Sontra

Sontra

Die alte Berg- und Handelsstadt Sontra, 1232 erstmalig urkundlich erwähnt, erhielt 1368 die Stadtrechte. Im hessisch-thüringischen Grenzbereich gelegen, kam sie nach mehreren Besitzerwechseln 1433 endgültig in die Landgrafschaft Hessen.[365] Ihre Bedeutung gründet sich vor allem auf den Bergbau im Richelsdorfer Gebirge und die Funktion als Sitz eines Berggerichts. Seit 1627 gehörte die Stadt zur Rotenburger Quart, dem Erbteil der Söhne aus der zweiten Ehe des Landgrafen Moritz. Infolge des Dreißigjährigen Kriegs kam es 1634 bis 1636 zu heftigen Verwüstungen.

Die landgräfliche Burg an der Pfarrkirche wird erstmalig 1368 erwähnt und diente später als Jagdschloss und Amtshof. 1594 wurden Marstall und Fruchthaus wegen Baufälligkeit abgerissen und neu errichtet.[366] 1619 berichtet der Rentmeister wiederum über Schäden und erwähnt zwei Scheunen, eine davon beim „Herrenhaus“ gelegen.[367] Damit ist vermutlich der Bau gemeint, der in den Zeichnungen des Landgrafen als „neuer Bau“ neben dem als „alten Bau“ bezeichneten Amtshaus erscheint. Amtsrechnungen erwähnen schon 1611 diesen „alten Bau“, so dass man schlussfolgern kann, dass der Neubau zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt war. In der Leichenpredigt von Paul Stein heißt es: „Zu Sontra haben Ihre F.FG. einen gantz newen Baw / von steinen aufführen / und in denselben unden auff der einen seiten einen Marstall / auff der andern seitten gegenuber / etliche Camern / oben in der höhe aber zween stattliche Fruchtboden uber einander anrichten lassen“[368]. Für 1627, das Jahr nach der großen Pest, sind in den Amtsrechnungen einige Arbeiten am Schloss belegt.[369] Die in den Oktober 1630 datierten Zeichnungen des Landgrafen Moritz geben vermutlich eine weitgehend getreue Bestandsaufnahme dieses Zustands, der bereits 1634 nachhaltig zerstört wurde. Der ehemalige Marstall diente noch im 18. Jhdt. als Amtshaus.[370] Im 20. Jhdt ließ man die Überreste abbrechen, erhalten blieben nur die Außenmauern eines Nebengebäudes, das zum Wohnhaus umgebaut wurde.

 

2° Ms. Hass. 107 [313] recto, rechts

Landgräfliches Schloss mit Umgebung von Norden, 1630

Die Vogelschauansicht auf einem Doppelblatt, das verschiedene Zeichnungen von Sontra, Cornberg und Melsungen kombiniert, präsentiert  den "schloßhof zu Sontra / erweitert wie der dritte / baw, 1630 den 23. Octobris / M.H.L." mit seiner Umgebung von Norden. Links neben dem Schlosshof, der neben dem “alten und “neuen“ Bau auch einen “Marstal” umfasst, liegt der „Vorhof“, dessen Bebauung genau erläutert wird: "ein pferdtstall an der / Stadtmauern. 80.  / davor ein scheuer gegen der schloß / mauer uber, 112 schue lang.  / Item die scheuer und viehestäl / oben bey dem Bakhause. / 40 schu lang." Die Stadtmauer umfasst den Gebäudekomplex auf der rechten Seite samt dem neben dem Schloss gelegenen: "garten so wol zur / küche als zum obst. biß / an die strasse nach Königs wald". Entsprechend seiner Funktion als zeitweiliger Wohnsitz des Landgrafen ist der "Neu bau” als zweigeschossiger Steinbau mit geschweiften Stirngiebeln, zentralem Zwerchgiebel an der Außenseite und Treppenturm an der Hofseite ausgestattet.

Die ausführliche Erläuterung und die Maßangaben legen nahe, dass diese Bestandsaufnahme vor Ort entstanden ist.

 

2° Ms. Hass. 107 [313] verso, links

Landgräfliches Schloss mit Umgebung

Die Darstellung auf der Rückseite der 1630 datierten Zeichnung von Norden gibt das Schloss aus dem gleichen Blickwinkel wieder, allerdings mit einem erweiterten Umfeld, das hier den gesamten “Vorhof” und die Situation bis zum “Oberthor” im Vordergrund einschließt. Dadurch ist am linken Rand auch der „kirchof“ mit dem „Turn“ eingetragen, sowie das neben dem Vorhof gelegene „biedefeldisch hauß“. Ebenso wie der "Böneburgische hof" in der Mitte gehörte er zu jenen adeligen Burgsitzen, die sich von alters her um die Kirche gruppierten.[371] Amtshaus und Marstall entsprechen sehr genau der Darstellung auf der Vorderseite des Blattes, während der Neubau hier über einen zentralen Risalit mit Altan an der Stirnseite sowie über insgesamt drei Zwerchgiebel an der Gartenseite verfügt. Der Garten am Schloss ist hälftig in einen Baumgarten und einen parzellierten Bezirk untergliedert.

 

2° Ms. Hass. 107 [312]

Landgräfliches Schloss mit Umgebung von Westen, 1630

Diese auf den 26.10.1630 datierte Ansicht des Schlossbezirks von Westen zeigt hintereinander den Garten an der "Strasse nach Königs walde", den „Schloß hof“ und den „Vorhof“, wobei links im Hintergrund wieder die Kirche im „kirchof“ angeschnitten ist. Im Gegensatz zu den anderen Darstellungen verfügt der neue Bau hier über zwei Zwerchgiebel an der Außenseite.

Die drei, in den Zeichnungen des Fürsten vorliegenden Varianten mit ein bis drei Dachausbauten reflektieren vermutlich Vorschläge zum Ausbau des Gebäudes. Ebenso rekurriert wahrscheinlich die ausführliche Darstellung der Umfassungsmauer mit zwei Eckpavillons auf Plänen zur Verbesserung der Einfriedung, die an dieser Seite die Stadtmauer ersetzt.

 


[365] vgl. Denkmaltopographie 1991, S. 350ff.

[366] HStAM Best. 40d Sontra 429, für den Hinweis auf diese Akte und weitere Angaben zur Baugeschichte danke ich Herrn Ernst Henn, Sontra

[367] HStAM Best. 40a Rubr. 10 Nr. 152

[368] in: Monumentum Sepulcrale 1638, S. 84

[369] Gromes 1989, S. 16

[370] siehe die Karte im HStAM Karten  P II 2355

[371] Collmann 1863, S. 127