Kassel: Karten

f. Kassel: Karten

Neben dem wahrscheinlich Wilhelm Dilich zuzuschreibenden unvollendeten Fragment  einer  Amtskarte von Kassel und Umgebung enthält der Bestand zwei Zeichnungen des Landgrafen Moritz, die möglicherweise sämtlich im Zusammenhang mit den Landtafeln Wilhelm Dilichs stehen.

2° Ms. Hass. 107 [197]

Wilhelm Dilich (?), Entwurf für eine Amtskarte

Die aus fünf Einzelteilen zusammengesetzte Karte, deren ungewöhnliches Format auf eine spätere Reduzierung schließen lässt,  erweist sich als unvollendetes Fragment einer von  einem Landvermesser mit Hilfsinstrumenten angelegte Karte des Amtes Kassel, wobei im Zentrum die Festung Kassel steht. Die deutliche erkennbaren geritzten Blindlinien, das an einer Stelle vorhandene Linienraster und die Graphitkorrekturen im Kernbereich lassen die Vorgehensweise des Zeichners erkennen.

Die ausführliche Beschriftung, die auch heute noch in Kassel vertraute Namen verwendet (z.B."Müncheberg", "Auefeldt", "Burgfeldt"), stimmt überein mit dem von Wilhelm Dilich in seinen Landtafeln verwendeten Schema, wobei die Gleichartigkeit des Schriftbildes seine Autorschaft auch in diesem Fall sehr wahrscheinlich macht.

Die Anlage der Festung entspricht weitgehend dem in Stockholm aufbewahrten Plan[259], der zwischen 1618 und 1623 datiert wird, wie auch dem von Holtmeyer um 1620 datierten Festungsplan.[260] Da Dilich bis 1618 mit der Arbeit an dem groß angelegten Projekt der Landtafeln für Landgraf Moritz beschäftigt war, das auch eine Karte des Amtes Kassel  beinhalten sollte,[261] dürfte die Zeichnung spätestens 1618 entstanden sein.

2° Ms. Hass. 107 [212] recto

Landtafeln von Nordhessen, Skizze

Die skizzenhafte Zeichnung auf diesem später mit der Nummer „31“ versehenen Blatt lässt sich bei näherer Betrachtung in zwei nicht eindeutig getrennte, schematische Landtafeln des „Niederfürstenthums“[262] differenzieren.  Der obere Plan zeigt das Gebiet um Ziegenhain, wobei der Norden („septentrio“) links liegt, der untere präsentiert Kassel mit Umgebung in ähnlicher Ausrichtung.  In diesen Zusammenhang gehört vermutlich auch die Tabelle auf der Rückseite des Blattes, die hessische Städte auflistet. Eine im Marburger Staatsarchiv befindliche "Landtafell uber die Stede Im niderfürstenthumb“ von der Hand des Landgrafen Moritz[263] präsentiert die Landgrafschaft in ähnlicher, sehr vereinfachter Weise, wobei nur die ungefähre Ortslage im Gesamtzusammenhang des Hoheitsgebietes von Interesse ist. Da das Blatt aufgrund des Wasserzeichens relativ früh zu datieren ist (1607-1615), könnte die Zeichnung im Zusammenhang mit den Landtafeln Dilichs entstanden sein.

2° Ms. Hass. 107 [212] verso

Idealplan von Stadt und Festung

Der schematische Idealentwurf für die Stadt Kassel bringt die Grundform der Stadt und Festung Kassel in die Gestalt zweier halbkreisförmiger Befestigungen mit rasterförmigem Straßennetz zu beiden Seiten des Flusses.  Auf diesem ist eine elegante, von zwei Personen mit langen Rudern bewegte Gondel eingezeichnet, beschriftet "Giovanni eccelio in gondola", eine humorvolle  Anspielung auf den landgräflichen Sekretär Johann Eckel, der dem Landgrafen viele Jahre treu diente.[264] Der Entwurf orientiert sich mit seinem regelmäßigen Bastionärssystem an zeitgenössischen Entwürfen für moderne Befestigungen, wie sie etwa Daniel Specklin in seinen Büchern zur Festungsbaukunst zeigt.[265] Der Ausbau der Befestigungsanlagen in Kassel war lange Jahre ein wesentliches Anliegen des Landgrafen Moritz gewesen.

Das ebenfalls auf dieser Blattseite befindliche siebenspalti­ge Verzeichnis von Ortsnamen bezieht sich vermutlich auf die rückseiti­gen skizzen­arti­gen Landtafeln.

Fußnoten

 


[259] Riksarkivet Stockholm 0406:25:038:001, vgl. Papritz 1964/65

[260] Holtmeyer 1923, Taf. 64

[261] vgl. Stengel 1959

[262] in der Übergabeliste von 1786: „31. Zeichnung von einem Theil des Niederfürstenthums Nordhessen“, 2° Ms.Hass. 107a, fol. 7 verso

[263] HStAM Karten P II 10529

[264] vgl. Broszinski 2011, S. XXII

[265] z.B. Fischer 1996, Abb. 70