer und 72 Fuß breiter Platz, der im Norden durch die  "Neue galerie ahn dem schlosse", einen eingeschossig überbauten Arkadengang,  abgeschlossen wird. Ein „bereithauß“ an der vorderen Mauer vervollständigt die intendierte Funktion eines  höfischen Reit- und Turnierplatzes.

    Die handschriftliche Anmerkung des Landgrafen: „ NB. dieser abriß ist falsch der thurm stehe / besser zur seite, die garten linie läuft herein und / nicht hinderß, die linea vondem schlosse her ist / 303 schue lg, die garten linie 330. Also / wehre Linea adaequirte 316 1/2 schue."  korrigiert die eingetragenen Maße und belegt die intensive Auseinandersetzung des Landgrafen mit der Ausgestaltung in diesem Bereich.

     

    2° Ms. Hass. 107 [103] recto

    Rennbahn mit Entwurf für eine Galerie

    Ebenso wie 2° Ms. Hass. 107 [104] zeigt auch dieses kleine Blattdas für eine Rennbahn vorgesehene Gelände am Schloss nebst einer Galerie von Süden. An der linken Seite schließt der „lust garte“ an. Der im Vordergrund eingezeichnete Bau des Honer Tores erhält in diesem Fall einen Dachaufbau mit Laterne, der der Haube des Pavillons angeglichen ist, vermutlich ein Einfall des Landgrafen, der nicht der Realität entsprach. In diesem Turm befand sich jene von Landgraf Moritz eingerichtete Wasserkunst, die durch eine Pumpe bei der Mühle an der Werra gespeist wurde und das Wasser in die Springbrunnen des Gartens und in die fürstliche Küche verteilte.[132]

     

    2° Ms. Hass. 107 [103] verso

    Abrechnungsliste über Nahrungsmittel der Hofküche

    Die auf der Rückseite der Zeichnung des Entwurfs einer Galerie an der Rennbahn befindliche Abrechnungsliste der Hofküche listet diverse Lebensmittel (u.a. "Kälber", "Lämmer", "Wild", „Caphaunen“, "Karpfen", "Stockfisch" etc.) mit den zugehörigen Kosten auf und steht somit nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit der Zeichnung.

     

    2° Ms. Hass. 107 [102] verso

    Schloss mit Rennbahn und Lustgarten von Norden

    Die sorgfältig konzipierte Vogelschauansicht auf einem Doppelblatt präsentiert das hinter dem Schloss gelegene Areal von der Werra aus, wobei am oberen Bildrand das Honer Tor mit der Wegkreuzung "Weg von Reichensachsen" / "Weg nach Nieder hohne“ zu sehen ist.  Hinter dem Westflügel des Schlosses befindet sich der langgestreckte, mit Maßangaben versehene "renneplatz", der hier durch ein halbrundes, durch Arkaden-Substruktionen erhöhtes "provisto drauß dem Rennen zu zu sehen“, d.h. eine Zuschauerplattform, abgeschlossen wird. Der rechts anschließende Lustgarten ist in diesem Fall in vier nach Planeten ("Sol", "Mars", "Jupiter" und "Saturnus") benannte Kompartimente unterteilt. Diese Bezeichnung der Felder hängt eng zusammen mit den bekannten alchemistisch-naturwissenschaftlichen Interessen des Landgrafen. Das 1625 erschienene Buch des mit Moritz in brieflichem Austausch stehenden Coburger Gelehrten Johann Popp „Kräuter Buch: Darinnen die Kräuter des Teutschen Landes, aus dem Licht der Natur, Nach rechter Art der Signaturen der Himmlischen Einfliessung [...] beschrieben“ beschäftigte sich z.B. explicit mit dem positiven Einfluß der Himmelskörper auf die Pflanzen, insbesondere die Arzneipflanzen. Bekannt ist, dass  in Mantua seinerzeit ein Heilpflanzengarten existierte, der nach der Stellung der Planeten eingerichtet war.[133] Ob ein solcher „Planetengarten“ in Eschwege tatsächlich verwirklicht wurde, erscheint zweifelhaft.

    Im Vordergrund befindet sich unweit der am linken Bildrand gelegenen Mühle an der Werra ein kleiner sechseckiger Fachwerkbau mit Kranausleger, bez. „Der Gran“, der zur anschließenden „schlacht“ gehörte, der Umladestation für die Frachtschiffe.  Landgraf Moritz hatte sich in Eschwege, wie in vielen anderen Orten auch, für die Schiffbarmachung des Flusses engagiert und die Schlagd anlegen lassen.[134]

     

    2° Ms. Hass. 107 [108] recto, unten

    Ansicht  von Westen mit Planetengarten

    Die Vogelschauansicht von Westen zeigt ähnlich wie 2° Ms. Hass. 107 [102] verso einen großen, rechteckigen Rennplatz hinter dem Schloss, an den der ebenso mit Planetennamen bezeichnete Lustgarten anschließt. Es fehlt hier aber die Zuschauertribüne bzw. die in anderen Darstellungen thematisierte Galerie am Rennplatz. Augenfällig wird hier besonders die Übereinstimmung der Dachformen von Pavillon und Stadtturm, die auch in 2° Ms. Hass. 107 [103] erkennbar ist, eine Gestaltungsidee des Landgrafen zur Vereinheitlichung der Außenwirkung der Schlossanlage.

     

    2° Ms. Hass. 107 [108] recto, oben

    Ansicht von Norden

    In dieser  kleinen, vermutlich ergänzend am oberen Rand der anderen Zeichnung auf diesem Blatt  eingefügten  Ansicht des Schlosses von Norden wird das abschüssige Terrain zwischen dem  Nordflügel und der Schlagd wiedergegeben, das als „holtzblatz“ bezeichnet wird. Ebenso wie in 2° Ms. Hass. 107 [102] verso trennt eine Mauer an der nordwestlichen Ecke des Flügels diesen Bereich vom anschließenden „Rennplatz“.

     

    2° Ms. Hass. 107 [101]

    Schloss mit Gartenanlage von Norden

    Die Zeichnung zeigt die hinter dem Schloss gelegenen Gartenbereiche, wobei der Westflügel am linken Bildrand nur angeschnitten erscheint. Unterhalb des an den „Renneplatz“ angrenzenden Lustgartens, ist das Terrain an der Werra zum Teil dreifach terrassiert, was vor allem durch die sorgfältig abgestufte Mauer zur Schlagd hin deutlich wird. Ein zwei Ebenen überspannender, abgegrenzter Bereich in der Mitte ist durch die regelmäßige Parzellierung als Lustgarten ausgewiesen („hinder gärtlein“) und umfasst ein kleines Gartenhaus.  Dieses Haus erscheint auch noch in späteren Plänen.[135] Daneben erstreckt sich ein „Baumgärtlein“ bis zur Mauer. Das am rechten Blattrand nur angedeutete Gebäude am Werraufer unterhalb des äußeren Torgebäudes kann man als eines der zwei Rondelle  identifizieren, die Landgraf Moritz am Ende des Gartens errichten ließ und von denen eines noch heute erhalten ist. Dilich schreibt in seiner  „Hessischen Chronik“, der Fürst habe das Eschweger Schloss „anno 1595  mit einem liblichen schönen lustgarten  /  einer  mawren mit zweyen artigen rundelen erweitern“ lassen.[136]

    Vermutlich handelt es sich hier um einen Umgestaltungsentwurf, der das terrassierte Gelände an der Werra betrifft.

     

    2° Ms. Hass. 107 [15]

    Maßtabelle zu einem Zaun am Schlossgarten

    Das bisher nicht zugeordnete kleine Schriftstück "Data des langen gartten Zauns an / der werra von den Rundehlen an / biß an die schlacht“ gehört eindeutig zu den Zeichnungen vom Eschweger Schlossgarten. Die Verortung von „Rundehlen“ und „schlacht“  an der Werra stellt einen Zusammenhang mit der Zeichnung 2° Ms. Hass. 107 [101] her, wo der Garten in diesem Bereich dargestellt ist.  Die genaue Maßtabelle erfasst den Umfang der verschiedenen Gärten zwischen Lustgarten und Werra.

     

    2° Ms. Hass. 107 [18]

    Lageplan mit Vermessungstabelle von Grundstücken hinter dem Lustgarten

    Der Grundstücksplan mit den  "Data hinderm hindersten gartten / Thor” verzeichnet die Gärten und Äcker die an die hinterste Grenze des Lustgartens mit den beiden Rondellen angrenzen. Text und Darstellung stehen vermutlich  in engem Zusammenhang mit der offensichtlich von gleicher Hand angefertigten Maßtabelle zu einem Zaun am Schlossgarten 2° Ms. Hass. 107 [15].

    Fußnoten

     


    [124] Großmann 2010, S. 97

    [125] Denkmaltopographie 1992, S. 176

    [126] vgl. Borggrefe/Fusenig/Kümmel 2000

    [127] Bericht von Georg Fabricius vom 26.12.1615, in: HStAM Best. 53e Pak. 61

    [128] Brief von Rentmeister Muldener vom 30.06.1605, in: HStAM Best. 53e Pak. 60

    [129] Löwenstein 1989, S. 105

    [130] siehe Anm. 127

    [131] Löwenstein 1989, S. 105

    [132] Hochhuth 1826, S. 56

    [133] Tomasi 1993, S.78

    [134] Schmincke 1922, S. 218

    [135] Plan von 1745, vgl. Denkmaltopographie 1992, S. 177

    [136] Dilich 1605, S. 137