»The Sympathizer«: Doppelte Doppelagenten
Ein schier endloses Netz aus Lügen, Verrat und geheimen Identitäten, mitten im Kalten Krieg. The Sympathizer ist eine faszinierende Miniserie von Kultregisseur Park Chan-wook (Oldboy, The Handmaiden) und verfilmt den gleichnamigen Bestseller von Viet Thanh Nguyen aus dem Jahr 2015. Eine Mischung aus Agententhriller, Kriegs-Drama und Systemkritik mit einer großen Prise Satire und schwarzer Komödie, die eigentlich nicht funktionieren sollte, es aber doch tatsächlich hervorragend tut.
Das Jahr ist 1975 und der bereits seit 20 Jahren wütende Vietnamkrieg steht vor dem Ende. Der von der Sowjetunion unterstützte Norden ist kurz davor, Saigon, die Hauptstadt des mit den USA verbündeten Südens, einzunehmen. Inmitten dieses Chaos befindet sich der namenlose Captain (Hua Xuande), seines Zeichens Geheimagent des Südens und in Zusammenarbeit mit der amerikanischen CIA auf stetiger Suche nach Spionen aus dem Norden. Was fast niemand weiß: Er ist selbst insgeheim einer dieser Spione. Im kommunistischen Norden aufgewachsen, gelang es ihm den Süden zu infiltrieren und aus seiner neuen hohen Position geheime Informationen dorthin weiterzuleiten. Kurz vor dem Fall Saigons und dem damit verbundenen Sieg des Nordens bekommt er jedoch einen neuen Auftrag. Statt endlich das Ende des Krieges zu feiern und das Land neu aufzubauen soll er einen südlichen General bei der Flucht in die USA begleiten und seine Rolle als Spion fortsetzen. Dort angekommen, verliert er sich immer mehr im Gewirr des Kalten Krieges, dessen Herausforderungen ihn vermehrt an die Grenzen seines Könnens bringen und seine scheinbar tiefsten Überzeugungen und Ideale bis in die Grundzüge erschüttern.
The Sympathizer gelingt es im Laufe seiner sieben Folgen, eine eindrucksvolle und vor allem einzigartige Agenten-Geschichte zu stricken. Denn eingebettet wird die ganze Erzählung in den Kontext einer militärischen Vernehmung des Captains, mehrere Monate nach dem eigentlichen Geschehen. Eine Art Aufarbeitung der Geschichte, in welcher er immer wieder versucht sein früheres Handeln durch Voice Over zu erklären, beschönigen oder zu rechtfertigen. Sowohl der Grund für die Vernehmung samt Gefangennahme als auch die Zuverlässigkeit seiner Aussagen bleiben dabei stets mysteriös und ambivalent. Immer wieder werden Szenen durch die Stimme eines vernehmenden Generals unterbrochen, welcher Unstimmigkeiten zwischen den gezeigten Bildern und früheren Aussagen des Captains aufzeigt. Mal bleibt dieser dann bei der neueren, nun gezeigten Version, immer wieder werden ganze Szenen aber auch zurückgespult und mit veränderten Details neu abgespielt, zeitlich anders eingeordnet oder zuerst auf völlig andere Szenen und Ereignisse eingegangen. Zeitweise wird die Authentizität ganzer Sequenzen sogar bereits im Vorfeld angezweifelt und lediglich eine Version der Ereignisse gezeigt, die vermutlich so passiert sein könnte.
Somit bildet sich ein dynamisches und stets fragiles Gebilde aus verschiedenen Handlungssträngen. Die Frage, wie viel des Gezeigten wirklich so geschah und welche Details nur für den Kontext der Vernehmung erfunden wurden, bleibt hier omnipräsent. Zu dieser unwirklichen Stimmung trägt auch das Casting bei. So werden gleich mehrere wichtige Rollen von IronMan-Darsteller Robert Downey Jr. verkörpert, die immer wieder im Leben des Captains auftauchen und teilweise auch miteinander interagieren. Der Grund für dieses Mehrfach-Casting ist dabei nicht nur direkt in der Geschichte verankert, sondern verdeutlicht zudem auch noch die Unzuverlässigkeit des Captains als Erzähler.
Serienschaffer Park Chan-wook und Don McKellar vermeiden es dabei stets, klar Partei für eine der Seiten zu ergreifen. Stattdessen liegt der Fokus darauf, die Komplexität der verschiedenen Ideologien zu beleuchten und diverse, repräsentative Einzelschicksale in den Mittelpunkt zu stellen. So wird bspw. der tiefgreifende und radikale Hass des Captains auf die westliche Welt nicht einfach nur erklärt, sondern durch eine geschickte Perspektivierung sogar rationalisiert, ganz gleich der eigenen politischen Überzeugungen als Zuschauer:in. Dabei entzieht The Sympathizer sich jedoch keineswegs einer politischen Positionierung oder gibt sich gar mit einem generischen und zentristischen Anti-Kriegs-Statement zufrieden, sondern bohrt stattdessen nach den Hintergründen des Konfliktes und bewegt sich mit seiner Kritik auf einer systemischen Ebene, statt nur einer oberflächlichen und individuellen.
Die Art und Weise, wie hier einer der blutigsten und längsten Konflikte des 20. Jahrhunderts beleuchtet wird, ist dabei vor allem durch die Perspektive des Captains eine zutiefst einzigartige und emotionale. So befindet er sich aufgrund seiner Kindheit im Norden und seines Lebens im Süden und später den USA – wo er jeweils natürlich neue Kontakte und emotionale Beziehungen knüpft – wortwörtlich zwischen den Fronten. Zudem wird an ihm auch die Perspektive von asiatischen Immmigrant:innen in den USA zu dieser Epoche beleuchtet, die in westlichen Medien zumeist unterrepräsentiert. Im Vordergrund steht hier vor allem die systemische Diskriminierung und Ausnutzung der asiatischen Communities in den USA, die der Captain an erster Hand erlebt.
Dabei nimmt er zudem eine besondere Stellung ein, da seine Mutter zwar Vietnamesin war und er dort aufgewachsen ist, sein Vater aber aus dem Westen stammt, er selbst also auch halb „weiß“ ist. Insofern wird er weder in Vietnam, noch im Westen, als echter „Landsmann“ anerkannt. Daher steckt in The Sympathizer auch eine Migrationsgeschichte, die durch den sie umgebenden Kontext noch packender und vielschichtiger wird.
Hervorragende Regie, kreative Dialoge und eine unberechenbare Struktur. The Sympathizer ist spannender, amüsanter und doch zeitgleich erschreckender Blick auf die geheimen Schlachtfelder des Kalten Krieges. Ein einzigartiger und differenziert Blick, der es unbedingt wert ist, gemacht zu werden.
Trailer: