Melsungen: Riedeselsche Vogtei

Melsungen: Riedeselsche Vogtei

In der nordwestlichen Ecke der Stadt lagen unweit des landgräflichen Schlosses die ehemaligen Burgmannensitze der Freiherren von Riedesel und von Berlepsch. Während der Berlepsche Burgsitz damals wüst lag, war die sog. Riedeselsche Vogtei, ein  sehr alter, freistehender Fachwerkbau noch gut erhalten. Dieser bildet den Mittelpunkt in zahlreichen Zeichnungen des Landgrafen Moritz, die diesen Bereich der Stadt wiedergeben. Hintergrund war das Vorhaben, hier einen neuen Renthof bzw. ein Wagenhaus zu errichten. Die Wiedergabe des Riedeselschen Herrenhauses variiert dabei erheblich.[337]

 

2° Ms. Hass. 107 [232] recto, unten rechts

Riedeselsche Vogtei und Renthof mit Umgebung

Die Vogelschauansicht präsentiert den nordwestlichen Bereich der Stadt rund um die Riedeselche Vogtei, gesehen vom Marstall aus. Dabei wird die Fachwerkbebauung an „Cassel gasse“, „Burg gasse“, „Strohe gasse“ und „Eichsfeldt“ mit ihren unterschiedlichen Gebäuden detailliert wiedergegeben. Der eindrucksvolle dreigeschossige Ständerbau des Riedeselschen Burgsitzes ragt aus dieser Bebauung deutlich heraus. Die Darstellung des „Rendthoff“, des Vorhofes mit Marstall und großer Scheuer, stimmt überein mit dem auch in den anderen Zeichnungen gegebenen Bestand (vgl. z.B. 2° Ms. Hass. 107 [219] recto, unten rechts)

 

2° Ms. Hass. 107 [247]

Riedeseler Hof und Umgebung, Lageplan

Ähnlich wie 2° Ms. Hass. 107 [232] recto, unten rechts gibt auch dieser sorgfältig angelegte Plan den Bereich um die Riedeselsche Vogtei wieder. Der Riedeselsche Besitz mit dem großen, als „fruchthauß“ genutzten Fachwerkbau, der Scheuer und den verschiedenen Gärten am „Eulen / thurm“ schließt direkt an die westliche Seite des Renthofes an und nimmt eine ziemlich große Fläche ein (vgl. die Maßangaben in 2° Ms. Hass. 107 [259] verso, links). Die fast quadratische „berlibsche Baustädte“ liegt hinter der „Linde“ direkt an der Stadtmauer.

Die Heftspuren am Falz lassen darauf schließen, dass das Blatt ehemals mit anderen Zeichnungen zusammengeheftet war.

 

2° Ms. Hass. 107 [248]

Berlepscher Hof und Umgebung, Lageplan

Ebenso wie 2° Ms. Hass. 107 [247] zeigt dieser Situationsplan das Gelände der Burgsitze der Herren von Berlepsch und von Riedesel, in diesem Fall liegt aber der Fokus eindeutig auf dem Berlepschen Gelände „jetzo eine bleichstädte“,  ein Terrain, das Landgraf Moritz gern anderweitig nutzen wollte (vgl. 2° Ms. Hass. 107 [250]).

 

2° Ms. Hass. 107 [250]

Entwurf für einen neuen Renthof auf dem Berlepschen Burgsitz, Lageplan , 1627

Die auf den 15. August 1627 datierte Zeichnung basiert auf den Lageplänen 2° Ms. Hass. 107 [247]+ [248] und präzisiert die Vorstellungen für einen Neubau an der Stelle des Berlepschen Burgsitzes: "Also kan der Neue Rendthof / erbaut werden wan der Berlibschen / baustädte hierzu erlanget werden kann“. Landgraf Moritz sah demnach dafür eine quadratische Fläche vor, die direkt an die Stadtmauer grenzt, aber nicht den gesamten Bereich des alten Platzes einnimmt.

 

2° Ms. Hass. 107 [249]

Entwurf für einen neuen Renthof an der Stelle des Berlepschen Burgsitzes, 1627

Wenige Tage nach 2° Ms. Hass. 107 [250] ist diese Ansicht datiert: "Neuer Rendthof zu Milsung[en] so / uff der jetzig Berlibschischen Baustädte er / baut werd[en] soll; inventiert den / 19 Aug: 1627. M.H.L.“. Der geplante Neubau ist in der Vogelschau wiedergegeben, während die vorhandene Umgebung wie in 2° Ms. Hass. 107 [247]als Plan verzeichnet ist. Der Renthof, eine dreiseitige, aus unterschiedlich großen Gebäuden zusammengesetzte Anlage aus Fachwerkbauten mit massivem Erdgeschoss schließt direkt an die Stadtmauer an und nimmt, anders als noch in der Zeichnung vom 15. August, die gesamte Fläche des alten Burgsitzes ein.

Feine Nadelspuren am Falz lassen auch in diesem Fall darauf schließen, dass das Blatt ehemals mit anderen Zeichnungen zusammengeheftet war (vgl. 2° Ms. Hass. 107 [247]).

 

2° Ms. Hass. 107 [245]

Entwurf für einen neuen Renthof an der Stelle des Berlepschen Burgsitzes

Diese weiträumige Vogelschauansicht präsentiert den neuen Renthof an der Stelle des Berlepschen Burgsitzes im Situationszusammenhang mit dem dem alten Renthof, dem Riedeseler Hof und den Bürgerhäusern an Burggasse, Strohgasse und Eichsfeld. Ebenso wie in 2° Ms. Hass. 107 [249] erstreckt sich der Neubau als dreiflügeliger Bau auf der gesamten Fläche des alten Burgsitzes, wobei der Landgraf aber in diesem Fall einen einheitlichen Steinbau konzipiert, der mit seinen beiden Stirngiebeln und der regelmäßigen Fensterordnung ein repräsentatives Aussehen erhält und an die Gestaltung des Vorhofes anknüpft.

 

2° Ms. Hass. 107 [241] recto, unten rechts

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein Wagenhaus

Die kleine Zeichnung auf einem schon zu einem frühen Zeitpunkt zusammengeklebten Blatt zeigt den Riedeselschen Hof neben dem Vorhof des Schlosses, ergänzt durch ein „Wagenhauß“ auf der freien Fläche vor dem als „fruchthauß“ genutzten alten Fachwerkgebäude (vgl. 2° Ms. Hass. 107 [232] recto) auf einer Fläche von 20 x 90 Fuß. Der Bau hätte damit den bisher freien Platz weitgehend versperrt. In den anderen Entwürfen für eine neue Remise suchte Landgraf Moritz deshalb nach einem weniger exponierten Platz.

Das auf dem Papier erhaltene Siegel steht im Zusammenhang mit dem rückseitig erhaltenen Fragment eines  Schriftstücks, unterzeichnet "Milsungen den 2. Aprilis 1627 / Josias Hombergk". Landgraf Moritz benutzte gerne jeden freien Platz auf den ihm gerade vorliegenden Papieren für seine spontanen Zeichnungen, wie auch die Skizzen in den Akten im HStAM belegen.

 

2° Ms. Hass. 107 [241] recto, oben

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein Wagenhaus hinter dem Marstall

Diese mit einem weiteren Entwurf für ein Wagenhaus an der Riedeselschen Vogtei zusammengeklebte Zeichnung illustriert eine weitere Variante, in der die Remise in einen neuen „hinderwand hoff“ hinter dem Marstallhof am Schloss integriert wird. Die zweckmäßige räumliche Nähe von Stallhof und Wagenhaus spielt in allen Entwürfen eine nicht geringe Rolle.

Für diese naheliegende und sinnvolle Erweiterung des Schlossbezirks, die auch im Idealentwurf für das Melsunger Schloss (2° Ms. Hass. 107 [235]) ihren Ausdruck findet, wäre aber der Erwerb eines Teils des Riedeseler Besitzes vonnöten gewesen. - Allerdings erscheint es beim Abgleich der verschiedenen Maßangaben fraglich, ob vor dem alten Fachwerkgebäude überhaupt genügend Platz für eine solche Lösung zur Verfügung gestanden hätte.

 

2° Ms. Hass. 107 [242] recto, links

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein Wagenhaus

Ähnlich wie in 2° Ms. Hass. 107 [245] zeigt die Vogelschauansicht den nordwestlichen Bereich an der Stadtmauer, gesehen von Osten. An der Stelle des Entwurfs für einen Renthof steht aber in diesem Fall das Fachwerkgebäude einer einfachen, langgestreckten Remise mit einem zentralen Risalitvorbau.

 

2° Ms. Hass. 107 [242] verso, rechts

Riedeselsche Vogtei  mit Entwurf für ein Wagenhaus

"Ein stück von der Stadt Milsung[en] hinder dem f. Rendthofe / die Burggasse, Strohe gasse, und Eichsfeldt zum theil berührend / Alda das newe Wagen hauß hin solt gesetzet werd[en]" lautet die Überschrift über der Zeichnung, die ebenso wie die rückwärtige Vogelschauansicht den Neubau eines Wagenhauses neben der Riedeselschen Vogtei zum Thema hat. Auch hier handelt es sich um ein langgestrecktes, zweigeschossiges Fachwerkhaus (24 x 95 Fuß), das den „Berlibschen Burgplatz“ nur geringfügig tangiert. Das Riedeselsche Herrenhaus erscheint in diesem Fall als dreigeschossiger Ständerbau, der allerdings - im Gegensatz zu den anderen Darstellungen - irrtümlich traufseitig und nicht giebelseitig an den Platz gesetzt ist.

 

2° Ms. Hass. 107 [244] recto, oben links

Riedeselsche Vogtei  mit Entwurf für ein Wagenhaus

In weitgehender Übereinstimmung mit 2° Ms. Hass. 107 [242] recto, links gibt die Vogelschauansicht die nordwestliche Ecke der Stadt mit der Riedeselschen Vogtei und einem Entwurf für eine davor gelegene Remise wieder. Der langgestreckte, zweigeschossige Fachwerkbau erstreckt sich in dieser Variante entlang des Berlepschen Burgsitzes (Länge 129 Fuß) und ist über eine großes, zweiflügeliges Tor zugänglich.

 

2° Ms. Hass. 107 [244] recto, unten links

Entwurf für ein Wagenhaus vor der Riedeselschen Vogtei

Die kleine Zeichnung zeigt eine weitere Variante zu dem darüber platzierten Entwurf für eine Remise vor der Riedeselschen Vogtei, in diesem Falle ein eingeschossiger Fachwerkbau von 95 Fuß, der durch drei Zwerchgiebel vermutlich eine optimale Nutzung des Dachgeschosses gewährleisten sollte.

 

2° Ms. Hass. 107 [230] verso

Nordwestliche Stadtecke mit Entwurf für ein Wagenhaus, Lageplan

Der Lageplan der Bebauung der nordwestlichen Stadt zwischen „Cassel gasse“ und Stadtmauer an verzeichnet zwischen "Riedesels vogtey" und "Berlibschischer / Burgplatz" wie in den anderen Zeichnungen ein „Neues Wagenhauß“, einen langgestreckten Bau an der „Strohe gasse“.

 

2° Ms. Hass. 107 [230] recto, unten

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein Wagenhaus

Im Zentrum der Vogelschauansicht der nordwestlichen Stadtecke mit dem markant wiedergegebenen „eulen thurm“ steht hier wieder die Riedeselsche Vogtei mit ihren Nebengebäuden, wobei die Gebäude im Vordergrund im Grundriss angegeben sind. Dazu gehört auch der "Neue / Wag[en] hauß / Bauw" entlang des "Berlibsche Burgplatz", neben dessen Einfahrt an der Stirnseite eine von außen zugängliche Wendeltreppe in der Gebäudeecke eingezeichnet ist (vgl. 2° Ms. Hass. [233] verso, oben links).

 

2° Ms. Hass. 107 [233] verso, oben links

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein neues Wagenhaus

Die kleine Zeichnung auf einem Blatt mit mehreren Entwürfen zu neuen Bauten in Melsungen zeigt noch einmal sehr anschaulich die geplante Position des neuen Wagenhauses, wobei auch hier die Gebäude im Vordergrund im Grundriss dargestellt sind. Auf diese Weise erhält man einen interessanten Einblick in das Vogteigebäude.[338] An der Seite zum Vorhof hin liegt der "ledig platz zur Ein / fahrt in die herren / scheuer", der im rückseitigen separaten Entwurf durch ein Torgebäude abgeschlossen wird.

 

2° Ms. Hass. 107 [233] verso, oben rechts

Riedeselsche Vogtei mit Entwurf für ein neues Wagenhaus, unvollendete Skizze

Ebenso wie die auf der linken Blattseite gelegene Zeichnung thematisiert auch diese Skizze die geplante Position von Riedeselscher Vogtei, dem neuen Wagenhaus und dem herrschaftlichen Stallhof. Auch hier wird der Abstand zwischen Stallhof und Vogtei markiert (56 Fuß), der auf der rückseitigen Zeichnung durch ein Fachwerkgebäude abgegrenzt und geschlossen wird.

 

2° Ms. Hass. 107 [233] recto, oben

Entwurf für eine Einfahrt zwischen Riedeselscher Vogtei und Schlossvorhof

Die sorgfältig angelegte Zeichnung ergänzt die Riedeselsche Vogtei auf der linken Seite durch eine Fachwerkkonstruktion mit zwei Durchfahrtstoren, die den Abstand zur Scheuer im Stallhof überbrückt. Dadurch wäre der Platz an der Vogtei – bisher öffentlicher Raum - dem Schlossbezirk zugeschlagen worden.

 

2° Ms. Hass. 107 [233] verso, unten links

Entwurf für ein Wagenhaus (?)

Die kleine perspektivische Ansicht auf einem Blatt mit mehreren Entwurfszeichnungen für Bauten in Melsungen zeigt ein einfaches Fachwerkgebäude mit Zwerchgiebel, dessen weiträumige Balkenabstände auf eine Funktion als Stall oder Wagenhaus schließen lässt. Möglicherweise handelt es sich um eine weitere Entwurfsvariante für ein Wagenhaus an der Riedeselschen Vogtei.

Fußnoten

 


[337] vgl. Helm 1967, S.21f.

[338] vgl. Helm 1967, S. 21