BMBF-Forschungsprojekt 01NV1728 „Inklusive Bildung in der Alphabetisierungspraxis und im System des Zweiten Bildungsweges – Qualifikationen, Kompetenzen und Bedarfe des pädagogischen Personals“ (INAZ), Zeitraum 04/2018 – 07/2021

Projektbeschreibung

Untersucht wurde die Inklusionspraxis in Alphabetisierungskursen und im Zweiten Bildungsweg an Volkshochschulen. Das Vorhaben orientiert sich am Menschenrechtsgrundsatz von Inklusion, an den durch die Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Menschenrechtsverpflichtungen, Bildung allen zugänglich zu machen, und deren Übertragung auf die Erwachsenenbildung.

Das Ziel des Forschungsprojektes war es, die inklusive Bildungspraxis in der Alphabetisierung und im System des Zweiten Bildungsweges (vor allem im Bereich des nachholenden Hauptschulabschlusses) zu professionalisieren. Zielgruppe der Untersuchung waren Kursleitende von Alphabetisierungskursen, Lehrkräfte des Zweiten Bildungswegs (Hauptschulabschluss), Weiterbildungspädagog*innen, Verantwortliche der jeweiligen Bildungsinstitutionen (z.B. Volkshochschulen), die Erwachsenenbildung und die Professionalisierungsforschung.

Mit dem Projektvorhaben wurden zwei zentrale Fragen in Bezug auf die inklusive Bildungspraxis in der Alphabetisierung und im System des Zweiten Bildungsweges beantwortet:

(F1) Über welche Erfahrungen, Kompetenzen und Qualifikationen verfügen Lehrkräfte in Alphabetisierungskursen sowie des Zweiten Bildungsweges?

(F2) Welche Bedarfe sind vorhanden? Welche Widerstände und welche Gelingensbedingungen lassen sich identifizieren?

Theoretischer Hintergrund

Das Forschungsprojekt basiert auf der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie Klaus Holzkamps, in der die Handlungsmöglichkeiten von Lernsubjekten in engem Zusammenhang mit lebenspraktischen Zusammenhängen und Umweltbedingungen betrachtet werden. Die Aneignung von Wissen und Handlungsmöglichkeiten ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit einem Handlungsproblem. Eine übliche Handlungsweise mit dem Handlungsproblem ist nicht möglich, da die bisher vorhandenen Ressourcen nicht dazu ausreichen, um das Handlungsproblem zu bewältigen. Dieser Aneignungsprozess neuen Wissens zum Umgang mit dem Handlungsproblem wird als Expansives Lernen bezeichnet.

So initiiert das Lernsubjekt einen Lernprozess, es legt eine Lernschleife ein. Um dem lernenden Selbst eine Chance für die Bewältigung eines Handlungsproblems bieten zu können, müssen sich Lernangebote an den individuellen Lebenssituationen von Menschen orientieren. Mit der Entwicklung des Fortbildungsmoduls sollen den Kursleitenden Ressourcen angeboten werden, ihre eigenen Handlungsprobleme in inklusiven Kursen zu bewältigen und ihre Handlungs- und Lehrmöglichkeiten zu erweitern.

Methodisches Vorgehen

Das Forschungsprojekt gliedert sich in zwei Erhebungsteile: Zunächst wurden drei Gruppendiskussionen mit Lehrkräften aus Alphabetisierungskursen sowie des Zweiten Bildungswegs (aus drei Bundesländern) geführt. Hier wurden Beispiele guter Praxis aber auch Widerstände gegenüber einer inklusiven Bildungspraxis diskutiert. Anschließend wurde auf der Basis dieser qualitativen Gruppendiskussionen ein Fragebogen entwickelt, der Fragen zu Qualifikationen, Inklusionsansprüchen, -erfahrungen und -praktiken, sowie zu möglichen Widerständen enthält. Dieser quantitative Erhebungsteil wurde bundesweit mit Lehrkräften der Programmbereiche „Alphabetisierung“ und „Nachholende Schulabschlüsse“ an deutschen Volkshochschulen durchgeführt. Mit den Ergebnissen der beiden Untersuchungsteile (mixed- methods-approach) wurde ein Fortbildungsmodul entwickelt und erprobt, das anschließend in eine bundesweite Fortbildung für Lehrkräfte in der Alphabetisierung und im Zweiten Bildungsweg, gemündet ist. Abgeschlossen wurde das Projekt mit einer Abschlusstagung an der Hochschule Bremen.

INAZ-Fortbildung

Das eintägige bzw. achtstündige Fortbildungsmodul ist auf Kursleitende im Bereich der Alphabetisierung und des zweiten Bildungswegs ausgerichtet. Ziel ist, der Forderung der BRK nach diskriminierungsfreier und gleichberechtigter Teilhabe an Bildung nachzukommen.

Erprobung und Evaluation der INAZ-Fortbildung

Die INAZ Fortbildung wurde deutschlandweit an 12 Volkshochschulen erprobt. Dabei leiteten behinderte Referent*innen des CASCO-Projekts die Fortbildung, entsprechend dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“. Die Evaluation erfolgte sowohl durch einen Kurzbericht der Referent*innen in freier Schilderung als auch durch die Kurzfragebögen der Fortbildungs- Teilnehmer*innen.

Im Ergebnis wurde die Aufteilung in drei inhaltliche Themenblöcke und die praxisorientierte Bearbeitung als sehr gut gelungen bewertet. Als besonders positiv wurde der Perspektivwechsel zwischen Lehren und Lernen sowie die Selbsterfahrung durch Simulation von Beeinträchtigungen hervorgehoben. Hierzu wurde die Kompetenz der CASCO-Referent*innen betont.

In der Auswertung wurde deutlich, dass eine eintägige Fortbildung als zu kurz für die Komplexität des Themas betrachtet wurde. Gleichzeitig hat sich in der Forschung ergeben, dass gerade Honorarkräfte einen großen Teil der Kursleitenden an relevanten Volkshochschulen ausmachen. Kursleitende bestätigten die Sinnhaftigkeit des eintägigen Rahmens für Honorarkräfte, die an der Fortbildung in ihrer Freizeit teilnahmen. Einige Teilnehmende bemängelten, dass zu wenig konkrete Materialien, die sich spezifisch für Kurse der Alphabetisierung und des Zweiten Bildungswegs eignen, zur Verfügung gestellt werden. Ziel des Fortbildungsmoduls ist jedoch eine generelle Sensibilisierung für Inklusion sowie das Erarbeiten übergreifender Lösungskonzepte.

Überblick zum INAZ-Fortbildungsmaterial

Das eintägige Fortbildungsmodul ist in vier Themenblöcke aufgeteilt. Der Ablaufplan befindet sich in der INAZ-1-Start-Datei, als Ergänzung wird die INAZ-2-Präsentation verwendet, hinzukommend die Materialien (M 1-M 12).

Erwartungen an das Fortbildungsmodul werden zu Beginn vor dem ersten Themenblock aufgenommen und im Laufe der Fortbildung aufgegriffen und reflektiert.

Informationen zur Durchführung des Fortbildungsmoduls finden Sie hier zum Download: Informationsmaterial 1 & Informationsmaterial 2

1. Themenblock

Das erste Thema „Bewusstseinsbildung“ befasst sich mit dem Paradigmenwechsel vom Verständnis von Behinderung durch die Behindertenrechtskonvention (BRK). Als Einstieg gibt es ein Quiz zu den Menschenrechten von behinderten Menschen. Zur Vertiefung kann das „Bundesgesetzblatt_2008_UNBRK“ (M 11) aus dem Materialordner genutzt werden. Im Anschluss wird ein Input zur Definition von Behinderung und Ableismus mithilfe der INAZ- Präsentation gegeben.

Den Abschluss dieses Blocks bilden Sensibilisierungsübungen, bei denen Materialien zur Simulation von Beeinträchtigungen in der Fortbildung in Präsenz oder auch digital ausprobiert werden können. Hierzu gehören Seh- und Hörbeeinträchtigungen sowie das Hören von negativen

Stimmen (M5, M6, M7). Die Anleitung zur Nutzung der Materialien bietet M1 „Sensibilisierungsübungen“.

2. Themenblock

Der zweite Themenblock „Barrierefreie Binnendifferenzierung“ widmet sich dem Konzept Universal Design for Learning (UDL). Hierbei sollen gelungene Praktiken, die zur Gestaltung von inklusiven Bildungsangeboten eingesetzt werden, etabliert werden. Den Einstieg bildet eine Diskussion über Gründe für verschiedene Ergebnisse in einem unterrichteten Kurs, dem der Input zum Prinzip des UDL folgt. Darauf folgend erarbeiten sich die Teilnehmenden das Konzept eigenständig mittels des Textes „Fisseler2015_Universal_Design_Kontext_Hochschulbildung“ (M 8). In der anschließenden Gruppenarbeitsphase werden verschiedene Lernmaterialien barrierefrei und binnendifferenziert gestaltet. In Partner*innenarbeit werden mögliche Lernzielkontrollen erarbeitet. Zum Abschluss werden Vor- und Nachteile barrierefreier Binnendifferenzierung reflektiert.

3. Themenblock

Das dritte Themengebiet „Umgang mit psychischen Behinderungen“ fokussiert Lernsituationen in Kursen und beginnt mit einem inhaltlichen Input (INAZ-Präsentation). Eine Annäherung wird durch die Wahrnehmungsübung „Durch den Raum gehen“ vollzogen, die im Anschluss in der Gesamtgruppe reflektiert wird. In der nächsten Übung wird gemeinsam überlegt, welche Faktoren das Kurssetting beeinflussen: Die Kursleitung, die Gruppe/Einzelnen Teilnehmenden, das Thema, unterschiedliche Umweltfaktoren wie auch die Raumgestaltung. Im Anschluss werden Handlungsmöglichkeiten im Plenum besprochen, wobei alle Faktoren beachtet werden.

4. Themenblock

Im vierten Themenblock „Offen für Bedarfe, Fragen etc.“ wird Raum zur Reflexion und für Vertiefungswünsche geboten. Abschließend werden Feedbackbögen (M4) ausgefüllt und die Teilnahmebescheinigungen (M3) ausgehändigt.

Materialkoffer

Der Materialkoffer kann auf Anfrage bei Prof. Dr. Marianne Hirschberg ausgeliehen werden. Der Bestand des Koffers ist unter M12 gelistet. Während der Fortbildung lassen sich Position Nr. 5 (M9) und Nr. 7 (M10) der Monitoring-Stelle zur UN-BRK (am Deutschen Institut für Menschenrechte, DIMR) zur Visualisierung und Vertiefung im Raum aufhängen oder verteilen. Ebenso ist ein Dokument mit weiterführender Literatur und Links (M 12) beigefügt. Eine Ankündigung des Fortbildungsmoduls (M 2) ist ebenfalls enthalten. Zudem befindet sich in dem Material ein INAZ Poster zur Veranschaulichung des Forschungsprojekts, in dem das Fortbildungsmodul entstanden ist.

Wir empfehlen diese Referent:innen zur Durchführung der INAZ-Fortbildung.  

Für weitere Fragen zum Fortbildungsmodul stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Die Materialien des Fortbildungsmoduls stehen hier zum download bereit: Materialordner INAZ-Fortbildung

Projektteam

Prof. Dr. Marianne Hirschberg (Leitung), Dr. Franziska Bonna und Helge Stobrawe (Mitarbeiter*innen)